Florians Schatten (3)
Windelgeschichten.org präsentiert: Florians Schatten (3)
Danke für euer Feedback! Es freut mich sehr, dass euch die Geschichte gefällt, und ich freue mich natürlich auch über weiteres Feedback – sowohl konstruktives als auch positives.
Ein besonderer Dank geht an nice.smile, der den Text noch einmal gelesen hat und mir geholfen hat, einige Details etwas realistischer zu gestalten. Dennoch bleibt es eine Phantasie Geschichte, die keinen Anspruch auf absolute Realität erhebt.
So, und jetzt geht’s weiter!
Der Wecker klingelte wie jeden Morgen gegen halb fünf, und das vertraute Geräusch erfüllte das Schlafzimmer. Doch heute fühlte es sich anders an. Ich hatte kaum geschlafen, meine Gedanken waren die halbe Nacht um den morgigen Besuch von Frau Peters gekreist. Trotzdem war ich jetzt hellwach und voller Tatendrang. Ein neuer Tag, eine neue Möglichkeit – vielleicht sogar der Beginn eines völlig neuen Lebensabschnitts für uns.
Neben mir bewegte sich Markus und griff automatisch nach dem Wecker, um ihn auszuschalten. Auch er schien sofort wach zu sein, obwohl ich wusste, dass auch er nur wenig Schlaf gefunden hatte. Er richtete sich langsam auf, sah mich an und schenkte mir ein kleines, verschlafenes Lächeln. „Bereit für den großen Tag?“ fragte er leise.
Ich nickte, obwohl mir die Nervosität ein wenig auf die Stimme schlug. „Mehr oder weniger“, antwortete ich schmunzelnd. „Ich kann es immer noch nicht so ganz glauben.”
Markus legte seine Hand auf meine Schulter, drückte sie sanft und sagte: „Es wird gut, Annette. Was auch immer Frau Peters uns erzählt, wir machen das zusammen.“ Diese Worte gaben mir den letzten Funken Ruhe, den ich brauchte.
Während wir aufstanden und uns für den Tag vorbereiteten, spürte ich eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude in der Luft. Es war, als würde unser Leben einen kleinen Moment lang den Atem anhalten, bevor es sich vielleicht für immer verändern würde.
Schnell huschte ich ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir. Das kühle Wasser, das ich mir ins Gesicht spritzte, half mir, die Müdigkeit endgültig abzuschütteln und die Aufregung etwas zu beruhigen. Ich sah in den Spiegel und musste leicht lächeln – meine eigenen Augen sahen wach und erwartungsvoll zurück. Heute fühlte sich jeder Handgriff besonders an.
Während ich mich beeilte, hörte ich aus der Küche leise Geräusche – Markus war bereits dabei, das Frühstück vorzubereiten. Der Duft von frischem Kaffee und das klappern von Geschirr drangen durch den Flur bis ins Badezimmer. Der Gedanke an ein gemeinsames Frühstück, gerade heute Morgen, gab mir ein warmes Gefühl der Sicherheit. Es war gut zu wissen, dass Markus und ich diesen aufregenden Tag gemeinsam angehen würden.
Kaum war ich fertig, trocknete ich mir die Haare und machte Platz für Markus. Wir tauschten einen kurzen Blick und ein aufmunterndes Lächeln, als wir aneinander vorbeigingen.
„Ich hab’ schon mal den Kaffee aufgesetzt“, sagte er leise, als wäre das Ritual heute irgendwie heiliger. „Und ein paar Brötchen sind auch im Ofen.“
„Perfekt“, antwortete ich mit einem Nicken und ging in die Küche, während Markus das Badezimmer übernahm.
Ich stellte die Tassen auf den Tisch und Entnahm die Brötchen vorsichtig aus dem Ofen. In diesem stillen Moment spürte ich die Ruhe vor dem großen Tag und atmete tief durch.
Das Frühstück war gut, und wir saßen uns still gegenüber, jeder von uns tief in Gedanken. Normalerweise vergeht die Zeit morgens wie im Flug – wir werfen einen Blick auf die Uhr, blinzeln einmal, und schon sind dreißig Minuten verstrichen. Doch heute war es anders. Die Zeit zog sich in die Länge, fast so, als wäre jede Minute doppelt so lang. Der Sekundenzeiger schien langsamer zu ticken, und das ganze Haus war in eine seltsame Stille gehüllt.
Ich strich Butter auf mein Brötchen und bemerkte, wie meine Hände leicht zitterten. Markus lächelte mir zu, als würde er spüren, dass ich nervös war, und seine Hand ruhte beruhigend auf meiner. „Wir haben Zeit, Annette“, sagte er sanft, als hätte er die Frage in meinen Gedanken gehört.
Der Kaffee war heute besonders gut – warm und beruhigend. Doch selbst das vertraute Ritual des gemeinsamen Frühstücks konnte meine Gedanken nicht völlig zur Ruhe bringen. Zwischen den leisen Geräuschen des Kaffee rührens und dem leisen Knirschen des Brotes spürte ich die Spannung, die im Raum lag. Immer wieder wanderte mein Blick zur Uhr, doch die Zeiger bewegten sich kaum.
„Es fühlt sich an, als würde die Zeit heute stehen bleiben“, murmelte ich, halb zu mir selbst. Markus nickte zustimmend und schenkte mir ein kleines, verstehendes Lächeln.
„Vielleicht ist das das Universum, das uns eine extra Minute Ruhe gönnt“, scherzte er leicht, um die Anspannung ein wenig zu lösen. Seine Augen funkelten, und ich konnte das Lächeln nicht unterdrücken, das sich auf meine Lippen schlich.
Doch im nächsten Moment war ich wieder in Gedanken versunken, und die Stille kehrte zurück. Der Gedanke, dass in nur einer Stunde alles anders sein könnte, hing wie ein sanfter Nebel über dem Frühstückstisch.
Nachdem Markus und ich gemeinsam den Tisch abgeräumt hatten, verschwand er kurz ins Arbeitszimmer, um noch eine Rechnung für einen Kunden zu erstellen. Ich nutzte die Zeit, um eine Ladung Wäsche aufzuhängen, die ich für heute Morgen programmiert hatte, bevor ich wusste, dass wir heute Besuch von Frau Peters bekommen würden. Der Trockner stand zwar bereit, aber wir versuchten immer, die Wäsche an der frischen Luft zu trocknen, wenn es das Wetter erlaubte – die frische Luft machte die Kleidung immer besonders angenehm
Draußen war es noch dämmrig, und die Kälte des frühen Morgens kroch mir leicht in die Finger, während ich die Wäsche an die Leine hängte. In der Stille des Hofes konnte ich die entfernten Geräusche der erwachenden Natur hören, das leise Zwitschern eines Vogels und das Rascheln der Blätter im leichten Wind. Es hatte etwas Beruhigendes, hier draußen zu stehen, und ich atmete tief die kühle Luft ein.
Gerade als ich das letzte Kleidungsstück auf hing, bemerkte ich ein Fahrzeug, das von der Straße auf unseren Hof einbog. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass Frau Peters fünfzehn Minuten zu früh war. Mein Herzschlag beschleunigte sich leicht, als ich sie hinter dem Steuer erkannte. Sie parkte und stieg aus, ihre Bewegungen ruhig und bestimmt. Ein leichtes Lächeln spielte auf ihren Lippen, als sie mich sah.
„Hallo, Frau Wagner“, grüßte sie freundlich und trat näher. „Ich musste feststellen, dass um diese Uhrzeit hier deutlich weniger Verkehr ist als erwartet.“
Ich lächelte zurück, noch leicht außer Atem von der Wäsche. „Ja, stadt auswärts kommt man um diese Zeit gut durch“, antwortete ich. „Nur wenn man in die Stadt hinein will, braucht man eine Menge Geduld.“
Wir lachten kurz, und die kleine Plauderei lockerte meine Nervosität etwas. Dann führte ich sie ins Haus und rief nach Markus, der kurz darauf aus dem Arbeitszimmer kam. Gemeinsam setzten wir uns ins Wohnzimmer, wo das Gespräch begann, das vielleicht der Anfang von etwas ganz Besonderem sein würde.
Ich blickte kurz zu Markus und fragte leise: „Würdest du vielleicht noch einen Kaffee für Frau Peters holen?“ Mein Mann, der in Gedanken versunken wirkte, schrak leicht auf und nickte. Trotz seiner üblichen Gelassenheit war ihm die Nervosität anzumerken. „Ja, natürlich, daran habe ich gar nicht gedacht.“ Er verschwand in die Küche und kam kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem er alles vorbereitet hatte, was man für einen guten Kaffee brauchte – Tassen, Zucker, Milch und einen frisch gebrühten Kaffee.
Frau Peters nahm das Angebot dankend an und richtete dann ihre Aufmerksamkeit auf uns. Ihr Blick war freundlich, aber ernst, als sie mit ruhiger Stimme begann: „Ich hoffe, sie haben trotz der Aufregung etwas schlafen können.“
Ich lächelte unsicher und antwortete: „Ein wenig haben wir geschlafen, aber die Spannung lässt einen doch nicht richtig zur Ruhe kommen. Wir sind sehr gespannt auf das, was Sie uns erzählen möchten.“
Frau Peters erwiderte das Lächeln und begann zu sprechen. „Eigentlich hatte ich ursprünglich ein anderes Kind für sie im Blick, das ich möglicherweise bei ihnen unterbringen wollte“, erklärte sie. „Aber gestern gab es einen Notfall, und wir mussten einen siebenjährigen Jungen aus seiner Familie nehmen.“
Markus und ich sahen uns kurz an, die Schwere der Situation wurde uns augenblicklich bewusst. Frau Peters fuhr fort: „Der Junge wurde in vielerlei Hinsicht stark vernachlässigt, sowohl körperlich als auch emotional, soweit wir das momentan einschätzen können. Er hat auch Gewalt erfahren.“
Für einen Moment hielt sie inne, und ich spürte, wie sich mein Herz zusammenzog bei dem Gedanken, dass ein so junges Kind solche Dinge erleben musste. Sie nahm einen Schluck Kaffee, bevor sie weiter sprach.
