Die Geheimnisse der Kerkwald-Geschwister (29)
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Kapitel 29
Ein Eingeständnis
„Morgens, halb zehn in Deutschland …“, zitierte Fenix eine vielbekannte Werbung. „Hast du Knoppers dabei?“, fragte Jakob hoffend-zweifelnd, denn er war sich nahezu sicher, dass Fenix spontan keine Süßigkeiten aus den Taschen seines Skianzuges zaubern würde.
Tat er dann auch nicht, obwohl Jakob nochmal eine halbe Minute brauchte, um den komischen Thermoskannenverschluss aufzufriemeln. Erst dann goss er den dunkelroten Tee in die Thermoskannenkappe, die zugleich ihr einziger Becher war. Vermutlich war es ziemlich genau halb zehn, Jakob wusste das nicht so genau. Schließlich war Fenix der mit der Armbanduhr. Vermutlich stimmte, was er sagte. Jakob hatte jedenfalls Durst. Noch im Morgengrauen hatten die beiden Kinder sich draußen vor dem Dorfplatz getroffen, nachdem der Blick in den schwarzen Himmel an diesem Donnerstagmorgen endlich einmal keinen Schnee verhießen hatte. Der große Sturm war vorbei, Jetzt war zwar alles eingeschneit und taute nur langsam, aber der Wind war weg und der viele Schneeregen auch. Man konnte endlich ein Schneeiglu bauen!
Am Anfang war der Schnee noch hart wie Eis gewesen. Sie hatten extra eine Schaufel mitgenommen, aber grade die Eishärte war super gewesen, um einen Tunnel in den großen Schneehaufen zu graben, denn so blieb immerhin alles stehen.
Sichtlich erschöpft hockten die beiden Zehnjährigen nun zwei Stunden später in ihrem spärlich beleuchteten Iglu und gönnten sich mit dem Früchtetee, den Robin ihnen mitgegeben hatte eine Verschaufpause. „Wenn du schon eine Schaufel hast, dann brauchst du auch eine Thermoskanne, damit du zum richtigen Bauarbeiter wirst!“, hatte seine große Schwester ihn liebevoll geneckt.
Aber damit hatte sie recht gehabt, befand Jakob, als er den ersten Schluck nahm. „Boah voll warm!“, freute er sich und nahm einen Zweiten. Trotz seines Schneeanzuges und dem geringfügigen Wetterschutz, den ein Mini-Iglu so bieten konnte war es immer noch ziemlich kalt, wenn man sich ein paar Minuten nicht bewegte.
„Gib auch mal!!“, rief Fenix, und griff nach dem Becher. Natürlich gab Jakob ihn bereitwillig ab.
„Oh, heiß!“, befand sein Freund überschwänglich, doch nahm einen großen Schluck: „Plötzlich wird einem überall warm!“
Fenix gab den – nun leeren Becher – wieder seinem Freund zurück. Er setzte an etwas zu sagen, doch dann sah er für einen Moment verlegen weg.
„Noch was?“, fragte Jakob, da goss er bereits nach. Vor allem für sich, denn das meiste hatte bisher Fenix getrunken.
Plötzlich sprach Fenix wieder leise, gar nicht mehr so aufgedreht wie noch vor einer Sekunde: „Weißt du, woran mich das Gefühl erinnert, wenn man den Tee trinkt und sich auf einmal alles warm anfühlt?“
Jakob zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
Fenix blaue Augen sprangen schüchtern zwischen ihm, der Tasse in Jakobs Händen und dem Boden umher.
„Was denn?“, fragte Jakob gespannt, als er die leere Tasse im Schnee abstellte.
Zögerlich antwortete Fenix: „Wenn das warm wird … das ist wie wenn man grade in ne Windel pullert, hm?“
Jakob musste kichern, auch wenn es peinlich war: „Stimmt echt“, gab er zu. Doch dann stockte er: „Moment Mal… Woher weißt du das??“
Fenix Gesichtsausdruck war abzulesen, dass er genau diese Reaktion vorausgesehen haben musste.
„Ich … ich wollte dir das eigentlich die ganze Zeit schon sagen“, gab Fenix zu: „Aber es ist halt peinlich. Auch wenn das Quatsch ist, weil du ja auch …“, stammelte er: „ … Ich hab bis vor kurzem auch noch welche gebraucht nachts, weil ich ins Bett gepullert hab.“
„Bis wann?“, fragte Jakob überrascht.
„Bis … vor …“, Fenix schien im Kopf nachzurechnen: „Elf Tagen!“
„Tagen ???“, rief Jakob überrascht: „Du …“
„Jip“, räumte Fenix ein: „Bis zum Umzug hab ich ins Bett gepieselt und … naja, Papa hat mir Pampers zum hochziehen gekauft.“
,Paaamperss‘, betonte Fenix leise. Beinahe unverblümt, so als würde er Jakob klarmachen wollen, dass er nicht der Einzige war mit ,Paaamperss‘.
„Aber naja … weißt du, das war zwar voll peinlich am Anfang, aber das Gefühl war echt nicht schlimm, garnicht …“
„Schön warm, oder?“, traute sich Jakob zu sagen. Immerhin hatte Fenix das schon quasi selbst zugegeben.
„Boah jaaaaaa …“, schwärmte Fenix.
„Hast du nur beim schlafen reingepullert, oder …“, fragte Jakob eine Frage, auf die man nur kommen konnte, wenn man selbst jahrelang Bettnässerwindelkind gewesen war.
