Jona (12)
Windelgeschichten.org präsentiert: Jona (12) – Teil 11
Kapitel 12: Das W-Wort
Ich öffnete langsam und zaghaft die Türe. Mir war schon vorher klar, dass Helen davor stehen würde. Sie schaute mich immerhin nicht verärgert an, sondern schaute eher mitfühlend und immer noch etwas besorgt. In ihrer Hand hatte sie meine Bettwäsche. Sie schob mit der freien Hand langsam die Türe auf und ich ließ sie ins Badezimmer. Sie warf die Bettwäsche auf den Haufen mit der übrigen Wäsche. Auf den hatte ich in der Situation gar nicht mehr geachtet. Sie schaute mich nochmals von oben bis unten an und ging zur Türe.
„Du solltest dich langsam wirklich umziehen. Ich hab mich schon mal um dein Bett gekümmert. Mach dir darüber keine Sorgen ja. Zieh dich um, die Hose kannst du auf den Wäschehaufen werfen und komm nach unten was essen. Du musst Hunger haben und außerdem müssten langsam die Schmerzmittel nachlassen oder?“ sagte sie mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Das war eine ähnliche Reaktion wie ich sie von Chris kannte. Störte sie das wirklich nicht oder wieso war sie so entspannt und freundlich? Sie verließ das Bad und zog die Türe hinter sich zu. Vielleicht würde mich beim Essen noch der große Knall erwarten. Ich schluckte kurz. Ganz unrecht hatte Helen leider nicht. Mein Magen meldete sich tatsächlich langsam und wie ich auch schon bemerkt hatte nahmen die Schmerzen an den Armen wieder zu. Noch waren sie erträglich, aber wie würden sie sein, wenn ich hier noch eine Stunde sitzen würde oder gar zwei oder noch mehr. Das wollte ich nicht wissen. Emotionalen Schmerz war ich gewohnt, aber körperlichen Schmerz den verabscheute ich dann doch. Ich zog meine nassen Sachen aus und zog mir eine neue Unterhose und Jogginghose an, glücklicherweise besaß ich von den Dingern mehr als genug. Einfach bequem zu tragen, das ideale Kleidungsstück für zu Hause. Ich verließ das Bad mit einem doch mulmigen Gefühl und ging nach unten.
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Das erste was ich machte war einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war gerade erst neun. Sarah konnte ich in der Küche nicht sehen. Aus dem Wohnzimmer konnte ich keine Geräusche hören. War sie einfach oben in ihrem Zimmer? Was hatte Helen vorhin noch gesagt? Sie weckt mich wenn sie Sarah ins Bett gebracht hat? Das hatte ich mir doch in meinem Wahn nur eingebildet. Eine Sechzehnjährige wird doch nicht von ihrer Mutter ins Bett gebracht und erst recht nicht um diese Uhrzeit oder etwa doch? Nein niemals ich musste mich verhört haben. Diese Schmerzmittel waren anscheinend ziemlich übel. Ich sollte mal die Packungsbeilage lesen, da würden bestimmt auch Halluzinationen mit aufgeführt sein. Die Erklärung für alles.
Helen saß am Tisch und schaute auf mich und deutete mit der Hand auf den Platz gegenüber. Dort stand schon ein Teller mit einer doch recht üppigen Portion des angekündigten Kartoffelauflaufs. Er sah gar nicht mal schlecht aus und roch unglaublich lecker. Ich setzte mich langsam auf die Bank. Ich musste tatsächlich ein wenig vorsichtiger agieren, da die Arme bei hektischen Bewegungen eher schmerzten. So eine Scheiße aber auch. Hätte es geklappt, dann hätte ich jetzt diese Probleme nicht. Hätte ich das überhaupt gewollt? War das wirklich mein Ziel gewesen oder war es einfach nur der Weg des geringsten Widerstands, den ich vor einer Woche gegangen war? Was wäre gewesen, wenn Sarah mir nicht erschien wäre? Wäre ich mit den anderen mitgegangen? Was wäre passiert, wenn sie mich nicht gefunden hätte? Es musste eine Antwort auf die Frage geben warum ich mir den Scheiß hier immer noch antat. Ich war definitiv emotional nicht mehr so sehr am Boden wie letzte Woche, aber warum? Was war anders? Ich trauerte immer noch um meine Eltern, um Chris und um Natalie. Natalie, die Gedanken an sie waren seltener geworden. Warum eigentlich? Hatte mir die böse Natalie, die mich in den Abgrund stürzen wollte von meinen Gedanken an sie kuriert? Nein das konnte nicht der Grund sein. Helen riss mich aus meinen Gedanken.