„Gestern Abend habe ich noch mit unserem Amtsarzt gesprochen, der eine erste Einschätzung seiner gesundheitlichen Lage vorgenommen hat. Solltet sie sich dafür entscheiden, ihm ein Zuhause zu geben, müssten sie sich darauf einstellen, dass er regelmäßig zur Physiotherapie und zu einem Psychologen gehen muss. Auch stehen noch einige Arztbesuche an, da seine Gesundheit in der Vergangenheit stark vernachlässigt wurde.“
Ihre Worte klangen ruhig, aber ich konnte die Ernsthaftigkeit in ihnen spüren. Markus und ich nickten schweigend, während wir die Informationen verarbeiteten. Frau Peters legte die Unterlagen, die sie mitgebracht hatte, auf den Tisch und fuhr fort: „Er ist für sein Alter relativ klein und stark untergewichtig. Wir werden medizinische Unterstützung brauchen, um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden wiederherzustellen.“
Die Verantwortung, die vor uns lag, wurde mir jetzt deutlich bewusst. Aber ebenso spürte ich, dass ich diesen kleinen Jungen mit aller Kraft unterstützen wollte. Ich sah zu Markus, und seine ruhige Entschlossenheit zeigte mir, dass er genauso fühlte.
„Wie würde es jetzt weitergehen, wenn wir uns dafür entscheiden?“ fragte ich, neugierig und gleichzeitig aufgeregt.
Frau Peters legte ihre Hände sanft aufeinander und erwiderte ruhig: „Dann würden wir heute Nachmittag ein erstes Treffen arrangieren. Der Junge ist derzeit bei einer Bereitschafts Pflegemutter untergebracht, die bereits viele Jahre Erfahrung in diesem Bereich hat. Sie wird Ihnen auch in Zukunft als Unterstützung zur Seite stehen, wenn Sie das möchten.“
Ich nickte und ließ ihre Worte kurz sacken, während mein Blick zu Markus wanderte, der aufmerksam zuhörte. Frau Peters fuhr fort: „Sollte das Treffen gut verlaufen und die Chemie zwischen ihnen und dem Kind stimmen, würde ich alle nötigen Schritte einleiten, damit er in ein langfristiges Pflegeverhältnis zu ihnen kommen kann.“
Ich zögerte einen Moment und fragte dann: „Was ist mit seinen Eltern?“
Frau Peters’ Ausdruck wurde ernst, und sie legte die Tasse, die sie gerade noch in der Hand hielt, vorsichtig ab. „Gestern Nachmittag konnten wir die Eltern nicht antreffen und haben eine Benachrichtigung hinterlassen. Wir werden so bald wie möglich das Gespräch mit ihnen suchen. Aber ich muss ihnen ehrlich sagen, bei dem gesundheitlichen Zustand des Jungen und der Tatsache, dass wir hier von Gewalt sprechen – und damit meine ich nicht einen leichten Klaps, sondern Formen der Misshandlung – ist eine Rückführung in absehbarer Zeit sehr unwahrscheinlich.“
Ihre Worte klangen ruhig, aber der ernste Unterton war deutlich. Mein Herz wurde schwer bei der Vorstellung, was dieser Junge durchgemacht haben musste. Frau Peters hielt einen Moment inne und fuhr dann fort: „Bevor eine Rückführung überhaupt in Betracht gezogen werden könnte, müssten wir sicherstellen, dass keinerlei Gefahr für das Kind mehr besteht. Das bedeutet, dass das Kindeswohl in jedem Aspekt garantiert sein muss.“
Ich sah zu Markus, der ebenfalls mitfühlend nickte. Frau Peters bemerkte unseren besorgten Blick und fügte hinzu: „Eines muss ich noch erwähnen – es ist durchaus möglich, dass wir den weiteren Kontakt zu den Eltern aufrechterhalten müssen. Das ist oft der schwierigste Teil für Pflegeeltern, aber es kann wichtig für das Kind sein, auch wenn es emotional herausfordernd ist.“
Markus und ich sahen uns an und spürten beide die Schwere dieser Aufgabe. Dennoch war da auch das Wissen, dass wir bereit waren, diesen Schritt zu gehen und einem Kind, das so viel durchgemacht hatte, ein stabiles, liebevolles Zuhause zu bieten.
Frau Peters fuhr fort: „Der Junge besucht momentan die zweite Klasse in einer Grundschule in Hof. Er hat den Wunsch geäußert, diese Schule weiter zu besuchen, was angesichts der Umstände ein verständlicher Wunsch nach etwas Vertrautem ist.“
Ich sah zu Markus, der ebenso aufmerksam lauschte, und konnte spüren, dass er ebenso wie ich überlegte, was das im Alltag für uns bedeuten würde.
„Das hieße,“ erklärte Frau Peters weiter, „dass Sie ihn unter der Woche täglich dorthin bringen und wieder abholen müssten. Die Fahrtzeit beträgt etwa 20 Minuten pro Strecke, was also hin und zurück etwa 40 Minuten wären.“
Markus nickte nachdenklich. „Das wäre machbar. Es würde unsere Tages planung etwas anpassen, aber wenn das für ihn so wichtig ist, denke ich, dass wir das gut organisieren können.“
Frau Peters lächelte. „Das freut mich zu hören. In so einer Übergangszeit ist es oft hilfreich, wenn Kinder wenigstens eine Konstante beibehalten können, sei es die Schule, ein Bezugsperson oder ein Freund.“
Ich konnte mir gut vorstellen, wie wichtig das für ihn war – die Schule als ein kleines Stück Normalität, ein Ort, den er bereits kannte und an dem er vielleicht sogar Freunde hatte. Die Vorstellung, dass wir ihm das ermöglichen könnten, ließ ein kleines Gefühl von Zuversicht in mir wachsen.
„Ich würde jetzt kurz nach draußen gehen und ein paar Telefonate führen, damit Sie beide das in Ruhe besprechen können“, sagte Frau Peters freundlich, während sie sich erhob und uns ein verständnisvolles Lächeln schenkte.
Markus und ich nickten dankbar, und ich begleitete sie kurz zur Tür. Draußen konnte ich sehen, wie sie ein paar Schritte über den Hof ging und ihr Handy heraus nahm.
Nachdem ich die Tür hinter ihr schloss, ließ ich mich zurück in einen Sessel sinken und schaute zu Markus, der mir einen nachdenklichen Blick zu warf. Wir saßen einen Moment still da, und ich atmete tief durch, um die vielen Informationen, die Frau Peters uns gegeben hatte, zu sortieren.
„Also“, begann ich leise, „20 Minuten Fahrt für die Schule… das sind zweimal 40 Minuten am tag, aber ich denke, wenn es ihm hilft, wäre das gut für ihn. Und mit Sebastian, haben wir es ja nicht anders gemacht, bevor er seinen Führerschein hatte“
Markus nickte. „Ja, ich sehe das genauso. Vor allem, wenn er dort bereits Freunde oder Bezugspersonen hat – das könnte ihm in dieser schwierigen Situation etwas Stabilität geben.“
Wir sprachen leise weiter über die Möglichkeiten und Herausforderungen, die auf uns zukommen würden. Mit jedem Wort wurde mir klarer, dass wir das schaffen könnten – für uns, und vor allem für dieses Kind, das eine Chance auf ein sicheres Zuhause verdiente.
Nach etwa zehn Minuten klopfte es an der Tür, und Frau Peters steckte den Kopf vorsichtig herein. „Brauchen Sie noch etwas Bedenkzeit?“ fragte sie freundlich.
Ich lächelte und winkte sie zurück ins Wohnzimmer. „Nein, wir haben uns entschieden. Wir möchten den Jungen gerne kennenlernen.“
Ein warmes Lächeln huschte über Frau Peters‘ Gesicht. „Das freut mich sehr“, sagte sie. „Ich werde gleich mit der Bereitschafts Pflegefamilie sprechen und einen Termin für heute Nachmittag arrangieren. Sobald alles feststeht, rufe ich Sie an und gebe Ihnen die genaue Uhrzeit und die Anschrift durch.“
Markus und ich nickten, und die Aufregung mischte sich mit einer leisen Vorfreude. Die Vorstellung, diesen Jungen bald zu treffen und ihm möglicherweise ein neues Zuhause zu geben, erfüllte uns beide mit einem tiefen Gefühl von Verantwortung und Hoffnung.
Mit einem letzten freundlichen Lächeln verabschiedete sich Frau Peters und ließ uns allein. Kaum war die Tür hinter ihr geschlossen, fühlte ich, wie die Spannung im Raum förmlich anstieg. Die Entscheidung war getroffen, und das Gewicht dessen, was vor uns lag, begann sich nun richtig zu entfalten.
Ich atmete tief ein und sah zu Markus, der mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck da saß. Seine Hände ruhten still auf dem Tisch, und ich wusste, dass auch er die Schwere und Bedeutung dieses Moments spürte.
„Es wird real, oder?“ sagte ich leise, fast mehr zu mir selbst als zu ihm.
Markus nickte und legte eine Hand auf meine Schulter. „Ja. Aber wir schaffen das – gemeinsam.“
Die Stille, die uns umgab, war gefüllt mit Erwartungen, Gedanken und einer aufgeregten Vorfreude. Die Stunden bis zum Nachmittag schienen jetzt endlos und doch so kostbar, eine letzte Gelegenheit, uns innerlich auf das vor zu bereiten, was kommen mochte. Bald würden wir den Jungen kennenlernen, und vielleicht – nur vielleicht – würde dieser Tag der Beginn einer neuen, liebevollen Verbindung werden.
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Diana weckte mich sanft, und ich blinzelte in das helle Tageslicht, das durch das Fenster fiel. Noch halb verschlafen spürte ich sofort die vertraute, unangenehme Feuchtigkeit unter meiner Decke. Ein schwerer Kloß bildete sich in meinem Magen, und mein Gesicht begann vor Scham zu glühen. Mit gesenktem Blick und Tränen, die mir in die Augen stiegen, zog ich die Bettdecke zur Seite und murmelte leise: „Es tut mir leid… es ist schon wieder passiert.“
Diana hockte sich vor mich, und ihr Gesichtsausdruck war voller Mitgefühl. Sie legte eine Hand beruhigend auf meine Schulter und sagte sanft: „Das ist überhaupt nicht schlimm, Florian, okay? Dafür haben wir eine Waschmaschine.“
Ihre ruhigen Worte überraschten mich und ließen die Scham ein wenig nachlassen, auch wenn ich noch immer verlegen war. Diana hielt kurz inne, bevor sie vorsichtig fragte: „Ist dir das Zuhause auch oft passiert?“
Es war mir unglaublich peinlich, doch ich wollte sie nicht anlügen. Zögernd nickte ich. Diana schaute mich verständnisvoll an und stellte ihre nächste Frage behutsam: „Hast du Zuhause einen Schutz für die Nacht gehabt?“
Ich blickte verwirrt zu ihr, unsicher, was sie genau meinte.