„Auch nach dem Aufstehen … “, flüsterte Fenix und spielte aufgeregt mit der Reisverschlussschnalle seines Schneeanzuges rum.
„Am Wochenende …“, brauchte Jakob nur zu sagen.
„Boah jaaa … Nick und Papa schlafen immer voll lange und da hab ich die nie direkt ausgezogen nach dem Aufwachen!“
„Und reingepieselt?“, knuffte Jakob seinen Freund in die Seite.
Fenix kicherte verlegen: „Jaahaa. Einmal sogar, da …“, er flüsterte wieder: „Da bin ich mit Papa zum Fischmarkt und wir mussten schnell los, da hab ich mir einfach eine Hose über die Pampers von der Nacht gezogen und hab sogar am Markt nochmal reingepullert!“
Jakobs Herz klopfte. Er stellte sich seinen Freund vor, wie er zwischen lauter Fremden auf einem Wochenmarkt stand, an der Hand seines Vaters, und sich unauffällig in die Windel pieselte, wie er das sonst immer machte. Er konnte kaum glauben, was Fenix ihm grade erzählte: „Boah krass!“, sagte Jakob begeistert während seine Augen zu leuchten begannen: „Hast du Ärger bekommen?“
Fenix wog den Kopf hin und her: „Ja Papa hat mich gefragt was das soll und …“
Doch bevor Fenix ihm richtig antworten konnte, fiel Jakob schon die nächste Frage ein, die er sofort stellen musste: „Mann, warum hast du aufgehört ins Bett zu machen!“, beschwerte er sich förmlich: „Das wäre so toll gewesen, wenn du auch …“
„Keine Ahnung … war keine Absicht!“, verteidigte sich Fenix und beide Kinder mussten kurz Lachen. Fenix hatte das so gesagt, als wäre trockenwerden etwas, für das er sich entschuldigen müsste.
Dann war es kurz still. Jakob suchte nach den richtigen Worten: „Vermisst du die Pampers jetzt?“, fragte er.
Fenix seufzte: „Ich … Ach … keine Ahnung! Ich hab mich mega gefreut am ersten Tag wo ich morgens trocken war. Und als ich selbst nach Halloween morgens trocken war, obwohl wir so viel Cola getrunken haben Abends, da wusste ich: Ich habs geschafft. Das war super! Papa hat sich total gefreut und Nick ist auch stolz auf mich deswegen jetzt. Und jetzt kann ich auch endlich bei Freunden Übernachten, ohne dass …“
„Also bei mir hättest du ja wohl trotzdem übernachten können!“, bemerkte Jakob: „Außerdem! Maxi macht auch noch ins Bett! Wenn du auch noch Windeln tragen würdest nachts, dann wäre Linus der Einzige der aufs Klo geht bei meiner Geburtstags-Übernachtungsparty!!“
„Warte, was? Maxi pullert ins Bett?“
Jakob nickte aufgeregt. Auch wenn er diese Information grade Fenix präsentiert hatte, als wäre es das normalste auf der Welt, war dieser Gedanke für ihn genau so ungewohnt wie für seinen Freund. Genaugenommen wusste es Jakob sogar erst seit gestern Nachmittag. Es war schon wieder dunkel gewesen, doch die dicken Schneeflocken vor den Fenstern hatte man immer noch gesehen. Jakob hockte auf seinem Kinderzimmerteppich, baute an einem Flughafentower der zu seinem Legoflugzeug passen sollte und hörte dabei eine Hörspielkassette, die er fast auswendig mitsprechen konnte – bis ihn das Telefon aus seinem Spiel riss! Jakob sprang sofort auf, denn es bestand Grund zu der Vermutung, dass Fenix endlich zurückrief! Den versuchte er schon den ganzen Tag lang anzurufen. Auf seinen Strumpfhosensocken schlitterte er durch den Flur, sprang athletisch mehrere Treppenstufen auf einmal herunter und hätte beinahe den Telefonhörer abgenommen, als ihm der Name auf dem Display ins Auge sprang:
‚Knopp‘
Jakobs Hand zuckte zurück. Sein Herz klopfte!
Das Telefon läutete ein weiteres Mal.
Ob sich Herr Knopp rächen wollte? Oh Gott!
Jakob machte einen Schritt zurück.
Doch der Apparat klingelte weiter.
„Mama … Telefon!“, rief er stattdessen eingeschüchtert.
„Kannst du es mir herbringen, Bärchen?“, fragte seine Mutter. Doch Jakob rannte die Treppe wieder nach oben und tat, als würde er die Antwort seiner Mutter nicht hören.
„Jaaaakob?“, rief sie ihn.
Doch der Angesprochene versteckte sich oberhalb der Treppe hinter der Kommode.
Der Klingelton ertönte noch ein weiteres Mal, bevor Jakob seine Mutter entnervt seufzen hörte. Dann wurde das Telefon abgenommen.
„Eva Kerkwald am Apperat?“, sagte seine Mama. Dann war kurz Stille.
„Ach Sandra, du bist es nur!“, hörte er seine Mutter anschließend sagen.
Sandra, so hieß die Mama von Maximilian Knopp, erinnerte sich der Zehnjährige. Von oben sah Jakob, wie seine Mutter sich auf die Treppenstufen setzte. Sie sah müde aus. Sie hielt den Hörer an ihr Ohr und schien ihrer Gesprächspartnerin eine Weile lang zuzuhören.