„Du solltest anfangen zu essen bevor der Auflauf kalt wird.“ ermahnte sie mich. Meine Gedanken ratterten immer noch. Die waren bestimmt auch durch die ständigen Schmerzmittel getrübt wurden und kamen jetzt nach und nach wieder nach oben. Ich wusste nicht ob ich mich darüber freuen sollte. Ewig konnte ich die Schmerzmittel nicht nehmen und da ich mich gegen die Glückseligkeit der Klinik entschieden hatte, war dauerhaft auf irgendwelchem Zeug zu sein auch nicht das was ich wirklich wollte. Aber vielleicht würde mir die Zeit, die mir die Schmerzmittel gaben noch die Möglichkeit bieten die Antwort auf meine Fragen zu finden. Ich nahm einen Löffel von dem Kartoffelauflauf. Er war echt gut, leider auch verdammt heiß. Ich verbrannte mir natürlich erst mal mächtig die Zunge. Ich merkte zudem, dass meine Hände anfingen zu zittern, kein gutes Zeichen. Ich sollte mich mit dem Essen beeilen und dann schleunigst mein Schmerzmittel nehmen, sonst wäre vermutlich kein klarer Gedanke mehr möglich. Ich beeilte mich mit dem Essen. Helen schaute die ganze Zeit einfach nur zu. Zwischendurch stand sie auf und holte ein Glas Wasser und eine Pille und stellte es vor mich auf den Tisch. Ich war mit dem Auflauf durch und schnappte mir die Pille und das Glas. Nachdem ich die Pille genommen hatte, lehnte ich mich einen Moment zurück und hoffte, die Wirkung würde bald einsetzen.
„Jona?“ fragte Helen vorsichtig. Ich öffnete ein Auge und schaute sie an.
„Hmmmm.“ antwortete ich, damit sie wusste, dass ich ihr zuhörte.
„Passiert das mit dem Bett öfters?“ fragte sie besorgt.
„Weiß nicht. Möglich. In letzter Zeit ein paar Mal.“ nuschelte ich unsicher.
„Hey das ist überhaupt nichts schlimmes ok? Das kann jedem passieren. Das kann auch an deinem emotionalen Stress liegen. Dafür brauchst du dich nicht schämen oder sonst irgendwas. Ich kann mir vorstellen, dass dir das mehr als unangenehm ist, aber das muss es nicht sein.“ erklärte mir Helen. Sie wirkte tatsächlich verständnisvoll, sogar irgendwie mehr als Chris. Gut sie war einige Jahre älter als er und hatte sechzehn Jahre Erziehung von Kindern oder besser gesagt einem Kind hinter sich, da konnte Chris, so gut er es auch bewerkstelligt hatte einfach nicht mithalten, ohne seine Leistungen schlecht reden zu wollen.
„Danke.“ murmelte ich leise.
„Am besten gehst du gleich nochmal auf Klo bevor du ins Bett gehst. Wir überlegen uns dafür auch noch eine Lösung, damit du morgen nicht in einem schwimmenden Bett aufwachst. Da fällt uns bestimmt was ein.“ sagte Helen. Ich konnte ihr nur so halb folgen. Ich glaubte die Schmerzmittel begannen zu wirken. Ich merkte auch, dass ich wider schläfrig wurde.