„Ich meine so etwas wie eine Schutzhose oder eine Windel“, erklärte sie sanft.
Ich schüttelte den Kopf. So etwas hatte es bei uns nicht gegeben. „Nein…“, murmelte ich leise, während mir die Gedanken an Zuhause durch den Kopf schossen.
Diana fragte vorsichtig weiter: „War das, weil du es nicht wolltest?“
Wieder schüttelte ich den Kopf, und Diana nickte verständnisvoll. „Okay“, sagte sie leise. „Weißt du, es gibt auch Pyjama-Höschen, die dabei helfen, dass das Bett nicht gleich ganz nass wird, falls mal ein kleines Missgeschick passiert. So könntest du nachts besser schlafen und dir weniger Sorgen machen. Du kannst selbst entscheiden, ob du sie anziehen möchtest oder nicht. Das Bett ist ohnehin gut geschützt.“
Ich wusste sofort, was sie meinte – solche Windelhöschen wie die, die Paul manchmal trägt. Der Gedanke war merkwürdig, doch gleichzeitig ergab es Sinn. Paul trug sie sogar tagsüber in der Schule, und wenn er das konnte, dann würde ich das bestimmt nachts hinbekommen. Langsam nickte ich, immer noch etwas unsicher, aber offen für Dianas Vorschlag.
Diana lächelte warm. „Das ist eine sehr vernünftige Entscheidung von dir, Florian“, sagte sie freundlich. „Es ist nur eine Hilfe für die Nacht, damit du dich nicht jedes Mal schlecht fühlen musst, okay?“
Ihr Verständnis und ihre Ruhe gaben mir ein Gefühl der Sicherheit.
Diana begleitete mich ins Badezimmer und legte einen kleinen Stapel frischer Kleidung auf den Hocker neben der Dusche. Die Kleidung roch frisch und sauber, und ich spürte, wie sich die Last der Nacht langsam von mir löste.
„Dusch dich kurz nochmal ab und zieh dich dann in Ruhe an“, sagte sie sanft und lächelte aufmunternd. „Komm einfach in die Küche, wenn du soweit bist, dann kannst du erstmal etwas frühstücken.“
Ich nickte und sah ihr hinterher, als sie leise die Tür schloss und mir einen Moment der Ruhe gönnte. Das warme Wasser half mir, meine Anspannung zu lösen. Mit neuer Energie und einem Gefühl der Hoffnung, das es die nächsten Nächte besser werden, zog ich die frische Kleidung an und machte mich langsam auf den Weg in die Küche, wo der Duft von Frühstück mich erwartete.
„Als ich die Küche betrat, ob er mit mir auf Augenhöhe war. Das machte ihn gleich ein bisschen weniger einschüchternd, aber ich musterte ihn trotzdem vorsichtig. Er wirkte freundlich, doch seine Größe machte mich trotzdem nervös – er war mindestens einen Kopf größer als Diana, und sie war schon größer als meine Eltern. Plötzlich fühlte ich mich sehr klein in diesem Raum, in dem alles so ordentlich und ruhig war.
Diana saß am Tisch und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln. „Setz dich ruhig zu uns, Florian“, sagte sie und deutete auf einen Platz neben sich. Obwohl ich spürte, dass sie es nett meinte, zögerte ich. Der Gedanke, mich einfach hinzusetzen, fühlte sich seltsam an – fast, als würde ich in eine fremde Familie platzen, in der ich noch keinen festen Platz hatte.“
Langsam und unsicher ging ich zum Tisch und ließ mich vorsichtig auf den Stuhl sinken. Manfred setzte sich auf die andere Seite des Tisches und schenkte mir ein freundliches, geduldiges Lächeln, doch mein Herz klopfte schneller, und ich wagte kaum, ihm in die Augen zu schauen.
„Es freut mich, dich kennenzulernen“, sagte er, seine tiefe Stimme klang warm und beruhigend, aber meine Nervosität wollte einfach nicht verschwinden.
Ich nickte nur kurz und senkte den Blick auf die Tischplatte. Die Stille war schwer, und ein Gefühl der Unruhe stieg in mir auf, fast so, als müsste ich gleich wieder aufstehen und den Raum verlassen.
Diana beugte sich leicht zu mir und fragte sanft: „Möchtest du vielleicht einen Saft oder lieber eine warme Milch zum Essen?“
Ich zögerte. Zu Hause hatte ich morgens meistens nur ein halbes Glas Wasser getrunken, und beides – Saft oder Milch – klang ungewöhnlich für mich. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für den Saft, auch wenn ich nicht sicher war, ob es mir schmecken würde.
Mit einem Lächeln stellte Diana mir das Glas Saft hin und schob mir ein Brötchen zu. „Nimm dir ruhig, was du möchtest, Florian. Du bist hier willkommen.“
Ihre Worte klangen freundlich, und doch blieb das leise Gefühl, dass ich hier nicht ganz hingehörte, in mir bestehen.
Als ich schweigend dasaß, bemerkte Diana meine Unsicherheit und versuchte, mir das Frühstück etwas angenehmer zu machen. Sie lehnte sich leicht vor und fragte sanft: „Gibt es etwas, das du lieber frühstücken möchtest? Vielleicht etwas, das du auch zu Hause immer gegessen hast?“
Ihre Frage ließ mich für einen Moment innehalten, und ich spürte, wie sich die Erinnerung in meinem Kopf formte, eine Erinnerung, die ich sonst nie wirklich aussprach. Zögernd hob ich den Blick und sagte leise: „Zu Hause… da gab es normalerweise kein richtiges Frühstück.“
Ich senkte den Kopf, spürte, wie die Worte etwas in mir wachriefen und die Bilder aus meiner Erinnerung zurückkamen. An Wochentagen gab es selten eine Mahlzeit, bevor ich zur Schule ging. Eigentlich gab es unter der Woche meist nur das Mittagessen in der Schule, auf das ich mich verlassen konnte. An den Wochenenden sah es oft nicht besser aus, doch manchmal gab es da eine kleine Ausnahme.
Am Anfang des Monats, wenn noch etwas Geld da war, brachte meine Mutter manchmal eine Tiefkühlpizza oder ein Fertiggericht mit, das ich dann tatsächlich ganz für mich alleine bekam. Die kleinen Momente, in denen ich so etwas Warmes und „Richtiges“ essen konnte, waren selten, aber ich freute mich jedes Mal darauf. Doch je weiter der Monat voran schritt, desto weniger wurde es. Gegen Ende gab es dann meist nur Toastbrot, vielleicht mit ein wenig Belag, falls noch etwas im Kühlschrank war.
Diana schwieg, aber ihr Blick blieb freundlich und voller Mitgefühl, als würde sie ganz genau verstehen, was diese Worte für mich bedeuteten. Sie sagte nichts, doch ihre Augen und ihr sanftes Lächeln gaben mir das Gefühl, dass ich hier vielleicht wirklich willkommen war, selbst mit all den Erinnerungen, die mich begleiteten.
Vorsichtig nahm ich das Brötchen, das Diana mir gereicht hatte, in die Hand und biss einfach hinein, ohne lange zu überlegen. Der weiche Teig schmeckte angenehm, doch plötzlich hörte ich Dianas Stimme: „Du solltest das Brötchen vielleicht nicht einfach so essen.“ Vor Schreck duckte ich mich leicht weg, die Angst im Nacken, etwas falsch gemacht zu haben und womöglich bestraft zu werden.
Diana bemerkte meine Reaktion und schenkte mir ein warmes, beruhigendes Lächeln. „Es ist alles gut, Florian. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Ihre Stimme war sanft und freundlich. „Ich dachte nur, ich könnte dir das Brötchen aufschneiden und fragen, ob du vielleicht etwas darauf haben möchtest. Schau mal, wir haben Marmelade, Wurst, Käse und sogar ein bisschen Schokolade.“
Langsam entspannte ich mich wieder, als mir klar wurde, dass Diana nur helfen wollte und nicht verärgert war. Mein Blick wanderte über den Tisch und die vielen Beläge. Es war viel mehr, als ich gewohnt war, und plötzlich fühlte ich mich unsicher, weil ich nicht wusste, was ich wählen sollte.
„Ich… ich weiß nicht“, murmelte ich leise und sah verlegen auf meine Hände.
Diana nickte verständnisvoll. „Gibt es denn etwas, das du davon nicht gerne isst?“ fragte sie sanft.
Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich klang alles gut, aber die Entscheidung fiel mir schwer. Diana schien das zu bemerken und lächelte freundlich. „Okay, wie wäre es, wenn ich dir eine Hälfte mit Marmelade und die andere mit Käse mache?“
Ich zuckte unsicher mit den Schultern und war zu verlegen, um etwas zu sagen, doch Diana nahm es als stilles Einverständnis. Sie schnitt das Brötchen behutsam auf, bestrich eine Hälfte mit fruchtiger Marmelade und legte auf die andere eine dünne Scheibe Käse. Als sie mir das fertige Brötchen zurückreichte, war ihre freundliche, geduldige Art wie eine warme Decke, die etwas von meiner Unsicherheit wegzunehmen schien.
Vorher hatte ich bereits das ganze Glas Saft getrunken – eigentlich viel mehr, als ich wollte. Mama hatte immer gesagt, ich solle nicht so viel trinken, aber der Saft schmeckte einfach zu gut, um aufzuhören. Jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen und dachte, wiel ich wusste das ich etwas falsch gemacht habe.
Beim Essen schwieg ich und konzentrierte mich darauf, mein Brötchen zu essen. Die Marmelade war süß und fruchtig, der Käse mild und cremig. Trotzdem konnte ich das Essen nicht richtig genießen. Jeder Biss fühlte sich laut und ungeschickt an, und ich hatte das Gefühl, dass jede Kleinigkeit auffallen würde, auch wenn Diana und Manfred nichts zu bemerken schienen.