Dann begann sie zu antworten: „Ach Sandra, da mach dir mal keine Sorgen. Das sind alles ganz liebe Jungs. Jakob kennst du ja, Linus doch auch, oder? Und Fenix, Jakobs neuer Freund, das ist der Sohn vom Herbrands. Klar sind die alle schon in der Fünften, aber die sind doch nicht anders als dein Max. Die spielen auch noch keine Ballerspiele …“
Jakob musste grinsen, als seine Mutter das sagte. Sie kannte ja Fenix‘ Playstation nicht.
„ … und Jakob ist doch eh ein Spätzünder …“
Dessen Grinsen verflog sofort.
„ … du kennst ihn ja. Wir hatten ja neulich Klassenabend mit den anderen Eltern und Kindern seiner Klasse, da ist mir das selber erst aufgefallen. Die sind alle viel reifer und weiter als er, fast schon Jugendliche. Jakob könntest du bestimmt auch noch in Max‘ Dritte Klasse stecken, ohne dass es auffallen würde“, gluckste sie.
Jakob wurde wütend auf seine Mutter. Nicht nur auf seine Mutter. Irgendwie auf alles und jeden! Was sollte das! Man! Er hätte gerne mit der Faust gegen die Kommode geschlagen, aber das würde man ja unten hören. Gekränkt drückte seine Faust stattdessen auf seinen eigenen Oberschenkel. Auf die geringelte, grün-weiß-orangene Strumpfhose, unter der man zwischen seinen Beinen deutlich die vollgepullerte Windel sah.
Eigentlich hatte seine Mama Recht. Er konnte sich keinen seiner Klassenkameraden so vorstellen wie er grade angezogen war. Vielleicht Fenix, aber nicht mal der trug noch Windeln! Hatte er zumindest gestern gedacht.
„Achso …“, sagte seine Mutter unten währenddessen verständnisvoll.
Plötzlich fühlte sich Jakob ganz alleine. Als wären er und alle anderen Fünftklässler dieser Welt auf einer Wanderung deren Ziel es war, Groß und Erwachsen zu werden. Doch er war irgendwann auf der Hälfte des Weges gestolpert, lag am Boden und die anderen Kinder liefen einfach weiter anstatt ihm aufzuhelfen!
Unter ihm hörte er seine Mutter wieder antworten: „Na das ist doch wirklich kein Problem bei uns! Du weißt doch, Jakob braucht doch auch immer noch Windeln. Hat er denn auch die …“
Hatte er das grade richtig gehört? Was hieß hier ,auch noch‘?
Nach einer kurzen Pause hörte Jakob seine Mama wieder in einem beruhigenden Ton auf ihre Gesprächspartnerin eingehen: „Ja, wenns nur das ist … wir haben hier noch die Blauen zum selber hochziehen, die für ältere Kinder. Daran kann er sich ruhig bedienen. Ich bin mir sicher, keiner der anderen Jungs wird ihn deshalb auslachen, Sandra. Jakob läuft doch selbst den ganzen Tag in Pampers rum und ihn ärgern seine Freunde doch auch nicht!“
Da erinnere sich Jakob an das Bett von Max, als er das letzte Mal am Knopphof gewesen war für die ,Geburtstagseinladung‘ die damals eigentlich ja nur ein Vorwand für die aus dem Ruder gelaufene Geheimoperation von ihm, Fenix und ihren großen Geschwistern gewesen war. Der Bettbezug war abgezogen gewesen und darunter war eine Bedmat von Pampers gewesen. Es hatte genau so ausgesehen wie bei ihm, wenn mal seine Windel nachts ausgelaufen war und sein Bett neu bezogen werden musste. Klar! Maxi machte auch noch ins Bett. Und seine Mama rief an um zu klären ob das ein Problem war. Aber das war es nicht! Überhaupt nicht! Er würde Max einfach eine von seinen Drynites geben und Creme und Feuchttücher hatte er ja auch. Die Drynites trug er ja selbst eh nicht mehr! Max konnte so viele haben, wie er wollte! Da hatte Jakob dann doch wieder angefangen zu Lächeln. Bei seiner Geburtstagsübernachtung würde er also nicht der einzige Bettnässer sein!
Am nächsten Tag, zeitgleich zum Iglubau bei den Kerkwalds Zuhause
„Ja Brudi, du siehst echt cool aus!“, versicherte Robin ihrem großen Bruder David in einer liebevoll-bemutternden Stimmfärbung, in der sie sonst nur zu Jakob sprach.
Dave rollte mit den Augen, dann mussten beide Lachen: „Ne, ist besser so. Lass das Hemd offen.“, entschied sie. Ungewöhnlich unsicher blickte der Sechzehnjährige in den Ganzkörperspiegel der im Zimmer seiner kleinen Schwester stand. Um ihn herum lagen mehrere Tshirts, Hemden und selbst eine Jeanshose, die er für nicht gut genug für den heutigen Nachmittag befunden hatte. Aus Robins iPod-Dock tönte „Wonderwall“ von Oasis.
„Warum bist du überhaupt so aufgeregt? Willst du Nick einen Antrag machen, oder was?“, scherzte Robin ironisch, während sie Davids Kleidungsstücke in einer eleganten, fließenden Bewegung aufsammelte und ihrem Bruder in die Hände drückte.
„Darf man das überhaupt?“, lautete Davids Rückfrage, die Robin kalt erwischte. Heiraten durften die beiden auf jeden Fall nicht. Welchen Sinn hatte da schon ein Antrag?
Darüber hatte sie nie nachgedacht: „Sorry“, gab sie zu.