„Ich sollte schlafen…gehen.“ gähnte ich und stand etwas schwerfällig auf und ging vorsichtig nach oben. Ich schlug erst den Weg zum Klo ein. Das schaffte ich zum Glück noch. Es war echt schwer sich auf den Beinen zu halten. Nachdem ich im Bad fertig war, torkelte ich wieder in mein Zimmer. Ich schmiss meine Hose auf den Boden und schaffte es gerade noch mich zuzudecken und meinen Bären in den Arm zu nehmen.
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Ich wurde von lautem Vogelgezwitscher geweckt. Ich suchte benommen nach meinem Handy und schaute auf die Uhrzeit. Es war erst neun. Ich hatte noch keine Lust aufzustehen und drehte mich nochmal um. Irgendwie fühlte sich mein Schritt schon wieder komisch an. Ich tastete mich unter der Decke nach unten und zog dann ruckartig meine Hand wieder zurück. Meine Hose war wieder nass. Toller Tagesbeginn. Schon das zweite Mal an einem Tag, mehr oder weniger. Ich seufzte. Das frustrierte zusätzlich zu allem anderen mit dem ich mich sowieso schon beschäftigen musste. Ich kroch langsam und niedergeschlagen aus dem Bett. Ich schlug die Bettdecke zurück um zu sehen wie viel das Bett abbekommen hatte. War wieder ein schöner runder Fleck geworden, der mich zu verhöhnen schien, je länger ich ihn anschaute. Ich zog meine nasse Hose aus und pfefferte sie frustriert in die nächst beste Ecke. Ich schnappte mir eine neue Unterhose und zog die Jogginghose, die ich gestern Abend total übermüdet auf den Boden geworfen hatte wieder an. Ich hatte keine Lust das Bett neu zu beziehen. Sollte ich schon nach unten und schauen ob jemand wach war? Oder mir notfalls einfach selber einen Kaffee kochen und frühstücken? Warum wollte ich überhaupt frühstücken? War mein Appetit urplötzlich wieder zurück oder waren das die Nebenwirkungen meines Krankenhausaufenthalts und der Schmerzmittel? Ich wusste nicht mal in welchen Abständen ich die Schmerzmittel nehmen sollte, musste oder durfte. Auf leeren Magen waren die bestimmt weniger wirksam, also wäre es schon sinnvoll etwas zu essen. Ich hätte bestimmt noch stundenlang bis zum Mittagessen darüber nachdenken können, entschied mich dann aber für die einfachere Variante und begab mich in die Küche.
Im gesamten Haus war es totenstill. Ziemlich seltsam für einen Samstagmorgen. Gut es war erst kurz nach neun. Vielleicht schliefen Sarah und Helen noch, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass Helen um diese Uhrzeit noch schlief, das passte irgendwie nicht zu dem Bild, das ich von ihr hatte. In der Küche standen ein paar Teller und Tassen auf der Spüle. Die standen gestern Abend noch nicht da. Zumindest wären sie mir nicht aufgefallen, aber in meinem aktuellen Zustand hatte ich sie möglicherweise einfach übersehen. Die Teller und Tassen waren definitiv benutzt und das vor relativ kurzer Zeit. Die Kaffeereste in der Tasse waren noch flüssig. Möglicherweise waren Sarah und Helen nochmal in die Stadt gegangen oder gefahren um irgendetwas zu kaufen oder zu erledigen. Den Einkauf hatte Helen ja gestern erledigt, also wohl irgendwelche Erledigungen, die anstanden. Ich betrachtete weiterhin das Geschirr auf der Spüle. Neben den Tellern und der Tassen stand eine benutzte Babyflasche neben dem übrigen Geschirr. Ich hatte doch gestern bereits in dem Schrank in dem auch der Kaffee gelagert wurde Babyflaschen gesehen. Ich griff nach dem Fläschchen. Das war keine Illusion. Das Teil stand wirklich hier. Ich stellte es zurück und ging an den Schrank mit dem Kaffee, an den musste ich sowieso. Tatsache dort fand ich tatsächlich das Bild, das ich gestern für eine Illusion gehalten hatte. Warum standen in diesem Schrank Babyfläschchen? Warum stand hier eine benutzte Babyflasche herum? Keiner hier benutzte so etwas oder doch? Das ergab keinen Sinn. Warum sollte jemand eine Babyflasche benutzen, wenn er in der Lage war aus einem normalen Glas oder einer Flasche zu trinken? Ich konnte es mir einfach nicht mit sinnvollen Argumenten erklären. Ich schnappte mir den Kaffee und dachte weiter nach was es damit auf sich haben könnte.