Sie ließen sich davon nicht stören und schienen nichts gegen mein Schweigen zu haben. Trotzdem spürte ich ihre Blicke, als ich starr auf meinen Teller schaute und das Brötchen fest in den Händen hielt. Unsicherheit nagte an mir. Was, wenn ich etwas falsch machte? Was, wenn sie mich heimlich beobachteten und mich doch irgendwie beurteilten?
Das leise Klappern von Besteck und Tassen erfüllte den Raum. Manfred blätterte in einer Zeitung, die Seiten raschelten leise. Diana trank einen Schluck aus ihrer Tasse und stellte sie sanft wieder ab. Die Geräusche waren vertraut und doch fühlte ich mich fehl am Platz, als würde ich nicht hierher gehören.
Ich wagte es nicht, auf zu sehen. Die Angst, ihren Blicken zu begegnen, hielt meinen Kopf gesenkt. Vielleicht warteten sie darauf, dass ich etwas sagte. Aber was sollte ich sagen? Die Worte blieben mir im Hals stecken, und meine Kehle fühlte sich trocken an.
„Wenn du noch etwas möchtest, sag einfach Bescheid“, hörte ich Diana schließlich sagen. Ihre Stimme war sanft und ohne Druck, doch ich zuckte leicht zusammen. „Danke“, murmelte ich kaum hörbar, ohne den Blick zu heben.
Die Minuten zogen sich in die Länge. Jeder Moment fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ich spürte eine Mischung aus Erleichterung und Anspannung, als Manfred seinen Stuhl zurückschob und aufstand. „Ich gehe kurz nach draußen“, sagte er und legte seine Zeitung beiseite.
Diana zeigte mir den Geschirrspüler und erklärte, wie er funktionierte. In Gedanken stellte ich fest, wie praktisch dieses Gerät war – etwas, das ich bisher nicht kannte. Sie zeigte mir, wo ich nach dem Essen mein Geschirr einräumen konnte und ließ mich es selbst machen. Es fühlte sich gut an, das Geschirr dort ordentlich zu platzieren, als ob es einen bestimmten Platz für alles gab. Besonders spannend fand ich die kleine Schublade oben, wo ich Messer und Löffel nebeneinander legen konnte. Alles sah so ordentlich und akkurat aus, wenn jedes Besteck Stück in Reihe und Glied lag – als würde ich ein kleines Puzzle zusammenfügen, bei dem jedes Teil genau seinen Platz hatte.
Diana nickte mir aufmunternd zu und lächelte.
Danach begann sie, das restliche Geschirr einzuräumen. „Hat es dir geschmeckt?“, fragte sie vorsichtig.
Ich nickte leicht und antwortete leise: „Ja.“
„Das freut mich, wenn du möchtest, können wir später zusammen etwas backen. Oder wir finden etwas anderes, das dir Spaß macht.“
Ihre Worte klangen warm und einladend, und für einen Moment dachte ich, dass es vielleicht schön sein könnte, etwas mit ihr zusammen zu machen.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Die Vorstellung, etwas gemeinsam zu tun, war sowohl verlockend als auch beängstigend. „Vielleicht“, flüsterte ich.
Diana schien meine Zurückhaltung zu bemerken. „Keine Sorge, du musst nicht sofort entscheiden“, sagte sie freundlich. „Fühl dich einfach wie zu Hause.“
Wie zu Hause. Die Worte klangen seltsam in meinen Ohren. Was bedeutete das überhaupt? Ich kannte dieses Gefühl nicht wirklich. Die vertraute Unruhe kehrte zurück, und ich fragte mich, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich hier sitzen bleiben? Sollte ich aufstehen und gehen?
„Wenn du möchtest, kannst du auch in den Garten gehen“, schlug Diana vor. „Es ist schön draußen, und wir haben ein paar Spiele und Bücher im Wohnzimmer, falls du schauen magst.“
Ich nickte erneut, ohne wirklich zu wissen, was ich tun würde. Die Optionen schienen überwältigend, und die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, hielt mich fest auf meinem Stuhl.
Diana lächelte mich ermutigend an. „Ich bin gleich wieder da. Wenn du etwas brauchst, ruf einfach nach mir.“
Als sie den Raum verließ, blieb ich allein in der stillen Küche zurück. Die Geräusche waren verklungen, und nur das leise Ticken einer Uhr war zu hören. Ich atmete tief durch und versuchte, die Anspannung abzuschütteln. Doch die Unsicherheit blieb, und ich fühlte mich kleiner denn je in diesem großen Haus.
Ich beschloss, einfach in das Zimmer zurückzugehen, in dem ich geschlafen hatte, in der stillen Hoffnung, dort keine Fragen beantworten zu müssen und nichts falsch machen zu können. Langsam schloss ich die Tür hinter mir und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Doch als ich das Bett sah, verspürte ich einen Stich der Scham, der mir sofort ins Gesicht stieg.
Das Bett war abgezogen, die Decke und das Kissen waren weg, und die Matratze lag nackt auf dem Lattenrost. Statt des weichen Bettzeugs sah ich nur den blauen, gummiartigen Bezug, der mich daran erinnerte, was in der Nacht passiert war. Der Bezug hatte schlimmeres verhindert, aber jetzt wirkte das Bett kahl und fremd – wie eine stumme Erinnerung daran, dass ich hier irgendwie nicht rein passte.
Ein Teil von mir wollte sich einfach auf die Matratze setzen und warten, bis mich jemand holen würde. Vielleicht wäre es besser, einfach in diesem Zimmer zu bleiben, wo ich nichts falsch machen konnte. Aber der leere Anblick des Bettes ließ mich unsicher werden, und die Wellen der Scham und Unsicherheit breiteten sich in mir aus.
Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen und bemerkte ein kleines Regal an der Wand, auf dem einige Spielzeug Autos standen. Ich überlegte kurz, ob ich wohl mit ihnen spielen durfte. Es war ja nicht mein Spielzeug, und ich wollte nicht einfach etwas anfassen, das mir nicht gehörte. Trotzdem war ich versucht, eines der Autos aus dem Regal zu nehmen. Es war irgendwie seltsam, ein Zimmer mit so vielen Spielsachen zu sehen.
In Gedanken ging ich durch, was ich zu Hause hatte – was eigentlich nicht viel war. Ich besaß genau vier Autos, und ein Kinderbuch, das mir meine Tante zur Schuleinführung geschenkt hatte. Sie hatte damals gesagt, dass ich es lesen lernen und dann mit Mama und Papa zusammen lesen könnte. Aber das war nie passiert. Meine Eltern hatten nie Zeit. Entweder saßen sie vor dem Fernseher, stritten sich oder waren einfach nicht da. Und sie bei irgendetwas zu stören, war keine gute Idee.
Außer dem Buch und den Autos hatte ich noch ein Lego-Rennauto, das ich auch zur Einschulung bekommen hatte. Leider fehlte ihm inzwischen ein Rad, und ich konnte es nicht mehr wirklich zusammenbauen. In meinem Zimmer zu Hause gab es auch noch ein paar Babysachen, aber damit konnte ich nichts anfangen. Hier im Regal standen Autos in allen Farben und Größen – so, als ob sie auf jemanden warteten, der mit ihnen spielen wollte.
Trotzdem blieb ich unsicher in der Mitte des Zimmers stehen. Die Neugier, die kleinen Autos auszuprobieren, war da, aber die Angst, etwas falsch zu machen, hielt mich zurück.
Am Ende siegte einfach die Neugier, und ich nahm die Autos vom Regal. Ich stellte sie alle nebeneinander auf den Boden, bewunderte die bunte Reihe und begann dann, eine Verfolgungsjagd zu spielen. Das rote Auto jagte das blaue, das grüne Auto versuchte zu entkommen, und ich ließ die kleinen Fahrzeuge über den Boden rasen. Ich war so vertieft in mein Spiel, dass ich gar nicht bemerkte, wie die Zeit verging.
Plötzlich hörte ich eine Stimme neben mir. „Macht das Spaß?“ fragte Diana freundlich. Vor Schreck fuhr ich zusammen, und ein kleiner Pipi-Strahl entglitt mir. Die Überraschung war so groß, dass ich erstarrte, doch zum Glück konnte ich schlimmeres verhindern. In meinem Spiel war mir gar nicht aufgefallen, dass ich mal auf die Toilette musste.
Rasch sprang ich auf und rannte in Richtung Badezimmer. Ich hörte, wie Diana hinter mir rief: „Ich wollte dich nicht erschrecken, Florian!“ Doch ich konnte jetzt nicht anhalten – wenn ich nicht schnell pullern ging, würde alles in die Hose gehen.
Ohne die Tür hinter mir zu schließen, setzte ich mich auf die Toilettenschüssel und ließ den Rest los. Die Erleichterung war spürbar, und für einen Moment fühlte ich mich besser. Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass Diana mir ins Badezimmer gefolgt war und in der Tür stehen geblieben war.
Gerade als ich mir meine Hose wieder über den Schlüpfer ziehen wollte, sprach sie sanft: „Florian, ich glaube, bevor du die Hose hochziehst, brauchst du eine frische Unterhose.“ Ihr Ton war ruhig und verständnisvoll, als sie vorschlug: „Komm, wir gehen in dein Zimmer, ich helfe dir, okay?“
Mir war es unglaublich peinlich. Sie hatte gesehen, dass etwas daneben gegangen war. Doch ein Gedanke schoss mir durch den Kopf und verunsicherte mich noch mehr: Sie hatte „dein Zimmer“ gesagt. Das klang fast so, als gehörte es mir. Aber ich war doch nur ein Gast hier – das konnte doch nicht wirklich mein Zimmer sein.
Im Zimmer angekommen öffnete Diana den Schrank und holte eine frische Unterhose heraus. Sie lächelte mich aufmunternd an und sagte: „Setz dich ruhig auf die Matratze, ich helfe dir.“
Während ich mich langsam auf die Matratze setzte, fiel mein Blick auf einen Wäschekorb in der Ecke des Zimmers. Darin lagen eine frische Bettdecke und ein Kissen, ordentlich bezogen und bereit, das Bett wieder gemütlich zu machen. Sie musste all das ins Zimmer gebracht haben, während ich mit den Autos spielte.
