Die neue Mitschülerin (32)
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Kapitel 32: Ertappt
„Anna, wir müssen mal mit dir reden.“, sagte Maria, als sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter am Sonntagabend beim gemeinsamen Abendessen saßen. Anna verschluckte sich kurz und brauchte einen Moment, um den Hustenanfall wieder loszuwerden.
„Hört sich nicht gut an…“, sprach sie ihre Gedanken unsicher aus.
„Naja…es ist nichts Schlimmes. Also wir ziehen nicht um, es ist niemand krank oder gar gestorben und wir lassen uns auch nicht scheiden.“, versuchte Maria, ihre Tochter zu beruhigen. Mit eher mäßigem Erfolg.
„Was ist es denn dann?“, fragte Anna, immer noch nicht sicher, ob sie dieses Gespräch wirklich führen wollte. Letztlich war ihr aber klar, dass es kein Entkommen geben konnte.
„Also erstmal finde ich es sehr positiv, dass du Pia und Tamara gestern von deinem Windelproblem erzählt hast.“, lobte Maria.
„Ehm…danke?“, antwortete Anna verwirrt. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Warte, woher weißt du das, dass wir darüber geredet haben?“, hakte sie nach.
„Unser Code? Schon vergessen?“, erinnerte Maria sie an die gestrige Begegnung, als sie mit Pia und Tamara im Schlepptau nach Hause gekommen war.
„Stimmt.“, lachte Anna und haute sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
„Aber…sind die Windeln wirklich ein Problem für dich?“, fragte Maria weiter. Anna wurde umgehend rot und versuchte, ihr Gesicht zu verstecken. Da sie außer ihren Händen nichts hatte, wo das hinter möglich gewesen wäre und die Hände vors Gesicht zu halten auffällig gewesen wäre, hatte sie folglich keine Chance. Natürlich erkannte ihre Mutter, dass Anna sich ertappt fühlte.
„Kein Grund, rot zu werden.“, lächelte Maria, „Anna, bitte. Wir sind deine Eltern und du kannst mit uns über alles reden.“
„Woher weißt du das?“, wollte Anna mit zittriger Stimme wissen.
Maria atmete kurz durch und antwortete schließlich: „Hm…na gut, wenn ich Aufrichtigkeit von dir verlange, muss ich selbst auch aufrichtig sein. Also: Ich glaube, ihr habt es gestern nicht mitbekommen. Aber ich bin kurz nach oben gegangen, als ihr in deinem Zimmer wart, weil ich zum Lagerraum wollte. Die Fenster mussten dringend mal wieder geputzt werden.“
Anna blickte sich um und erkannte jetzt tatsächlich, dass die Fenster in der Küche und im Wohnzimmer sehr viel sauberer aussahen. Gleiches galt für die Terrassentür.
„Und dann hast du uns belauscht?“, schlussfolgerte Anna.
„Nicht absichtlich, glaub mir bitte. Ich konnte natürlich verstehen, worüber ihr redet und als du erzählt hast, dass du die Windeln nicht nur nachts benutzt, muss ich zugeben, hat meine Neugier gesiegt.“, erklärte Maria.
„Wärst du so nett, mich auch aufzuklären, mein Schatz?“, mischte sich Rudolf letztendlich auch noch ein, indem er seine Tochter anblickte und zu erkennen gab, dass er von all dem noch nicht allzu viel mitbekommen hatte. Also erzählte Anna. Ausführlich, mit einigen Unterbrechungen, aber immer wieder ermutigt von ihren Eltern, die mehrfach betonten, dass sie ihr vertrauen konnte.
„Ich finde es super, dass du so deinen Weg gefunden hast, damit umzugehen, dass du nachts Windeln brauchst.“, befand Rudolf, nachdem Anna endlich alles erzählt hatte, zumindest alles, was sie betraf. Chris hatte sie bewusst außen vor gelassen. Sie würde ihn wohl vorbereiten müssen, dass sie heute vor ihren Eltern letztlich gezwungen wurde, mit offenen Karten zu spielen. Aber dass er sich an den Windeltagen beteiligte, mussten ihre Eltern wirklich nicht wissen. Zumindest nicht, bevor sie sich vergewisserte, dass er damit einverstanden wäre.
„Ehm…danke?“, antwortete Anna unsicher auf das Lob ihres Vaters.