Die Kaffeemaschine war einfach zu bedienen gewesen. Glücklicherweise eine von den simplen Modellen, die immer gleich funktionierten. Mit irgendeinem Vollautomaten oder so wäre ich bestimmt überfordert gewesen. Ich trank zwischendurch einen Schluck von meinem Kaffee und dachte über die Fläschchen nach. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Sarah aus einem Fläschchen trank, Helen erst recht nicht. Aber wer hatte das Teil dann benutzt? Ich würde wahrscheinlich nie eine verständliche Antwort darauf finden, wie sollte ich die auch finden? Ich würde einfach nachfragen müssen was es damit auf sich hatte. Es konnte bestimmt irgendeine logische Erklärung geben, die ich einfach nicht sehen wollte oder konnte. Ich versuchte den Gedanken daran für den Moment beiseite zu schieben und genoss einfach meinen Kaffee. Gefrühstückt hatte ich immer noch nicht, das war irgendwie untergegangen. Ich trank den letzten Schluck meiner ersten Tasse Kaffee und suchte mir etwas Aufschnitt aus dem Kühlschrank, einen Teller, ein Messer und Brot zusammen und frühstückte ein bisschen. Zwei Brote waren an sich nicht viel, gut für meine Verhältnisse schon, ich frühstückte selten, eigentlich nie. Als ich fertig war räumte ich die Sachen beiseite. Den Teller und das Messer stellte ich zu dem übrigen Geschirr, dann nahm ich mir eine weitere Tasse Kaffee und setzte mich wieder auf die Bank. Ich trank einige Schlücke und hörte dann wie die Haustüre geöffnet wurde. Wenige Augenblicke standen auch schon Helen und Sarah in der Küche. Sarah war schon wieder farbenfroh gekleidet, dieses Mal war es ein Kleid, das Ähnlichkeiten zu dem von gestern aufwies, aber es war definitiv ein anderes. Sie hatte auch wieder ihre Zöpfe zu gemacht wie gestern und ihre Brille hatte sie auch getauscht. Sie begrüßte mich freudig mit einem lauten „JONA!“ und eilte dann winkend an mir vorbei nach oben. Ich schaute ihr leicht verwirrt hinterher. War sie so wirklich nach draußen gegangen? Also wenn sie jemand den sie kannte so getroffen hätte, dann hätte derjenige vermutlich genauso verwirrt reagiert wie ich. Helen lächelte und nahm sich eine Tasse mit dem restlichen Kaffee aus der Maschine und setzte sich zu mir.
„Morgen und gut geschlafen?“ fragte mich Helen. Ich trank den letzten Schluck aus meiner Tasse und stellte sie vor mich auf den Tisch.
„Ja, habe geschlafen wie ein Stein.“ antwortete ich. Da würde doch jetzt bestimmt noch irgendwas kommen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mich einfach so fragen würde. Sie wollte bestimmt wissen ob wieder etwas mit meinem Bett passiert wäre.