Diana bemerkte meinen Blick und sagte sanft: „Ich habe schon alles vorbereitet, damit dein Bett wieder schön gemütlich ist.“ Ihre Worte klangen so selbstverständlich, als wäre es ganz normal, sich um solche Dinge zu kümmern, und doch war es für mich ungewohnt und etwas seltsam.
Ich nahm die Unterhose von ihr und zog sie mir an, dabei spürte ich die Wärme in meinem Gesicht. Doch Diana schien meine Verlegenheit gar nicht zu beachten. Stattdessen fing sie an, das Bett neu zu beziehen, als wäre es das Natürlichste der Welt.
„Hast du manchmal auch tagsüber Pipi-Unfälle?“ fragte Diana beiläufig, während sie weiter das Bett bezog. Ich sah zu Boden und antwortete leise: „Nein, eigentlich nicht. Aber… wenn ich muss, dann muss es immer ganz schnell gehen. Ich kann es nicht so lange einhalten.“ Einen Moment lang zögerte ich, bevor ich weiter sprach. „Deswegen soll ich nicht so viel trinken, sagt Mama.“
Diana hielt kurz inne, stellte die Decke beiseite und hockte sich sanft zu mir hin. Ihre Augen waren verständnisvoll und ruhig, und sie sprach in einem nachdenklichen Ton: „War deine Mama deswegen schon mal mit dir beim Arzt?“
Ich schüttelte leicht den Kopf. Es fühlte sich komisch an, darüber zu sprechen. Ich dachte, es war ja nicht Mamas Schuld, dass ich das nicht so gut halten konnte. Sie hatte sicher recht, wenn sie meinte, dass ich nicht so viel trinken sollte.
Diana stellte ihre nächste Frage behutsam: „Merkst du denn, wenn du auf die Toilette musst?“
„Ja“, antwortete ich, „solange ich nicht so abgelenkt bin und nicht zu viel getrunken habe, schaffe ich es auch immer rechtzeitig.“
Diana nickte, und ich spürte, dass sie genau zuhörte. „Und wenn du sagst, dass du nicht so viel trinken sollst… wie viel trinkst du normalerweise, zu Hause?“ fragte sie sanft.
Zögernd hob ich den Kopf und antwortete vorsichtig: „Ein halbes Glas Wasser früh und ein ganzes am Nachmittag.“
Diana sah mich einen Moment lang schweigend an, als würde sie über etwas nachdenken.
„Waren das große Gläser?“ fragte Diana vorsichtig, mit einem prüfenden Blick.
Ich antwortete leise, fast zögerlich: „So groß wie das Saftglas heute Morgen beim Frühstück.“ Ich konnte nicht verstehen, warum sie das so genau wissen wollte.
Diana nickte und schien kurz nachzudenken, bevor sie weiter sprach: „Das sind dann kaum 300 Milliliter, Florian. Hast du denn in der Schule etwas getrunken?“
Ich schüttelte den Kopf und sah verlegen zur Seite. Ich war es gewohnt, tagsüber kaum etwas zu trinken, und so war es für mich normal geworden.
Diana seufzte leise und sagte schließlich: „Florian, ich habe jetzt nicht die genauen Werte im Kopf, aber ich bin mir sicher, dass das viel zu wenig ist. Du solltest mindestens das Doppelte, wenn nicht sogar das Dreifache trinken.“
Ihre Worte ließen mich innerlich erstarren. Das Dreifache? Ungläubig dachte ich an all die Male im Kindergarten zurück, wenn ich zu viel getrunken hatte und es dann nicht rechtzeitig auf die Toilette geschafft hatte. Die Erzieherinnen hatten mich immer streng angesehen, und später war auch Mama jedes Mal wütend gewesen, wenn sie mich wieder in fremde Sachen hüllten, weil ich keine Wechselsachen dabeihatte. Die Scham, die ich dabei empfand, kehrte in diesem Moment zurück.
Einmal hatte mir eine der Erzieherinnen sogar eine Windel angezogen. Mama hatte damals gesagt, dass ich das mit Windeln nie lernen würde und dass sie nicht für den Rest meines Lebens Windeln kaufen wollte. Der Gedanke, dass ich jetzt wieder ständig auf die Toilette rennen oder, noch schlimmer, Unfälle haben könnte, schüchterte mich ein.
Also beschloss ich stumm für mich, einfach nicht so viel zu trinken.
Diana sah mich erwartungsvoll an, als ob sie darauf hoffte, dass ich etwas sagen würde. Doch ich konnte ihrem Blick nicht standhalten und wandte den Kopf ab, meine Augen wurden heiß, und schließlich rollte eine Träne über meine Wange.
„Florian, das meine ich nicht böse“, sagte sie sanft und strich mir vorsichtig über den Rücken. „Du kannst nichts dafür, dass man dir das falsch beigebracht hat.“
Ihre Hand auf meinem Rücken löste eine seltsame Gänsehaut aus. Ich war kaum Berührungen gewöhnt, jedenfalls keine, die sanft waren. Berührungen bedeuteten in meiner Welt Strafe und Ärger. Das hier war… anders und fühlte sich auf eine Art seltsam falsch an. Automatisch zuckte ich leicht zurück, und Diana schien das sofort zu bemerken. Sie zog ihre Hand langsam zurück, ihre Miene verständnisvoll und ruhig.
„Entschuldige, Florian“, sagte sie leise. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Sie hielt kurz inne und fügte dann behutsam hinzu: „Aber bitte, versuch mehr zu trinken, ja? Das ist wirklich wichtig für dich, und wir haben sowohl unten als auch oben ein Badezimmer, wenn du dringend musst. Niemand wird mit dir schimpfen, falls doch mal etwas daneben geht.“
Ich nickte langsam, obwohl in mir der Entschluss feststand, dass ich trotzdem nicht mehr trinken würde.
Ich beobachtete Diana still, wie sie das Bett fertig machte und die Decke ordentlich über die frisch bezogene Matratze zog. Ihre ruhigen Bewegungen und das sanfte Rascheln des Stoffes hatten etwas Beruhigendes. Als sie fertig war, sah sie zu mir und bat mich, mich nochmal auf das Bett zu setzen.
„Florian“, begann sie sanft, „heute Nachmittag kommt Frau Peters mit einem Paar, das dich gerne bei sich aufnehmen würde. Sie möchten dich kennenlernen, und du sollst auch die Gelegenheit bekommen, sie kennenzulernen. Du kannst jederzeit sagen, wenn dir etwas nicht passt, und selbst nachdem sie später wieder gegangen sind, kannst du dir in Ruhe überlegen, ob du dir vorstellen könntest, bei ihnen zu leben.“
Ihre Worte verwirrten mich. „Warum muss ich hier schon wieder weg?“ fragte ich leise.
Diana sah mich mitfühlend an und setzte sich neben mich. „Du musst nicht weg, Florian. Wir haben dich gerne hier. Aber wir können dich leider nicht dauerhaft aufnehmen.“ Sie hielt einen Moment inne, als ob sie die richtigen Worte suchte. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, immer wieder woanders hin zu müssen, gerade wenn du dich langsam an einen Ort gewöhnt hast. Es ist für dich sicher richtig blöd, dass es schon wieder weitergehen soll.“
Sie machte eine Pause und sah mich warm an. „Ich habe schon zwei Kinder, die dauerhaft bei uns leben, und manchmal braucht es Familien wie unsere, die Kinder für kurze Zeit aufnehmen können, so wie wir gestern dich aufgenommen haben. Das ist dann wie ein Notfall. Du scheinst ein ganz lieber Junge zu sein, und wenn ich könnte, würde ich dich gerne bei uns behalten.“
Ich bemerkte, wie Dianas Augen plötzlich leicht feucht wurden, und sie wischte sich schnell eine Träne von der Wange. „Und das sage ich nicht oft zu meinen Gastkindern.“ Sie lächelte ein wenig, und ihre Stimme klang weich und ein wenig traurig. „Aber für ein Kind in deinem Alter sind wir einfach schon ein wenig zu alt. Wir machen das schon seit vielen Jahren, aber… wenn du hier bleiben würdest und irgendwann zwölf oder dreizehn bist, dann wäre ich schon über siebzig und könnte vielleicht nicht mehr alles für dich tun, was du dann brauchst.“
Ich sah sie nachdenklich an, und ihre Worte hingen einen Moment in der Luft. Es tat irgendwie weh, zu wissen, dass ich wieder gehen müsste, aber Dianas ehrliche Erklärung ließ mich ein wenig verstehen, dass es nicht daran lag, dass ich unerwünscht war.
Diana lächelte mich sanft an und sagte: „Aber wenn du möchtest, kannst du uns regelmäßig besuchen kommen. Und wenn du in deiner neuen Familie mal Probleme hast oder jemanden zum Reden brauchst, kannst du jederzeit zu uns kommen. Okay?“
Ich nickte langsam und nachdenklich. Ihre Worte beruhigten mich ein wenig, auch wenn die Vorstellung, schon wieder woanders hinzugehen, schwer war. Nach einem Moment der Stille fragte ich vorsichtig: „Wie alt sind die, die mich aufnehmen wollen?“
Ich hatte bisher nie darüber nachgedacht, dass andere Menschen älter werden, während ich wachse. Die Frage schien Diana einen Moment zu überraschen, doch dann lächelte sie wieder. „Das weiß ich tatsächlich nicht genau“, sagte sie sanft. „Aber sie sind bestimmt um einiges jünger als Manfred und ich.“
Ihre Antwort ließ mich ein wenig nachdenken.
„So, jetzt gehen wir beide erstmal in die Küche,“ sagte Diana mit einem freundlichen Lächeln. „Du trinkst etwas, und wenn du möchtest, kannst du mir beim Mittagessen helfen oder wieder spielen gehen, ganz wie du magst.“
Da fiel mir plötzlich etwas ein, und ich sah sie unsicher an. „Also… ist es nicht schlimm, dass ich die Autos genommen habe?“
Diana lachte leise und schüttelte den Kopf. „Nein, Florian, überhaupt nicht! Die sind genau dafür da.“ Sie sah mich aufmunternd an. „Im gelben Schrank dort sind sogar noch mehr Autos, und in der Kiste unter deinem Bett ist auch noch anderes Spielzeug. Alles, was in deinem Zimmer ist, kannst du nehmen und damit spielen. Und wenn du im Haus noch etwas anderes siehst, was dich interessiert, musst du nur fragen. Dann schaue ich mal, ob du es nutzen kannst, ja?“
Erleichtert und ein wenig überrascht nickte ich. Es war ein ungewohntes Gefühl, dass all diese Sachen für mich da waren – dass ich nicht fragen musste, bevor ich einfach etwas benutzen durfte.