„Ich habe mir mal Gedanken gemacht, wie wir damit umgehen. Also vielleicht sollte ich erstmal sagen, dass ich deinem Vater zustimme. Ich finde es auch schön, wie du mittlerweile die Windeln problemlos akzeptierst. Wenn ich nur an Weihnachten zurückdenke…naja, ist ja auch egal mittlerweile. Und zur Info: Dein Vater weiß von meinen Ideen auch noch nichts, weil ich dir die Gelegenheit geben wollte, dass er davon von dir erfährt. Aber nun zu meinem Vorschlag: Du weißt ja, dass Windeln nicht ganz billig sind. Und wenn du sie trägst, obwohl du sie nicht brauchst, fände es zumindest ein Teil von mir fair, wenn du dich mit deinem Taschengeld daran beteiligst. Aber auch dazu habe ich einen Kompromissvorschlag, du sollst ja auch nicht dein ganzes Taschengeld für Windeln ausgeben.“, begann Maria zu berichten und schaute schließlich die anderen beiden am Tisch an. Als sie vier Augen sah, deren Blicke sie als Aufforderung, fortzufahren, interpretierte, führte sie ihre Gedanken weiter aus: „Der größere Teil von mir sagt aber, dass das Geld für uns kein Problem ist. Deshalb der Vorschlag: Ich hab mitbekommen, dass deine Freundin Pia raucht. Wenn du nicht anfängst zu rauchen, bekommst du die Windeln, die du möchtest und brauchst, ohne von deinem Taschengeld etwas dazu zu tun.“
„Hm…dann muss ich was gestehen…“, fing Anna an.
„Ernsthaft?“, fragte Rudolf schockiert.
„Jein…also ich habe am Freitag bei Pia eine Zigarette probiert.“, gestand Anna beschämt, „aber ich will nicht anfangen. Höchstens mal zwischendurch eine, wenn man was getrunken hat. So zum Genuss vielleicht, versteht ihr?“
„Ok…ich glaube, das zähle ich nicht als Verletzung meines Vorschlags.“, sagte Maria nach kurzem Überlegen und fügte hinzu: „Also begeistert bin ich nicht, aber das Argument als Genussmittel kann ich ehrlich gesagt gerade schlecht widerlegen.“
„Kannst du nicht?“, wunderte sich Rudolf, „Es ist teuer, ungesund und suchterzeugend.“
„Ist Alkohol auch. Und du weißt, dass wir durchaus regelmäßig abends ein Glas Rotwein trinken. Ich finde, das ist durchaus vergleichbar mit hin und wieder beim Feiern mal eine zu rauchen.“, entgegnete Maria. Nun war Rudolf ein Argument vorgesetzt, das er nicht widerlegen konnte.
„Also Anna, wärst du damit einverstanden, und du Rudolf auch, wenn wir sagen, solange du nicht anfängst, täglich zu rauchen, musst du dich nicht mit deinem Taschengeld an den Windeln beteiligen?“, formulierte Maria schließlich einen Kompromiss, mit dem die anderen beiden sich einverstanden zeigten.
„Und noch was: Du brauchst dich mit den Windeln nicht verstecken. Wenn du am Wochenende das Bedürfnis hast, eine Windel am Tag zu tragen, dann darfst du damit auch runter zu uns kommen, ja?“, fügte Maria noch mit einem Lächeln hinzu. Nach diesen Worten sprang Anna auf und umarmte erst ihre Mutter und dann ihren Vater.
„Danke Mama, danke Papa.“, sagte sie und wischte sich eine Freudenträne aus dem rechten Auge, „ihr seid die Besten. Habt ihr damit denn wirklich kein Problem?“
„Ist auch unser Anspruch als deine Eltern.“, erwiderte Maria lachend, „Und nein, haben wir nicht. Wir wissen, dass du an deiner alten Schule aufgrund der Windeln nicht die einfachste Zeit hattest. Umso mehr freuen wir uns, dass du scheinbar gelernt hast, damit zu leben und glücklich zu sein. Und wenn es dazu gehört, dass du beispielsweise deine Windel von der Nacht noch am Frühstückstisch trägst, dann ist das eben so. Du brauchst dich wie gesagt vor uns nicht zu verstecken.“
„Inwieweit weiß Chris eigentlich davon?“, fragte Rudolf anschließend.
„Ehm…der weiß quasi das gleiche wie ihr. Also ich habe es ihm nicht von mir aus erzählt, er hat nachgefragt. Hat es aber natürlich akzeptiert.“, antwortete Anna.
„Ich glaube, er ist wirklich mit das Beste, was dir passieren konnte.“, befand Maria.
„Ja, auf jeden Fall. Besonders durch ihn habe ich auch gelernt, das mit den Windeln und insgesamt mich so zu akzeptieren wie ich bin. Weil er es mir halt auch vorlebt.“, stimmte Anna zu.
„Das machen wir ja auch. Also hoffe ich, dass das ankommt.“, warf Rudolf ein.