„Das freut mich. Ist nochmal was passiert?“ fragte sie mich weiter aus. Es war so klar, dass das früher oder später kommen musste. Ich seufzte wieder. Ich war mir sicher, dass Helen das gehört haben musste und hoffte, dass sie das entsprechend deuten würde. Sie nickte mir zu. Sie hatte die Botschaft verstanden. Immerhin musste ich so das ganze nicht nochmal aussprechen, das machte es durchaus erträglicher, vor allem da ich nicht wusste ob Sarah nicht jeden Moment wieder in die Küche kommen würde. Ich hörte langsame Schritte die Treppe nach unten kommen, genau das was ich vermutet hatte, Sarah hätte jeden Moment wiederkommen können. Sarah hatte sich anscheinend wieder umgezogen und war wieder wie gewohnt gekleidet. Auch sie hatte eine Jogginghose an und wollte sich gerade neben Helen setzen, aber Helen packte sie am Arm und schaute sie kurz sehr ernst an. Es sah für mich vermutlich grober aus als es wirklich war, aber ich wunderte mich doch ein wenig. Sie sagte nichts, aber Sarah verstand wohl, was sie ihr damit mitteilen wollte. Sie kehrte wieder um und ging nach oben. Die beiden schienen sich auch ohne viele Worte zu verstehen. Das ließ mich vermuten, dass das Verhältnis zwischen den beiden gut sein musste. Ich hätte in dem Moment bestimmt nicht verstanden, dass ich besser nicht hier sein sollte. Zumindest glaubte ich, dass sie ihr das mitteilen wollte. Sarah würde mich bestimmt später fragen was ihre Mutter mit mir zu besprechen gehabt hätte. Ich sollte mir vielleicht schon mal eine Ausrede parat legen um nachher nicht in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten, wobei ich könnte das vielleicht auch nutzen um mehr über diese ominösen Babyfläschchen zu erfahren. Eigentlich keine schlechte Idee. Wobei ich könnte mich natürlich auch gewaltig damit in die Nesseln setzen. Sarah könnte mir auch einen vom Pferd erzählen und wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde, dann wäre das auch mehr als unangenehm.
„Jona?“ sprach Helen mich wieder an.
„Ähm ja…sorry ich war gerade irgendwie woanders.“ entschuldigte ich mich bei ihr. Ich sollte vielleicht ausnahmsweise meine Gedanken mal etwas zügeln, zumindest für den Moment. Ich merkte auch wieder ein leichtes Kribbeln in meinen Armen. Noch waren es keine Schmerzen, aber das würde nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.
„Ist nicht schlimm. Wir haben gestern gar nicht mehr mit einander gesprochen. Ich wollte noch ein paar Regeln klar stellen.“ fing Helen an.
„Ähm klar ich höre zu, hast meine volle Aufmerksamkeit.“ antwortete ich und fragte mich was noch an Regeln kommen würde. Ich hatte ja eigentlich schon einen ganzen Packen im Krankenhaus vorgesetzt bekommen.
„Ist auch gar nicht viel. In der Woche musst du um spätestens neun abends zu Hause sein und ab zehn geht’s ins Bett. Am Wochenende bin ich ein bisschen gnädiger, da darfst auch mal bis Mitternacht gehen. Zudem keinen Alkohol, keine Drogen und keine Zigaretten. Noch Fragen oder mit irgendetwas nicht einverstanden?“ erklärte mir Helen was sie erwartete. War ihre Frage wirklich ernst gemeint. Es wirkte nicht so als ob ich eine andere Wahl hätte als zuzustimmen außerdem störte mich davon relativ wenig, zumindest für den Moment.
„Ne passt.“ antwortete ich und wollte schon aufstehen und nach oben gehen, wurde aber wie Sarah gerade aufgehalten. Nicht so abrupt wie es bei Sarah gewirkt hatte, aber anscheinend waren wir noch nicht fertig mit unserem Gespräch.