In der Küche reichte mir Diana ein Glas Apfelschorle. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht so viel zu trinken, aber es war wie bei dem Saft heute Morgen – es schmeckte einfach zu gut. Ich war sonst nur Leitungswasser gewohnt, und der süße, frische Geschmack der Apfelschorle war etwas ganz Besonderes. Nur die Kohlensäure war ungewohnt; sie prickelte ein wenig unangenehm in meinem Mund.
Nachdem ich das Glas geleert hatte, entschied ich mich, wieder mit den Autos im Zimmer zu spielen. Der Gedanke an den gelben Schrank ließ mich nicht los – was da wohl noch für Autos versteckt waren? Ich wollte unbedingt herausfinden, welche Schätze dort auf mich warteten.
Als ich den gelben Schrank öffnete, traute ich meinen Augen kaum. Da stand eine große Kiste voller Autos, mehr, als ich auf den ersten Blick zählen konnte. Es waren nicht nur kleine Spielzeugautos – da waren sogar Trucks mit Anhängern dabei! Begeistert zog ich die ganze Kiste heraus und stellte sie vorsichtig auf den Fußboden, als wäre darin ein Schatz verborgen.
Mit leuchtenden Augen begann ich, jedes Auto behutsam aus der Kiste zu holen und genau zu betrachten. Da war wirklich alles dabei, was man sich nur vorstellen konnte, um eine ganze Stadt zu bauen: Krankenwagen, Feuerwehrwagen, Polizeiautos, Taxis, ein Abschleppdienst und noch viele andere Fahrzeuge, die ich alle nacheinander bestaunte. Ich konnte kaum glauben, dass all diese Autos nur für mich da waren – so viele auf einmal hatte ich noch nie gesehen! Selbst früher im Kindergarten waren es nicht so viele, und das war schon eine große Sammlung an Spielzeugautos, diese musste ich aber mit den anderen Kindern teilen. Doch jetzt konnte ich hier eine ganze Autowelt erschaffen, nur für mich allein.
Langsam fing ich an, mir eine kleine Stadt aufzubauen. Unter dem Tisch richtete ich die Rettungswache ein, mit dem Krankenhaus und der Feuerwehrstation nebeneinander. Neben dem Bett platzierte ich die Polizeistation und stellte den Abschleppdienst gleich daneben, damit er im Notfall bereitstand. In der Mitte des Zimmers baute ich den Bahnhof auf, und darum herum parkte ich die Taxis, die auf Fahrgäste warteten.
Ich war so vertieft in mein kleines Stadtprojekt, dass die Zeit einfach verflog. Immer wieder verschob ich die Autos ein wenig, damit alles noch besser passte, und ließ die Rettungswagen und die Feuerwehr durch die „Straßen“ flitzen, um „Einsätze“ zu erledigen.
Plötzlich spürte ich, wie es feucht in meiner Unterhose wurde. Panisch sprang ich auf und wollte zur Toilette rennen, aber noch bevor ich an der Tür war, lief alles aus mir heraus. Ich konnte es einfach nicht mehr halten. Schockiert blieb ich stehen, unfähig, einen weiteren Schritt zu machen, und spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen.
Mein Kopf war leer und gleichzeitig voller Gedanken. Was sollte ich jetzt tun? Schnell die nassen Sachen ausziehen und frische aus dem Schrank holen? Aber wohin sollte ich die nassen Sachen verstecken? Oder sollte ich lieber zu Diana gehen und ihr sagen, dass ich in die Hose gemacht hatte? Sie hatte zwar gesagt, dass es nicht schlimm sei, wenn mal etwas daneben geht, aber jetzt? Sie würde bestimmt denken, dass ich es absichtlich gemacht hatte, weil ich zu faul war, rechtzeitig auf die Toilette zu gehen.
In meinem Kopf drehte sich alles. In dem Moment klopfte es an der Tür, und ein großer Junge schaute herein. Er hatte dunkle Haare und ein freundliches Lächeln, das aber sofort sanfter wurde, als er mich sah. „Hallo, Florian, ich bin Nathanael. Du sollst zum Essen kommen…“
Er verstummte plötzlich, als er bemerkte, was passiert war. Sein Blick wurde verständnisvoll und sanft. „Oh“, sagte er leise, „ich glaube, ich hole lieber Mama. Mach dir keine Sorgen, das ist mir früher auch ganz oft passiert.“
Er schenkte mir einen aufmunternden Blick und verließ das Zimmer, ohne weiter zu fragen oder mich komisch anzusehen. Seine Worte und sein Verhalten verwirrten mich. Diana hatte mir erzählt, dass Nathanael und seine Schwester auch Pflegekinder waren. Und doch hatte er gerade „Mama“ gesagt.
Diana klopfte noch einmal sanft an die Tür, bevor sie das Zimmer betrat. Sie sah mich mit einem warmen, mitfühlenden Blick an und sagte leise: „Das ist nicht schlimm.“ Doch kaum hörte ich ihre Worte, liefen die Tränen wieder stärker über meine Wangen, und ein Schluchzen stieg in mir auf.
„Ich hab es nicht mehr geschafft,“ stammelte ich verzweifelt. „Ich habe es beim Spielen wirklich nicht gemerkt, wirklich!“ Ich flehte fast, weil ich Angst hatte, dass ich Ärger bekommen würde.
Diana kniete sich zu mir hinunter, sodass wir uns direkt in die Augen sehen konnten, und sprach ruhig und sanft: „Das glaube ich dir, Florian. Du musst dich wirklich nicht entschuldigen. Das passiert, und es ist überhaupt nicht schlimm.“
Sie hielt kurz inne und lächelte mich aufmunternd an, ihre Augen voll Verständnis. „Weißt du, hier ist alles neu und aufregend für dich, mit so vielen Eindrücken auf einmal. Das kann einen schon mal durcheinanderbringen. Außerdem hast du heute sicher mehr getrunken als sonst – der Saft hat einfach zu gut geschmeckt, oder? Da passiert es ganz leicht, dass man nicht merkt, dass man auf die Toilette muss.“
Ihre warmen Worte beruhigten mich ein wenig, und ich spürte, wie ein Teil meiner Anspannung nachließ. Diana legte sanft ihre Hand auf meine Schulter und sagte schließlich: „Mach dir wirklich keine Sorgen, Florian. Das passiert jedem mal – vor allem, wenn alles so neu ist.“
Sie half mir aus den nassen Sachen. Als ich mich kurz beim Ausziehen der Hose drehte, sah sie plötzlich etwas, das sie innehalten ließ. Ihr Blick wurde ernst und besorgt. „Was haben sie mit dir gemacht, Florian?“ flüsterte sie, als sie die Striemen auf meinem Rücken und meinem Hintern sah. Die Frage ließ mich erstarren, und sofort verdrängte ich die Erinnerungen an all die Bestrafungen, die ich immer wieder erfahren hatte, wenn ich etwas „falsch“ gemacht hatte.
Diana schien zu merken, dass ich nicht antworten konnte oder wollte, und stellte keine weiteren Fragen. Sie half mir still in die frischen Sachen und hielt dann meine nassen Kleidungsstücke in einer Hand, während sie meine andere Hand in ihre nahm.
„Komm, wir gehen zusammen nach unten“, sagte sie sanft. „Wir bringen das zusammen in die Waschmaschine und danach waschen wir uns die Hände. In der Küche warten Anna-Lena und Nathanael schon auf uns. Sie hatten heute früher Schulschluss.“
Ich nickte nur, während wir langsam die Treppe hinunter gingen. Dianas Hand in meiner fühlte sich warm und beruhigend an, und obwohl ich mich schämte, war es ein wenig tröstlich zu wissen, dass sie an meiner Seite war.
Wir gingen noch eine Etage tiefer in den Keller, wo alles hell gefliest war und der Raum frisch und sauber wirkte. Es gab einen großen Raum, und an einer Wand standen zwei Waschmaschinen nebeneinander. Daneben stand ein weiteres Gerät, das ähnlich aussah, nur wirkte es irgendwie größer, und die Öffnung vorne, das Bullauge, war deutlich breiter als bei den anderen Maschinen.
Neugierig fragte ich: „Ist das auch eine Waschmaschine?“
Diana lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, das ist ein Trockner. Der leistet uns hier oft gute Dienste. Viele Kinder, die zu uns kommen, haben Pipi-Unfälle, genau wie du, und da ist es praktisch, die Bettwäsche schnell wieder trocken zu bekommen.“
Ihre Worte beruhigten mich ein wenig, aber meine Unsicherheit blieb. Was, wenn es noch öfter passierte? Diana bemerkte meinen Blick und fügte ruhig hinzu: „Deswegen, Florian, ist es überhaupt nicht schlimm, wenn mal was daneben geht. Du brauchst dir deswegen wirklich keine Sorgen zu machen, okay?“
Ich nickte leicht und überlegte, wie es anderen Kindern in dieser Situation gehen mochte. „Haben andere Kinder auch tagsüber Unfälle?“ fragte ich leise.
Diana legte die nassen Sachen in die Waschmaschine, schaltete sie jedoch nicht an. „Da kommt heute bestimmt noch ein bisschen Wäsche dazu“, sagte sie, bevor sie sich zu mir herunter hockte und sanft sprach: „Jedes Kind ist anders, Florian. Es gibt durchaus Kinder, die auch tagsüber Unfälle haben.“ Ich dachte dabei sofort an Paul und vermisste ihn in diesem Moment mehr denn je. Es wäre sicher schön gewesen, jetzt mit ihm und den vielen Autos zu spielen.