„Keine Angst, Papa.“, lachte Anna, „Aber es ist dann doch irgendwie was anderes, wenn dich jemand in deinem Alter bedingungslos liebt.“
„Das glaube ich, Liebling“, schloss Maria das Gespräch ab.
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„Oh hey, das ist ja eine schöne Überraschung.“
Mit diesen Worten sorgte Pia dafür, dass gleich zwei Herzen einen Schlag aussetzten. „Pia!?“, fragte Jonathan entsetzt, „was machst du denn hier?“
„Ich…gehe hier zur Schule? Genauso wie ihr?“, verstand Pia die Frage zunächst absichtlich falsch.
„Nein…ich meine, was machst du jetzt hier? Im Stadtpark?“, klärte Jonathan das vermeintliche Missverständnis auf.
„Ach…meine Eltern arbeiten heute beide. Und ich hatte Lust auf einen Döner.“, erklärte Pia. Ihre Beobachtung hatte sie zwar nur bedingt überrascht, dennoch war der Döner keineswegs ein Vorwand, sondern der tatsächliche Grund, dass sie Jonathan und Noemi quasi in flagranti erwischen konnte.
„Ah…“, machte Jonathan nur.
„Warum ihr hier seid, muss ich nicht fragen, oder?“, setzte Pia nach, erhielt aber nur verlegenes Schweigen als Antwort. Sie versuchte, sich einfühlsamer zu zeigen: „Kein Grund so schüchtern zu sein. Ich bin nicht mal wirklich überrascht, dass ihr scheinbar zusammen seid. Ich freue mich für euch.“
„Spionierst du uns nach?“, fragte Noemi verwundert.
„Nein…aber ich gehe durchaus mit offenen Augen durch die Welt. Mir ist aufgefallen, dass ihr am Montag in der letzten Ferienwoche doch länger miteinander und scheinbar gut geredet habt. Und dass Jonathan auf einmal nicht mehr mit uns mit dem Bus nach Hause fährt, habe ich auch bemerkt.“, erklärte Pia.
„Hm…das klingt glaubwürdig.“, kommentierte Jonathan.
„Wollt ihr das bisher geheim halten?“, fragte Pia nach.
„Haben wir gar nicht so genau drüber gesprochen. Aber du bist die erste, die es erfährt.“, antwortete Noemi.
„Welch Ehre.“, kommentierte Pia. Es klang ironischer, als sie es gemeint hatte.
„Wie lange läuft das schon? Also wenn ich fragen darf?“, blieb Pia hartnäckig.
„Seit letzter Woche. Am Freitag haben wir uns…“, begann Noemi zu erzählen, ehe ihre Schüchternheit siegte.
„Das erste Mal geküsst?“, beendete Pia den Satz, den Noemi begonnen hatte. Sie und Jonathan nickten verlegen.
„Wie gesagt, kein Grund schüchtern zu sein. Ist doch nichts Schlimmes, was ihr bisher verheimlicht habt, im Gegenteil, das ist doch was Schönes!“, lächelte Pia.
„Ja…aber wir sind halt nicht du.“, antwortete Jonathan. Daraufhin musste Pia verlegen lächeln.
„Das heißt, ihr trefft euch bisher immer nach der Schule?“, hakte Pia weiter nach.
„Ja. Ich bleib einfach hier und fahre dann später nach Hause.“, erklärte Jonathan.
„Und was sagst du deinen Eltern?“, war Pia an dem Gerüst an Flunkereien interessiert.
„Naja, mal mache ich Hausaufgaben in der Schule, mal bin ich bei Dennis, mal bei Chris, und so weiter.“, antwortete Jonathan.
„Und du?“, fragte Pia nun an Noemi gerichtet.
„Ich? Naja, meine Eltern arbeiten immer bis in den Nachmittag. Auch wenn wir nachmittags Unterricht haben, bin ich immer zuerst zu Hause. Das ist im Grund einfach.“, erklärte Noemi.
„Warum geht ihr dann nicht zu dir?“, erkannte Pia, dass ein Puzzleteil zu fehlen schien.
„Gute Frage…meistens genießen wir die Zeit halt hier im Park. Das Wetter ist ja auch noch schön.“, antwortete Noemi.
„Wie geht’s dir eigentlich im Moment, Pia?“, fragte sie direkt danach und wechselte somit das Thema. Klar, von der Versöhnung am Wochenende hatte sie noch nichts mitbekommen.
„Ach, ganz gut eigentlich. Hatte von Freitag auf Samstag Besuch von Anna und Tamara. Wir…“
Noemi fiel ihrer Freundin ins Wort und fragte ungläubig: „Anna hat bei dir geschlafen?“
Mist, dachte Pia, das hätte ich vielleicht anders sagen sollen. Schnell versuchte sie, die Worte, die ihr in den Sinn kamen, in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, aber Jonathan war schneller. „Ist das so ungewöhnlich?“, fragte er.