Helen war inzwischen nach oben gegangen. Ich saß immer noch auf der Bank und war total in Gedanken vertieft. Die Türe öffnete sich, aber ich realisierte es erst spät. Ich hatte wieder einmal die Augen geschlossen und meinen Kopf nach hinten gelegt und dachte über das zuvor beendete Gespräch nach.
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„Du siehst nicht so gut aus.“ sagte Sarah, die sich gerade auf den Stuhl gegenüber von mir gesetzt hatte und mich damit komplett aus meinen Gedanken riss.
„Ne alles ok, glaube ich.“ sagte ich ihr unsicher. Verdammt jetzt konnte sie sich tatsächlich denken, dass etwas nicht stimmte.
„Ich hoffe Mama war nicht böse oder sowas?“ fragte Sarah.
„Nein wie kommst du drauf? Die ist doch super umgänglich. Du hast echt Glück mit ihr würde ich sagen.“ antwortete ich Sarah. Wie kam sie darauf, dass Helen böse gewesen sein könnte. Schloss sie das aus der mehr oder weniger freundlichen Abfuhr, die sie vorhin kassiert hatte?
„Stimmt sie ist schon klasse, aber du wirkst eher so als ob das Gespräch nicht angenehm gewesen wäre.“ merkte sie an.
„Ähm…ist halt nicht immer alles schön. Ich habe halt nen Haufen Probleme mitgebracht.“ versuchte ich mich irgendwie aus diesem Gespräch herauszuwinden.
„Das wird bestimmt wieder. Du kommst erst mal hier an und den Rest wird schon die Behandlung bei Dr. Berger regeln, vertrau mir.“ sagte sie mit einem freundlichen Lächeln. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihre Laune selten etwas trüben konnte. Ich schaute in ihre Augen. Sie waren ziemlich normal. Irgendwie konnte sie wohl einen Schalter oder etwas in der Art umlegen und ihren emotionalen Zustand ausblenden oder übertünschen. Wie schaffte sie das nur? Sie war immer mehr ein Rätsel für mich und je mehr ich über sie zu glauben schien oder je mehr ich über sie erfuhr, desto rätselhafter wurde sie.
„Ähm…du…ich habe da mal ne Frage.“ stammelte ich vor mich hin. Sollte ich mit der Frage einfach rausrücken oder es etwas sanfter angehen?
„Immer raus damit. Kann mir schon denken was du fragen willst.“ sagte sie mir kichernd.
„Na wenn du meinst. Für was werden denn die Babyfläschchen gebraucht? Hier wohnen doch nur du und deine Mutter oder habt ihr hier irgendwo ein Baby versteckt?“ fragte ich frei heraus und hoffte, dass sie mir die Frage nicht übel nehmen würde.
„Das sind meine.“ antwortete sie so normal wie sie auf die Frage nach Pizza geantwortet hätte. Ich musste mir die Antwort zwei Mal durch den Kopf gehen lassen. Es waren ihre? Es waren tatsächlich ihre? Dieses sechzehnjährige Mädchen, dem ich alles zugetraut hätte, benutzte Babyfläschchen? Warum?
„Deine? Wie? Warum?“ fragte ich verwirrt.
„Nanana. Jetzt darf ich eine Frage stellen, sonst ist das Spiel doof.“ forderte sie. War das für sie nur ein Spiel, dass sie mit mir spielte? Nahm sie das alles gar nicht ernst? Ich betrachtete sie einen Moment. Sie wirkte eher weniger so als ob sie das alles nicht ernst nehmen würde, aber ich konnte sie gerade nicht eindeutig deuten. Ich konnte mir schon denken was sie fragen würde, zumindest glaubte ich das.
„Na gut. Eine Frage.“ sagte ich und hoffte, dass sie nicht die Frage nach dem Gespräch mit Helen stellen würde.