„Alles gut“, erwiderte Dave: „Es soll einfach nur ein schöner Nachmittag werden, weißt du?“
Aufmunternd lächelte Robin ihren älteren Bruder an und versuchte sich vorzustellen, was er grade durchmachte. Irgendwie war Dave auch süß, auf seine ganz eigene Art. Jetzt, in diesem Moment. Vielleicht verstand sie, was Nick an ihm fand. Die Art, wie seine Harte Schale durchsichtig wurde, wenn man sie erkannte.
Vielleicht war es doch nicht unvorstellbar, dass er mit Jakob verwand war.
David ging grade in den Flur, als Robin ihm noch scheinbar beiläufig etwas hinterherrief: „Ach … du begleitest Jakob jetzt am Freitag ins Megalino, ne?“
Eine astreine Suggestivfrage. In einem unachtsamen Moment gestellt, sodass David beinahe drauf reingefallen wäre. Aber er kannte seine Schwester zu gut: „Ey nein ey, das stand nichtmal zur Debatte, Rob!“, lies er sie eiskalt auflaufen: „Außerdem ist der Pisser …“
„Hey!“, maßregelte Robin ihren großen Bruder.
Sie erntete ein Augenrollen von ihrem Gesprächspartner: „Außerdem ist mein von mir sehr geschätzter kleiner Bruder doch nun bald Elf Jahre alt und damit definitiv alt genug, um alleine in einem Indoorspielplatz Spaß zu haben!“
„Boah Davee“, grummelte jetzt auch Robin: „Hast du nicht zugehört gestern? Klar sind die vier Jungs alt genug, aber Kindergruppen dürfen halt nur mit Aufsichtsperson dahin. Weil bla Versicherungs-Bullshit.“
David ging zur Treppe, während er seiner Schwester antwortete: „Robin, tu doch nicht so. Wenn sich keiner findet, dann machst du das doch eh.“
Die Fünfzehnjährige schnaubte: „Mann komm schon! Das wäre echt total Scheiße, wenn ich nicht zur Federklausur könnte! Komm, er ist auch dein Bruder!“
„Keine Ahnung ey … hast du mal die Mutter des Jungen gefragt??“, wies David die Verantwortung von sich.
Robins Augen wurden feucht. Sie griff nach ihrem großen Bruder und drehte ihn zu sich und schüttelte ihn regelrecht: „David, Bitte! Tus halt nicht für Jakob, sondern für mich!“
„Heey, Rob …“, versuchte David, seine kleine Schwester zu beruhigen und legte eine Hand um ihre wilden braunen Locken: „Ich …“
Die Türklingel ersparte es Dave, sich die nächste Ausrede auszudenken. Schnell huschte er zur Tür und begrüßte seinen … seinen Freund. Ja, das konnte man schon so sagen. Seinen Freund.
„Hey“, „Hi“, tauschten Robin und Nick anschließend ebenfalls eine verlegene Begrüßung aus.
„Alles okay, Rob?“, fragte Nick.
Robin lächelte: „Jaa.“
„Ey komm, wasn?“, insitierte Nick.
Robin lächelte, senkte ihren Kopf und wandte sich Richtung Küche, als David das Wort ergriff. Schon als er seinen Satz anfing, wusste er, was er damit bewirken würde. Dass alles, was er jetzt sagen würde absolut zu seinem Nachteil sein würde. Und das, wenn er jetzt schweigen würde, sich das Problem für ihn auflösen würde. Aber vor ihm standen Nick und Robin. Nicht irgendwer.
„Wir haben uns nen bisschen gestritten, weil Rob will, dass ich Jakob morgen zu seinem elften Geburtstag ins Megalino, das ist so’n Indoorspielpark, begleite“, gab David zu.
„Ohh, und du kannst bestimmt nicht wegen eurem Schülerzeitungs-Zeug?“, kombinierte Nick.
Robin nickte.
Nick sah zu seinem Freund.
David wich seinem Blick nicht aus. Er wusste, dass Nick über die ganze Sache anders denken würden als er. Er hatte gestern gesehen, wie Nick mit seinem kleinen Bruder umging.
„Hey Dave … wollen wir das vielleicht einfach zusammen machen?“, schlug sein Freund nach einer kurzen Bedenksekunde vor: „Ich mein ganz ehrlich, das sind liebe Jungs. Die sind in der Fünften oder so. Wir gehen mit denen rein und dann, keine Ahnung, schleichen wir uns durch den Notausgang wieder raus oder so. Oder wir rauben die Bar aus!“, scherzte der muskulöse Sechzehnjährige.
David musste lachen: „Klar! So viel Robby Bubble bis uns schwarz vor Augen wird!“
Irgendwie schaffte es Nick immer, dass einem die Dinge gar nicht so schlimm vorkamen. Vielleicht liebte er ihn deswegen.
Wenig später, kurz vor Zwölf in der Dorfmitte:
„Aber red jetzt nicht einfach so mit ihm darüber, dass er ins Bett macht!“, bat Jakob seinen Freund. Er senkte seine Stimme, damit niemand anderes mitbekam, worüber sie grade redeten. Sie waren immerhin nicht mehr unter sich, da wo sie jetzt hingingen.
„Dann weiß Maxi nämlich, dass ichs verraten hab“, fügte er hinzu. Nachdem Jakob und Fenix untereinander alles über Windeln beredet hatten, was es für die nächsten Tage zu bereden gab, war Fenix wieder auf Maxi zu sprechen gekommen.
„Ja …“, verstand Fenix: „Aber ich will nicht, dass Maxi sich jetzt deshalb vorher schämt und Sorgen macht, das wäre mega dumm!“
„Hm …“, überlegte Jakob. Er verstand, was Fenix meinte. Auch wenn es ein bisschen dumm wäre, wenn Maxi sich bei seiner Übernachtungsparty schämen würde, Bettnässer zu sein. Er wusste doch, dass Jakob auch selbst noch Windeln brauchte!