Diana sprach weiter und erklärte: „So, wie du es beschrieben hast, könnte es auch sein, dass bei dir etwas Körperliches dafür sorgt, dass du nicht immer rechtzeitig merkst, wenn du musst. Aber das müsste man zuerst abklären.“
Sie wartete einen Moment und fügte dann hinzu: „Wenn du möchtest, Florian, könntest du nach dem Essen eines von diesen Schlafhöschen anziehen, von denen ich dir heute Morgen erzählt habe. Das wäre nur für den Fall, dass du dich sicherer fühlst.“
Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte. Es klang sinnvoll, aber die Vorstellung war ungewohnt. Diana schien mein Zögern zu bemerken und lächelte verständnisvoll. „Du kannst es dir ja noch überlegen. Sag mir einfach nach dem Essen, wie du es machen möchtest, in Ordnung?“
Ich nickte, und dann gingen wir zusammen eine Etage höher, wo wir uns gründlich die Hände wuschen. Danach machten wir uns auf den Weg in die Küche, in der Anna-Lena und Nathanael schon auf uns warteten.
Am Tisch saßen Anna-Lena und Nathanael nebeneinander, und im Sitzen wirkten die beiden gleich groß. Beide lächelten mich freundlich an, was mir ein wenig die Anspannung nahm. Anna-Lena stellte sich vor: „Hallo, Florian, ich bin Anna-Lena, aber du kannst auch einfach Anna oder Lena sagen.“
Ich nickte schüchtern und spürte, wie ich mich langsam entspannte. Irgendwie wirkten die beiden sympathisch auf mich. Sie schienen mich nicht zu verurteilen oder über mich zu lachen, was mir sehr viel bedeutete. Auf der Arbeitsfläche stand ein Blech Pizza, und der Duft war unwiderstehlich.
Als wir uns alle an den Tisch setzten, stand Nathanael auf, schnitt ein Stück Pizza ab und legte es vorsichtig auf meinen Teller. Danach nahm er noch ein Stück für Diana und eines für Anna-Lena, bevor er sich wieder zu uns setzte. Die Pizza sah nicht nur gut aus, sondern schmeckte auch unglaublich lecker – viel besser als die Tiefkühlpizza, die ich von Zuhause kannte. Ich schloss kurz die Augen und genoss den warmen, würzigen Geschmack.
Diana stellte mir ein Glas mit kaltem Tee hin, aber ich rührte es vorerst nicht an. Nathanael bemerkte meinen stillen Blick und fragte: „Alles wieder gut bei dir?“
Ich nickte unsicher und wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Nathanael sah mich verständnisvoll an. „Weißt du, mir ist das früher wirklich oft passiert,“ sagte er mit einem freundlichen Lächeln. Er beugte sich ein wenig zu mir und fügte leise hinzu: „Und soll ich dir ein kleines Geheimnis verraten?“
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern sprach einfach weiter. Es störte ihn offenbar nicht, dass Diana und Anna-Lena mit am Tisch saßen – also konnte es wohl kein wirkliches Geheimnis sein. „Nachts passiert mir das immer noch ziemlich oft, obwohl ich schon fünfzehn bin. Aber Mama hat mir gezeigt, dass das nichts ist, wofür man sich schämen muss.“ Er sagte das mit einer Selbstverständlichkeit und einem Mut, der mich überraschte.
Anna-Lena nickte zustimmend und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. „Ja, das ist wirklich nichts, wofür man sich schämen sollte. Mir passiert es zwar nicht so oft wie Nathanael, aber manchmal eben doch.“
Die beiden redeten darüber so normal und ohne Scham, dass ich mich tatsächlich ein wenig weniger unwohl fühlte.
„Das ist aber schön, dass ihr so offen mit Florian darüber redet,“ sagte Diana zu Anna-Lena und Nathanael und lächelte die beiden anerkennend an. „Das hilft ihm bestimmt.“
Ich sah zu Anna-Lena und fragte zögernd, weil ich es unbedingt wissen wollte: „Wie alt bist du?“
Anna-Lena lächelte und antwortete: „Genau 31 Minuten älter als mein Zwillingsbruder.“
Da ging mir ein Licht auf – die beiden waren Zwillinge! Nach dem Essen half ich beim Abräumen und brachte ein paar Teller zur Spüle. Gerade als ich die Küche verlassen wollte, hörte ich Dianas freundliche Stimme hinter mir: „Florian, was möchtest du jetzt machen?“
Ich blieb unsicher stehen und drehte mich langsam zu ihr um, plötzlich nervös, ob ich vielleicht etwas falsch gemacht hatte. Doch Diana lächelte mich beruhigend an, und ich atmete etwas erleichtert aus. „Ich möchte wieder mit den Autos spielen“, sagte ich leise.
„Das ist völlig in Ordnung“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Aber vorher trinkst du bitte noch deinen Tee und gehst dir dann die Hände waschen, bevor du spielst, okay?“
Ich nickte und ging zurück zum Tisch, wo ich den kalten Tees austrank. Anschließend begab ich mich ins Badezimmer und wusch mir sorgfältig die Hände, so wie sie es gesagt hatte.
Kurz darauf kniete ich mich wieder zu den Autos, die ich im Zimmer verteilt hatte, und war gerade dabei, meine Stadt weiter zu bauen, als es an der Tür klopfte. Diana trat ein und hielt eine Packung in den Händen. Ich sah genauer hin und erkannte, dass es Windeln waren.
„Ich habe leider keine Schlafhöschen in deiner Größe hier im Haus“, erklärte sie sanft. „Die von Nathanael oder Anna-Lena sind dir zu groß, und für unsere jüngeren Gast kinder habe ich nur diese hier.“ Sie stellte die Packung vor mich auf den Boden, damit ich sie mir ansehen konnte. Auf der Packung stand „Babylove 6+“. Ich starrte sie an, und der Gedanke fühlte sich etwas merkwürdig an.
„Sind die… für Babys?“ fragte ich unsicher und schaute zu Diana auf.
Sie lächelte sanft und erklärte: „Nein, diese Windeln sind eher für größere Kindergarten kinder. Die Windeln für Babys würden dir gar nicht mehr passen. Aber da du so zierlich bist, sollte diese Größe dir gut passen.“
Ich zögerte, wollte sie aber nicht enttäuschen. Auch wenn es sich komisch anfühlte, wieder eine Windel zu tragen. Vielleicht müsste sie dann nicht ständig meine Wäsche waschen. Also nickte ich schließlich vorsichtig.
Diana bemerkte mein Zögern und fragte sanft: „Meinst du, dass du dir die Windel selbst anziehen kannst?“
Ich zuckte leicht mit den Schultern, denn ich wusste nicht genau, wie das funktionierte.
„Okay,“ sagte sie freundlich, „dann helfe ich dir jetzt. Wenn Manfred die Schlafhöschen aus der Drogerie mitgebracht hat, kannst du die dann ganz leicht wie Unterwäsche selbst anziehen, okay?“
Ich nickte erneut und sah zu, wie sie behutsam die Packung in die Hand nahm. Und mich verständnisvoll an sah während sie sanft fragte: „Möchtest du vorher noch einmal auf die Toilette gehen, Florian?“ Instinktiv schüttelte ich den Kopf, aber sie lächelte nur geduldig. „Versuch es einfach, okay? Ich warte hier auf dich.“
Also machte ich mich auf den Weg ins Bad und versuchte mein Bestes. Ich presste ein wenig, doch es kamen nur ein paar Tropfen. Ein Gefühl der Verlegenheit stieg in mir auf, aber ich wollte Diana nicht enttäuschen, also kehrte ich still zurück ins Zimmer.
Dort hatte Diana inzwischen ruhig die Packung geöffnet und lächelte mich ermutigend an. Sie zeigte auf das Bett und sagte sanft: „Leg dich bitte hin, Florian.“ Mit klopfendem Herzen legte ich mich vorsichtig hin, spürte, wie meine Wangen heiß wurden, als sie mich freundlich bat: „Kannst du bitte deine Hose herunterziehen?“ Zögerlich folgte ich ihrer Aufforderung, unsicher und etwas beschämt.
Doch Diana blieb geduldig und behutsam, ohne auch nur ein Zeichen von Eile oder Ungeduld. Sie faltete die Windel sorgfältig auseinander und richtete sie sanft. Ihre ruhige Art ließ mich ein wenig entspannen, und ich fühlte mich sicher in ihrer Gegenwart, auch wenn mir die Situation immer noch unangenehm war.
Ich sah neugierig zu, und Diana bemerkte es. Sie lächelte leicht und erklärte: „Das hier sind die Bündchen. Die helfen, dass nichts ausläuft.“ Ihre Stimme war ruhig und verständnisvoll, als wäre das alles ganz normal.
„Hebe bitte deinen Po ein wenig an“, bat sie mich, und ich tat es, während sie die Windel unter mir platzierte. Dann zog sie das Vorderteil sanft zwischen meine Beine und verschloss die Klebestreifen auf beiden Seiten. Als ich aufstand, half sie mir und zupfte noch an den Rändern, damit alles perfekt saß. „Die Windel ist dir fast noch zu groß,“ meinte sie dann nachdenklich. „Eine Nummer kleiner würde sicher auch gut passen.“
Sie hob vorsichtig meine Hose hoch und zog sie mir an, obwohl ich das schon allein gekonnt hätte. Es fühlte sich ungewohnt, fast ein bisschen seltsam an, aber gleichzeitig war es beruhigend. Die Windel schmiegte sich weich an meinen Körper und gab mir ein überraschend vertrautes Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
Als ich mich wieder zu meinen Autos kniete, spürte ich plötzlich eine Art von Erinnerung an die frühen Tage im Kindergarten, auch wenn ich mich an keine Einzelheiten erinnern konnte. Dieses Gefühl der Sicherheit, das mich durchströmte, fühlte sich an wie eine Umarmung – wie eine Geborgenheit, die ich vermutlich nur als ganz kleines Kind gekannt hatte.
„Wenn du auf die Toilette möchtest, geh einfach,“ sagte Diana zuversichtlich. „Ich denke, du bekommst die Windel alleine herunter. Wenn du dann fertig bist, rufst du mich einfach oder kommst zu mir, und ich helfe dir, sie wieder anzuziehen, ja?“
Ich nickte, schon wieder ins Spiel vertieft. Ihre Worte beruhigten mich, und ich war froh, dass sie mir so vertraute.
Diana verließ das Zimmer, und kaum war ich wieder ins Spielen vertieft, kam Nathanael herein und setzte sich auf mein Bett. Er schaute sich um und grinste. „Da hast du aber eine coole Rettungswache gebaut,“ sagte er und deutete auf den Tisch.