„Also…naja…ich…also Annas Eltern sind wohl was Übernachtungen angeht sehr streng und erlauben ihr fast nichts. Ich war ja auf der Stufenfahrt letztes Schuljahr mit ihr auf einem Zimmer und da hat sie sich darüber lang und breit beschwert, dass sie gerne mal bei anderen übernachten würde.“, erklärte Noemi und verpackte damit das wichtigste Detail auf die gleiche Art und Weise, wie Anna es auch wochenlang vor Chris gemacht hatte, bis er ihr Geheimnis entdeckt hatte.
„Naja“, setzte Pia an, „warum sie jetzt auf einmal scheinbar durfte, weiß ich nicht. Aber ja, auf jeden Fall hat auch Anna bei mir geschlafen. Wo war ich eben? Ach ja: Tamara und ich hatten uns am Donnerstag schon getroffen, nachmittags, und uns ausgesprochen. War tatsächlich relativ emotional, aber ich bin sicher, bei Tamara und mir ist wieder alles in Ordnung. Zumindest so weit, dass es nicht irgendwas in unserer Clique erschwert.“
„Das ist super, dass ihr euch wieder versöhnt habt!“, bewertete Jonathan Pias Erzählungen.
„Ja, finde ich auch. Ehm…ich mache mich dann mal auf den Weg nach Hause so langsam.“, sagte Pia, „will den nächsten Bus erwischen.“
„Dann mach dich mal auf den Weg. Ich bleibe noch hier.“, entgegnete Jonathan und beantwortete damit die Frage, die Pia im Anschluss hatte stellen wollen.
„Wollte ich gerade nachfragen“, lachte Pia, „dann noch einen schönen Tag euch. Und viel Glück euch beiden. Wirklich, ich freue mich für euch. Und ich verspreche, ich versuche nichts zu erzählen…“
„Aber?“, fragte Noemi.
Pia schaute verwirrt zu ihr. „Aber…ja, ok…gut gelesen…aber ich möchte euch warnen, ich bin nicht gerade die beste, wenn es darum geht, Geheimnisse zu bewahren.“ Sie schaute betreten zu Boden.
„Danke für die Warnung.“, erwiderte Jonathan, „Wenn du es erzählst, wird die Welt schon nicht untergehen. Wenn du dein Bestes gibst, es für dich zu behalten, wird das schon genügen.“
Autor: Theseus (eingesandt via E-Mail)
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Da hat Noemi ja grad nochmal die Kurfe bekommen! Und das Anne Ihre Eltern diesen Kompromiss mit Ihr geschlossen haben, find ich eine sympatische Lösung. Freu mich auf den nächsten Teil.
Die Geschichte gefällt mir sehr gut.
Hier und da sind ein paar Kleinigkeiten, die ein bisschen geschickter geschrieben werden hätten können, aber die habe ich schon wieder vergessen.
Ein Thema fehlt mir aber, obwohl es natürlich mit Windeln nicht zu tun hat: zwischen 16 und 18 machen Jugendliche in der Regel den Autoführerschein. Insbesondere, wenn sie auf dem Land wohnen und mit dem Bus zur Schule fahren müssen…
Danke für die Rückmeldung. Einen (Neben-)Schauplatz mit „Fahrschule“ zu eröffnen, nehme ich mal als Hinweis auf. Ich denke drüber nach, vielleicht lässt sich ja was machen.
Wenn dir die „paar Kleinigkeiten, die ein bisschen geschickter geschrieben werden hätten können“ noch einfallen, melde dich gerne 😉
Wobei ich gestehen muss, unter die „alten“ Kapitel nicht mehr zu schauen, ob da noch wer kommentiert.
Was ich etwas verwirrend fand war das mit dem Code mit dem die Mutter erfahren hat, dass die Freundinen bescheid wissen. Ich vermute das war fas mit „ich habe dir Wäsche aufs Bett gelegt“
Auch die spontane Übernachtungsparty, das klang an einer Stelle so, als wäre es Freitag oder am nächsten Tag Feiertag und später war es so, dass am nächsten Tag Schule war. Ich denke da hätten sicher die Eltern doch was dagegen gehabt.
Fas mit der Fahrschule muss ja eigentlich nicht enthalten sein aber irgendwie mal auftauchen, das ist ja auch ein großes Thema in dem Alter und kann die Terminplanung durcheinander bringen.
Grüße,
Volker
Sehr schöne Fortsetzung.
Uih !!!!!
Hier liegen aber sehr viele heiße Eisen auf einmal im Feuer