Mit einem sportlichen Sprung hüpfte Jakob über einen schmalen, halb im Schnee versunkenen Zaun. Er stapfte sofort weiter durch den Schnee und bog einen kahlen Strauch zur Seite, als er merkte, dass Fenix ihm nicht folgte.
„Dürfen wir das echt?“, haderte sein Freund.
„Klaro, das ist ne Abkürzung, vertrau mir!“, antwortete Jakob ungeduldig. Zögerlich folgte Fenix seinem Freund über den Zaun, während Jakob mit einer Hand an einem hervorstehenden Zweig rumpiddelte und die andere zwischen seine Beine drückte. Gemeinsam drückten sie sich durch den Busch, gingen ein paar Meter an einer Klinkermauer entlang und standen kurz darauf auf einer verschneiten Fläche, dessen unter der Schneedecke unsichtbaren Asphalt Jakob in und auswendig kannte. Etwa da wo sie grade standen, waren Hüpfekästchenfelder auf den Asphalt aufgemalt. Der Schulhof der Kleinfeldener Grundschule! Links von ihnen trotzte eine steinerne Tischtennisplatte dem Wetter und auf der rechten Seite ein Klettergerüst, von dessen roten Seilen gefrorene Eiszapfen herabhingen. Doch das hinderte einen Jungen in einer roten Jacke nicht daran, sich von oben an den Seilen herabhängen zu lassen: „Hey Jakob!“, begrüßte der dunkelblond gelockte Junge ihn: „Bist du nicht auf dem Gymmi seit diesem Schuljahr??“
„Jau“, antwortete Jakob sichtbar gut gelaunt: „Aber das Gymmi ist einfach kaputt seit heute Nacht! Die Decke ist eingekracht! Und jetzt haben wir erstmal Schulfrei“, lachte der Zehnjährige, während er die Beine überkreuzte.
„Echt? Krass man!“, staunte Jakobs Gesprächspartner: „Und jetzt?“
„Keine Ahnung“, zuckte Jakob mit den Schultern: „Uns ist langweilig! Wir warten auf Maxi, weißt du, wieviel Stunden die Dritte heute hat?“
Fenix verfolgte, wie der Junge sich im Kletternetz einmal überkopf drehte und dann vom Klettergerüst zu ihnen herabsprang. Jakobs Grundschule war Miniklein. Ein kleines Schulhaus, davor ein Flachdach-Anbau und daneben der Hof, auf dem sie grade standen. Kein Wunder, dass niemand etwas dagegen hatte, dass sie einfach so hier auftauchten, hier auf dem Dorf. Bei seiner alten Grundschule in Hamburg wurden nach Unterrichtsbeginn immer die großen Eisentore verschlossen, sodass niemand mehr unerlaubt aufs Gelände kam – oder davon runter.
„Die sind auf jeden Fall noch drinnen!“, dachte der Junge im roten Anorak nach: „Bei Frau Riedle, Reli, glaub ich!“
„Boaaaah die ist voll …“, setzte Jakob an.
„ … Scheiße!“, vollendete sein Gesprächspartner den Satz und beide lachten.
„Glaub Maxi hat heute fünf Stunden“, erinnerte er sich an Jakobs ursprüngliche Frage: „Wollt ihr bis dahin mitspielen bei 3D-Fangen?“
„3D-Fangen??“, wunderte sich Fenix, der bislang still neben den beiden Jungen gestanden hatte.
„Wer bist du eigentlich?“, wunderte sich der Junge plötzlich, so als hätte alleine die Tatsache, dass er 3D-Fangen nicht kannte, ihn als Neuling verraten.
„Das ist Fenix, der geht in meine Klasse!“, stellte ihn Jakob vor, während er sich wieder eine Hand zwischen seine Beine drückte: „Vor zwei Wochen ist er aus Hamburg hergezogen!“
„Hi Felix! Ich bin Benni!“, grüßte ihn der Lockenjunge.
„Nicht Felix, mit N!“, korrigierte Jakob Benni kichernd.
„Nelix?“, lachte Benni.
Jetzt musste Fenix mitlachen.
„Felin??“, stellte Benni sich dumm und brachte Jakob so sehr zum Lachen, dass zwei kräftige Pipischübe in seine Pampers spritzten.
Jetzt, ganz plötzlich nahm er die Signale seiner übervollen Blase war.
Das musste der Früchtetee sein. Jakob lies seine Hand locker, hockte sich auf den Boden und tat so, als würde er die Klettverschlüsse seiner Winterstiefel fester zu machen. Dann lies er die Pipiflut frei.
„… Aber du kannst auch vom Klettgerüst runterspringen! Der ganze Rindenmulch-Bereich ist erlaubt!“, hörte Jakob Benni erklären, während die Pampers an seinem Po heiß und nass wurde. Er bemerkte, wie Fenix zu ihm runtersah. Jakob presste beschämt seine Lippen aufeinander und wollte grade wegschauen, als Fenix ihm zuzwinkerte.
Ach, was machte er sich überhaupt vor.
„… und Klippo ist nur auf dem Drehteller! Aber der Fänger darf 30 Sekunden lang drehen und wenn einer runterfällt, ist er automatisch gefangen!“, vollendete Benni die Regeln.
„Und wer ist Fänger jetzt?“, fragte Fenix daraufhin.