„Jaaa. Aber du musst ehrlich antworten. Ich hab auch ehrlich geantwortet. Also warum bist du so geknickt? Mama hat bestimmt irgendwas unschönes angesprochen oder? Was war es?“ fragte sie neugierig. Warum betonte sie so bewusst, dass sie ehrlich geantwortet hatte? War es eigentlich nicht die Wahrheit? Eigentlich waren das auch drei Fragen wenn man es genau nimmt, aber die drei Fragen liefen auf das gleiche Thema hinaus. Sollte ich ihr wirklich wahrheitsgemäß antworten? Was würde sie von mir denken? Immerhin hatte sie mir tatsächlich meine Frage beantwortet auch wenn ich noch nichts mit der Antwort anfangen konnte außer noch viel mehr zu interpretieren als vorher und auch nicht wusste ob es wirklich die Wahrheit war, wobei ich vorerst davon ausging, dass es die Wahrheit war.
„Ähm…also…du lachst aber nicht versprochen und verrätst das niemandem?“ fragte ich unsicher.
„Mache ich nicht. Versprochen.“ antwortete sie ungeduldig.
„Ich habe anscheinend ein kleines Problem mit meinem Bett. Ich wache die letzten Nächte immer in einem nassen Bett auf.“ gestand ich niedergeschlagen und wartete auf eine Reaktion.
„Ist doch gar nicht schlimm. Mama hat doch bestimmt schon eine Lösung dafür oder? Die hat doch für alles ne Lösung.“ versuchte Sarah mich aufzuheitern. Eigentlich war das eine zusätzliche Frage von ihr, aber ich ließ diese einfach mal durchgehen, weil es eigentlich immer noch die gleiche Frage war beziehungsweise meine Antwort noch gar nicht vollständig war.
„Ja die Lösung ist das Problem. Sie meint es wäre sinnvoll Windeln zu tragen, damit zumindest das Bett trocken bleibt. Wie ein Baby! Das ist deprimierend. Ich habe darauf gar keine Lust.“ antwortete ich und merkte wie ich anfing zu weinen. Sarah lachte tatsächlich nicht, sondern zeigte sich auch ziemlich einfühlsam und setzte sich neben mich. Ich ließ meinen Tränen erst mal freien Lauf, das war mir jetzt auch egal. Sarah zog mich vorsichtig an sich und nahm mich in den Arm. Schon ein bisschen seltsam, dass sie mir nach der kurzen Zeit, die wir uns kannten diese Art von Nähe zukommen ließ. Ich hatte in den letzten Monaten die meisten Menschen, die mir irgendetwas wie Nähe geben wollten eher weggestoßen als diese nette Geste anzunehmen. Ich ging davon aus, dass ich einfach Angst hatte durch zu viel Nähe verletzlich werden zu können. Hier war es irgendwie anders. Ich hatte seltsamerweise weniger Probleme damit mich Sarah gegenüber zu öffnen als anderen Menschen. Ich verstand es einfach nicht. Wen hatte ich sonst so nah an mich herangelassen? Es gab nur eine Person bei der ich das bislang getan hatte, aber das ergab doch keinen Sinn. Ich konnte doch nicht oder etwa doch?
Autor: Timo (eingesandt via E-Mail)
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Deine Pause wird mich definitiv um den Verstand bringen.
Schade, dass du pausierst
Aber, ich weiß, Feiertage und so.
Gute Abend
Gerne möchte ich Dir auf diesem Wege kurz Mitteilen das mich Deine Geschichte sehr gut gefällt. Ich lese sie sehr gerne denn ich finde sie Spannend. Ich hoffe sehr das das Du noch viele Weitere Vortsetzungen Schreibs die eben so Toll sind wie Deine ersten 12 Kapitel.
Besten Dank für die Tolle Geschichte und Bitte las uns nicht zu lange auf Kapitel 13 Warten.
Mit Besten Grüsen Yan
Sarah und Helen sind wirklich nett und rücksichtsvoll. Ich würde mich für Jon freuen, wenn Sie eine neue Familie für Ihn werden könnten. Bin auf den nächsten Teil gespannt.