„Äh … Lukas! Aber der ist grade pissen …“, antwortete der Grundschüler.
„Hey nein, hier bin ich schon wieder!“, rief ein weiterer Junge, der auf die Kindergruppe zugelaufen kam. Ohne anzuhalten stupste er den hockenden Jakob an der Schulter an und sprang aufs Klettergerüst: „Jakob, du bist!“
Obwohl er im Gegensatz zu Lukas längst nicht fertiggepinkelt hatte, sprang Jakob sofort auf und rannte dem Jungen hinterher. Der Pipistrahl ebbte sofort ab, was Jakobs Blase mit einem deutlich spürbaren ziepen quittierte. Er musste immer noch viel zu dringend und in seiner Windel schwappte heißes Pipi zwischen seinen Beinen umher, als Jakob dem Drittklässler hinterherkletterte. Seinen Harndrang blendete er sofort wieder aus, es war total unwichtig. Niemand erwartete, dass er aufs Klo gehen würde, er hatte eine Pampers an. Ihm konnte egal sein, wann genau er sich das nächste Mal in die Hose machen würde.
Jakob schaffte es schnell, Lukas wieder zu fangen. Von außen betrachtet sah es regelrecht brutal aus, wie Jakob von einem Teil des Kletternetzes auf das nächste Sprang und dabei den Drittklässler mit zu Boden riss. Die beiden Kinder landeten übereinander auf der weichen Schneedecke und Jakob drückte sofort eine Hand auf Lukas Brust: „Du bist wieder!“, befand er, rappelte sich auf und rannte zum Drehteller.
„Hab dich!“, hörte er Lukas etwas weiter weg kreischen, als er auf den Drehteller erklomm. Der Fänger musste sich also erneut geändert haben. Überrascht bemerkte Jakob, dass die ebene, mit texturiertem, griffigen Holz ausgelegte Oberfläche des Spielgerätes zugefroren war. Er stand grade erst, da geriet er mit seinen Füßen auch schon ins Schlittern. Doch dann sah er Benni auf ihn zurennen. Der Viertklässler schob sofort den metallenen Rand an, sodass das Plateau begann, sich um die eigene Achse zu drehen. Jakob geriet ins Rutschen, ruderte mit den Armen, verlor das Gleichgewicht. Rücklings fiel er auf seinen feucht-schwammigen Windelpo doch federte sich mit den Händen ab, mit denen er sich im nächsten Moment noch versuchte, an der oberen Kante festzuhalten. Doch er rutschte unweigerlich immer weiter nach außen, je schneller Benni das Spielgerät zum drehen brachte. Jakob winkelte seine Beine an, stemmte seine Füße gegen die glatte Eisschicht und spannte seinen ganzen Körper an in der Hoffnung, so der Zentrifugalkraft zu trotzdem.
„Ahhhhhh“, kreischte Jakob lachend, weil er wusste, dass er sich nicht würde festhalten können und im selben Moment wurde es auch in seiner Pampers wieder heiß. Erneut brachen alle Dämme. Jakobs Blase hatte für ihn entschieden, dass jetzt der richtige Zeitpunkt zum weiterpullern gekommen war.
„Lukas, Benjamin!“, rief plötzlich eine Frauenstimme zu ihnen rüber: „Ich hatte euch doch gesagt, der Drehteller ist Tabu für heute!“
Benni hörte auf zu drehen, doch noch im selben Moment rutschte Jakob von der Plattform herunter und landete halb neben, halb auf Lukas im Schnee.
Beide Jungen mussten lachen.
Sein Herz klopfte.
Sein Pipi hörte nicht auf, in seine Windel zu sprudeln.
Bis hoch zu seinem Bauch wurde es jetzt warm.
Er wusste gar nicht, wo oben und unten war.
Zwischen seinen Handschuhen und dem Schneeanzug drang kalter, nasser Schnee an seine Haut.
Sein ganzer Körper kribbelte.
Jakob seufzte.
„Benjamin, weil genau so etwas dann passiert!“, ermahnte eine große doch stämmige Lehrerin mit ölangen blonden Haaren den Viertklässler. Frau Harlekin stand weniger vor, als vielmehr über ihnen und sah zu den zwei Jungen herab. Ihr ernster, ermahnender Gesichtsausdruck wechselte im nächsten Moment, als sie erkannte, wer neben dem schuldbewussten Viertklässler im Schnee lag.
„Ach, Jakob!“, wunderte sie ich: „Das ist ja eine schöne Überraschung!“
Langsam rappelte Jakob sich auf, schnaufend, während sich um ihn herum noch alles drehte. Der Urinfluss ebbte ab und Jakob spürte stattdessen, wie seine Pampers in alle Richtungen aufquoll.
„Hallo Frau Harlekin!“, begrüßte Jakob seine alte Klassenlehrerin, während er sich eine Schneeflocke von der Backe wischte: „Tut mir leid, ich … das wusste ich nicht!“, beteuerte er.
„Alles in Ordnung, ihr Beiden?“, fragte die Lehrerin als nächstes, bevor sie sich ächtzend vor die zwei Kinder kniete. Auch Lukas und Fenix waren mittlerweile herbeigelaufen.
Jakob sah fragend in Bennis Richtung: „Bei dir?“
Benni nickte: „Nö, alles supi!“, bekannte der selbstbewusst.
„Bei euch in Hemmingen ist die Schule zusammengebrochen, oder?“, kombinierte Jakobs alte Klassenlehrerin. Jakob nickte: „Ja, gestern Nacht. Und jetzt haben wir Schulfrei!“
„Na dann ist es doch schön, dass es nur einen Tag dauert, bis du wieder bei deiner alten Grundschule aufschlägst, junger Mann!“, begrüßte sie ihn.
Jakob musste lächeln. Frau Harlekin hatte er immer gemocht: „Ja, ähm … naja …“, gab er zu: „ … wir wollten nur Maxi abholen, damit er mit uns das Iglu auf dem Dorfplatz weiterbaut sobald er Schule aus hat!“
Bei so viel Ehrlichkeit musste die Pädagogin lachen: „Hahaha … Na dann. Maxi Knopp, oder?“
Jakob nickte.
„Ach, ja … der ist doch in meiner Dritten! Ja, die haben noch Religion, aber das dauert nicht mehr lange“, zwinkerte sie ihm zu.
„In … ihrer Dritten?“, wunderte sich Jakob: „Müssten sie nicht wieder die erste Klasse Unterrichten, nachdem wir weggegangen sind?“
,Wir weggegangen sind‘ … das klang so, als seien Jakob und seine alten Mitschüler im letzten Sommer für immer vom Erdboden verschwunden. Er setzte sich auf die Kante des rutschigen Flachkarussells und seine Lehrerin in ihren großen, bunten Mantel setzte sich neben ihn. Seine drei Mitspieler schienen einzusehen, dass Jakob eine Pause brauchte und erklärten ersatzweise Fenix zum Fänger.
Frau Harlekin nickte: „Stimmt, Jakob! Eigentlich hätte ich wieder eine erste Klasse übernehmen sollen. Aber Frau Nothberg, erinnerst du dich noch? Die hat ein Kind bekommen, noch in den Sommerferien. Wir haben jetzt einen tollen neuen Kollegen, der die erste Klasse hat und ich habe die Dritte übernommen, die ich ja eh schon aus dem Englisch- und Sportunterricht kannte“, erklärte sie.
„Aach, dann macht Maxi jetzt mit ihnen ,Head, Shoulders Knees and Toes‘?“, erinnerte sich Jakob.
„Ja. Da warst du immer gut drin!“, erinnerte sich seine Lehrerin: „Macht dir Englisch immer noch so viel Spaß?“
Ihr ehemaliger Schüler sah sie ertappt an und schüttelte mit dem Kopf: „Neee, das ist voll schwierig jetzt, mit den ganzen Vokabeln und so.“
Die Mittdreißigerin verzog den Mundwinkel. Sie kannte Jakob gut, weil er ein Schüler gewesen war, auf den man besonders gut Acht geben musste und das hatte sie vier Jahre lang getan. Weil man ihn mitnehmen musste, nicht, weil er dumm war, sondern einfach, weil er einer sprichwörtlichen graden Linie nicht so gut folgen konnte wie die meisten seiner Mitschüler: „Lernst du denn genug mit deinem Vokabelheft?“, fragte sie eine oberflächliche Frage, um das Gespräch weiterzuführen.
Der Junge mit den wissbegierigen dunkelbraunen Augen zuckte resigniert mit den Schultern: „Keine Ahnung, scheinbar nicht …“ und stapfte mit seinem linken Stiefel im Schnee auf.
„Ach Mensch …“, reagierte die Pädagogin, bevor sie ihre nächste Frage stellte: „Gefällt es dir denn auf dem Gymnasium?“
Jakob schien kurz zu überlegen, dann machte er den Mund auf, doch erst kam nichts raus. Dann traute er sich: „Ne-ein“, gab er zu, wobei die zweite Silbe des eigentlich einsilbigen Wortes in einem Schluchzen unterging.
Die Schulglocke läutete, doch das bekam Jakob gar nicht mit. Ihr ehemaliger Schüler, der vier Jahre lang Fortschritte nicht nur in schulischen Leistungen, sondern auch im Sozialverhalten und Selbstvertrauen gemacht hatte, fing an zu weinen. Drückte sich die nassen Handschuhe vors Gesicht, weil es ihm natürlich unangenehm war, als Zehnjähriger vor seiner alten Grundschullehrerin zu weinen.
„Die sind gemein da“, schniefte Jakob in altersunangemessenem Vokabular: „Alle. Die anderen Kinder in der Klasse. Meine Lehrer auch!“
Mitfühlend legte sie ihren Arm um den schluchzenden Jungen. Sie wollte ihm grade gut zureden, da sprach Jakob weiter: „Mein Mathelehrer hat gesagt, ich bin falsch auf dem Gymnasium!“
„Ach Jakob …“, sagte sie, doch eigentlich machte die Reaktion ihres Kollegen sie wütend. Nicht die Meinung, die er hatte. Die musste sie ihm zugestehen, auch wenn sie vom Gegenteil überzeugt war. Aber die Tatsache, dass er das einem Jungen mit ohnehin fragilem Selbstbewusstsein ins Gesicht sagte!
„ Ich glaube, er hat recht“, resignierte der Zehnjährige, der sich Ende Juni noch so sehr auf die neue Schule gefreut hatte, trotzdass er von nun an von seinem besten Freund getrennt werden würde. Hatte sie einen Fehler gemacht? Wäre es besser für Jakob, er wäre mit Linus zusammen auf die Gesamtschule gegangen?
„Nein, Jakob! Lass dir das nicht einreden. Du bist ein kluger Junge!“, bestärkte sie ihn. Scheinbar schien ihm das sonst niemand zu sagen: „Weißt du noch …“, wollte sie ihren Schüler grade an sein wunderbares Referat zur Concorde, das er vor einem halben Jahr gemacht hatte und das die ganze Klasse erstaunt hatte, erinnern. Doch in diesem Moment kam, was immer kam, wenn man sich als Grundschullehrerin für einen Moment auf ein einzelnes Kind konzentrierte: „Hey, Jakob!“, unterbrach ein gut gelaunter Neunjähriger in einer dunkelgrünen Outdoor-Arbeitsjacke, der grade aus seinem Klassenraum gestürmt sein musste und seinen Freund neben ihr ausgemacht hatte ihr wichtiges Gespräch. Frau Harlekin konnte nicht vermeiden, dass sie für einen Moment genervt die Augen schloss: Doch nicht jetzt! Maxi war schnurstracks zu ihnen rüber gerannt gekommen und setzte sofort zu einer neugierigen Frage an: „Was …“, doch dann überdachte er sie nochmal: „Warum heulst du, Jakob?“
Ertappt sah der Junge zu seinem Freund hoch. Sie machte eine beruhigende Handgeste vor ihrem Schüler, um ihm zu signalisieren, dass er Jakob jetzt etwas Raum geben sollte. Aber Jakob war schneller: „Wir haben 3D-Fangen gespielt mit Lukas und Benni aus der Vierten. Ich war aufm Drehklippo, aber bin voll ausgerutscht weil das so glatt ist …“, log er.
„Ohhh, du Armer …“, zeigte Maximilian Mitgefühl: „Aber … was … was machst du hier?“, fragte er: „Ihr habt jetzt Schulfrei, bist du deshalb da? Gehst du jetzt stattdessen auch wieder zu Frau Harlekin in die Klasse?“, formulierte er als Scherz.
Jakob sah erst überrascht zu seinem Freund, dann zu ihr. Frau Harlekin musste nicht lange überlegen: „Max, vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee …“
Autor: giaci9 (eingesandt via E-Mail)
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Ui da schreib ich gerade noch mit dir und plötzlich fällt mir ein das Teil 29 doch such schon erschienen sein könnte! Bin ich froh das ich nach geguckt habe, sonst könnte ich diesen rührenden wunderschönen Teil nicht lesen. Ich denke Grundschullehrer verstehen ihre Schützlinge immer besser als die Kollegen auf den weiterführenden Schulen. Woran das wohl liegt…. läuft es jetzt darauf hinaus das Jakob jetzt in die dritte Klasse geht für die paar Tage? Wäre doch eine willkommene Abwechslung
Oh, ich hab beim schreiben mit dir auch tatsächlich gedacht du würdest dich schon auf dieses Kapitel beziehen. 😉
Ich finde es auch rührend. Und ja, ich denke ich verrate nicht zu viel wenn ich sage, dass es darauf hinausläuft das Jakob jetzt mal wieder in die Grundschule geht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihn das sehr freut 😉
Äwww, wie schön das ist! Jetzt kommt wieder Handlung rein und du hast auch alle 3 Geschwister bedacht. Das mit Robin und Dave ist dir echt gut gelungen. Ich freue mich mega darauf von Jakobs Geburtstag zu lesen und hoffe doch, dass er auch mal das hört, was er braucht. Denn dumm ist er nicht! Wie sehr man sich da an seine eigene Schulzeit erinnert fühlt, wenn man eben ein bisschen, naja, anders war.
Tausend Dank für einen weiteren schönen Teil. Wie gewohnt freue ich mich auf den Nächsten.
Mit Dave und Robin das ist zwar nur so ein Miniteil, aber ich bin auch der Meinung, dass der Dialog sehr gut zu den beiden Charakteren passt.
Ich freue mich auch mega darauf, von Jakobs Geburtstag zu schreiben und glaube/hoffe auch, dass ihn der Grundschultag weiterbringt in seiner Entwicklung. Er ist wirklich nicht dumm, das hat er in dieser Geschichte schon oft genug gezeigt finde ich!
Jakobs Erfahrungen in der fünften Klasse habe ich an meine Zeit damals angelehnt und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht bin, wie viele Leute kommentieren, dass es ihnen genau so ergangen ist damals.
Und Es ist wirklich gemein. Grade hat man verstanden, wie Schule funktioniert, sich eingefunden auf der Grundschule, gehört zu den älteren Kindern und hat sich in ein Sozialgefüge eingefunden und sofort wird man versetzt auf eine Riesenschule, wird von den Freunden getrennt, hat plötzlich mega lange Unterrichtstage und alles ist viel ernster. Als ich eingeschult wurde hat man mir gesagt „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens!“, aber das habe ich nie so empfunden. Die Grundschule hat super viel Spaß gemacht. Zu beginn der fünften Klasse habe ich mich recht schnell an diesen Spruch zurückerinnert und habe für mich selbst das Fazit gezogen: „Jetzt hat der Ernst wirklich begonnen“.
Und es ist wirklich gemein! Man ist grade noch Kind, wird von seinen Freunden getrennt, mit anderen überforderten Kindern zusammengeworfen auf eine Riesenschule in einer Fremden Stadt von denen man dann zwei Jahre später ohnehin nochmal getrennt wird weil die Klassen neu zusammengesetzt werden. Als Erwachsener frage ich mich schon, ob es nicht besser wäre, wenn die Grundschule bis zur sechsten Klasse gehen würde wie in Berlin und in vielen anderen Ländern.
Eines meiner Lieblingskapitel! Endlich kommt etwas Licht ins Dunkle von Fenixs Windelvergangenheit. Ich bin gespannt, ob er bei der Geburtstagsparty auch wieder welche anziehen wird nachts …