Ich nickte stolz und zeigte ihm den Rest meiner kleinen Stadt. Mittlerweile hatte ich auch eine Spedition mit vielen LKWs und eine kleine Rennstrecke mit ein paar schnellen Flitzern aufgebaut. Nathanael schien richtig begeistert zu sein.
„Früher habe ich mir auch immer eine Bahn gebaut, auf der die Autos runterfahren konnten,“ sagte er und schien in Erinnerungen zu schwelgen.
Neugierig sah ich ihn an. „Wie hast du das gemacht?“ fragte ich gespannt.
Nathanael grinste und zog die Kiste unter meinem Bett hervor. Darin waren Straßen zum Zusammenstecken. Gemeinsam bauten wir eine Strecke, die wir so am Bett befestigten, dass die Autos daran herunterfahren konnten. Dann ließen wir abwechselnd die Autos hinunterrollen und schätzten, wie weit sie fahren würden. Es machte uns beiden riesigen Spaß, und Nathanael lachte genauso viel wie ich.
Gerade als ich eines der Autos aufhob, spürte ich wieder einen leichten Druck und merkte, wie ein paar Tropfen Pipi in die Windel gingen. Erschrocken sprang ich auf und rannte zur Tür, doch bevor ich sie erreichen konnte, hielt ich an. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten und spürte, wie die Windel warm und weich wurde. Aber es war gar nicht schlimm – im Gegenteil, es fühlte sich irgendwie gut an. Die Windel blieb angenehm warm und fühlte sich weich an, im Gegensatz zu den nassen Sachen von vorhin. Nur ein bisschen dicker war sie jetzt.
Mit leicht feuchten Augen sah ich zu Nathanael, der mich verständnisvoll ansah und scheinbar wusste, was passiert war. „Hey, mach dir nichts draus,“ sagte er beruhigend. „Dafür sind sie ja da.“
Er hockte sich vor mich und fügte leise hinzu: „Weißt du, ich beneide dich sogar ein bisschen. Manchmal wünschte ich, ich dürfte auch wieder tagsüber Windeln tragen – dann müsste man nicht ständig aufs Klo rennen, wenn man spielt oder gerade etwas Spannendes macht.“
Seine Worte überraschten mich, und das Gefühl von Scham wich ein wenig. Nathanael hatte ein Verständnis, das mich wirklich tröstete.
Nach einer Weile, in der wir gemeinsam weiterspielten, fühlte ich mich, als wäre ich in einer ganz eigenen Welt. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte – selbst auf dem Schulhof mit Paul konnte ich nie so tief in meine Fantasie eintauchen.
Plötzlich klopfte es an der Tür, und Diana steckte den Kopf ins Zimmer. Sie lächelte, als sie uns sah. „Na, ihr spielt aber schön.“
Nathanael richtete sich schnell auf und wirkte plötzlich anders, fast ein wenig förmlich. „Ich habe ihm nur geholfen, eine Bahn zu bauen,“ sagte er. Ich wunderte mich kurz. Er hatte doch auch mitgespielt und mindestens genauso viel Spaß gehabt. Ob er das wohl nicht durfte? Ich beschloss sofort, dass ich ihn nicht verraten würde.
„Florian,“ sagte Diana sanft, „Frau Peters und dein Besuch sind da. Möchtest du vielleicht ein paar Autos mit nach unten nehmen und im Wohnzimmer weiterspielen?“
Ich sah unsicher auf die Autos, unschlüssig, welche ich mitnehmen sollte. Nathanael bemerkte mein Zögern und sagte: „Soll ich dir helfen? Wir können ja ein paar Autos in die Kiste räumen und die mit runter nehmen.“
Das war eine großartige Idee, und ich nickte ihm dankbar zu.
Nachdem wir die Autos gemeinsam in die Kiste geräumt hatten, kniete sich Diana noch einmal zu mir herunter. „Möchtest du nochmal auf die Toilette?“ fragte sie sanft. Ich fühlte mich ertappt und sah verlegen auf den Fußboden.
Mit einer sanften Stimme sagte sie: „Komm, wir gehen zusammen ins Badezimmer. Ich helfe dir bei der Windel.“ Ich wollte eigentlich nicht, aber sie nahm einfach meine Hand, und ich folgte ihr – ich wollte sie nicht verärgern.
Im Badezimmer hockte sie sich wieder vor mich und zog ganz behutsam meine Hose herunter. Sie hielt kurz inne, bevor sie die Klebestreifen der Windel öffnete. „Siehst du? Es war doch ganz gut, dass du eine Windel anhattest,“ sagte sie beruhigend.
Es überraschte mich, dass sie überhaupt nicht schimpfte oder genervt war, sondern mich stattdessen ruhig und verständnisvoll ansah. Ihr Verhalten war so sanft und liebevoll, dass es mich irritierte.
Nachdem ich auf der Toilette war – dieses Mal kam ein bisschen mehr als beim letzten Mal, aber immer noch nicht viel – fragte mich Diana sanft, ob ich wieder eine Windel anziehen möchte. Verlegen nickte ich. Es hatte mir gefallen, wenn ich ehrlich war. Mit der Windel musste ich mir keine Sorgen machen, und sie gab mir ein Gefühl von Geborgenheit.
Nachdem ich meine Hose hochgezogen hatte, nahm Diana mich wieder an die Hand und führte mich zurück ins Zimmer. Dort sah ich Nathanael, der erschrocken wirkte und das Paket Windeln in der Hand hielt. Diana warf ihm einen erstaunten Blick zu und fragte: „Ist alles gut, Nathanael?“
Nathanael bekam einen roten Kopf und schüttelte unsicher den Kopf, bevor er doch zustimmend nickte und sagte: „Ja… ich meine, ja, alles gut.“ Man sah ihm jedoch an, dass es ihm peinlich war. Diana blickte ihn liebevoll an und sagte ruhig: „Nathanael, du weißt doch, dass du mit mir über alles reden kannst.“
Nathanael sagte nichts weiter und verließ hastig das Zimmer. Ich sah ihm nach und wandte mich dann an Diana. „Was ist mit Nathanael?“ fragte ich leise.
Diana sah mich sanft an. „Das kann ich dir leider nicht genau sagen, Florian. Nathanael ist gerade in der Pubertät.“ Sie deutete mir an, dass ich mich wieder auf das Bett legen sollte. Diesmal zog ich gleich meine Hose herunter, da ich ja inzwischen wusste, was passieren würde, auch wenn es mir noch etwas peinlich war.
Während Diana die neue Windel auseinander faltete, fragte ich neugierig: „Was ist Pubertät?“
Diana lächelte und begann zu erklären, während sie mir die Windel anlegte. „Das bedeutet, dass Nathanael jetzt langsam erwachsen wird. Es ist, als ob er in zwei Welten lebt. Auf der einen Seite möchte er noch spielen und kindliche Dinge tun, so wie du. Auf der anderen Seite möchte er ernst genommen werden und vor seinen Klassenkameraden und Freunden cool wirken. Das ist eine ganz normale, aber manchmal auch schwierige Phase, die jeder auf dem Weg zum Erwachsen werden durchmacht.“
Ich hörte ihr aufmerksam zu und war so in ihre Worte vertieft, dass ich erst bemerkte, dass sie fertig war, als ich bereits angezogen wieder auf dem Fußboden stand.
Fortsetzung folgt….
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Ich Liebs! Du hast echt Talent, so sehr sogar, dass man richtig mitfühlt!
Kleine Kritik: Es ist etwas oft die Rede von Hand auf die Schulter legen.
Gerne biete ich dir auch an, Kontakt mit mir aufzunehmen. Ich bin langjährige Pädagogische Fachkraft in Wohngruppen der Kinder und Jugendhilfe. Deine Schilderungen sind soweit schlüssig aber manchmal etwas realitätsfern.
Danke aber für deine Arbeit mit beiden Geschichten 😉
Ich finde du schaffst es die Verfassung Florians sehr gut zu schildern. Die Angst davor alles falsch zu machen weil er selten oder nie Ermutigung erfahren hat. Ich freue mich auf den nächsten Teil und hoffe es geht bald bergauf mit Florian 🙂
Mir fehlen mittlerweile echt die Worte und ich weis echt nicht mehr, was ich noch dazu sagen (kommentieren) soll, ausser, das du bitte diese Qualität weiter beibehältst.
Hi, die Geschichte ist auch sehr schön, und wie zaghaft der kleine alles erkundet, das ist auch kein Wunder was er hat schon alles durchmachen müssen. Ich wundere mich nur das seine Leiblichen Eltern noch mit einbezogen werden, den er ist ja vom Jugendamt mit Genehmigung des Richters von seiner Familie getrennt worden.
Eine sehr schöne Geschichte bin schon auf den nächsten Teil gespannt
Echt Gute Geschichte. Habe mich heute mega über den nächsten Teil gefreut. Bitte schreibe schnell weiter.
Unfassbar gut geschrieben. Die ganzen Emotionen bringen einen fast zum Weinen. Es ist so schön das Florian die Liebe und Zuneigung bekommt die er braucht und bei den Pflegeeltern wird er es bestimmt auch richtig schön haben freue mich auf die Fortsetzung
Unheimlich einfühlsam geschrieben.
Die Bedrängnis der beiden Kinder wird gut 👍 einbezogen und dargestellt.
Freue mich auf die Fortsetzung und danke dem Engagement des Autors.
Ich habe 5 Sterne vergeben mehr sind ja nicht möglich
Aber trotzdem habe ich Kritik zu vergeben:
Ich würde die einzelne Kapitel teilen und die beiden Geschichten in wöchentlichen Wechsel veröffentlichen.
Dann hälst du die Spannung höher und hast mehr davon und auch die Leser
Danke für diesen weiteren Teil, ich lese jeden Abend einen und hatte schon mehr als einmal Tränen in den Augen. Ich hatte als Kind auch einen Schulfreund (besten Freund), der auch von seinen Eltern misshandelt wurde, (auch zweimal in meinem Beisein als ich dort mal übernachten durfte). Auch ich wurde eingeschüchtert damit ich davon nichts meinen Eltern erzählte aber irgendwann konnte ich nicht mehr an mich halten und erzählte es doch. Dann ging es ähnlich wie hier ganz schnell und das Jugendamt wurde eingeschaltet.
Was noch mehr traurig war, er hatte noch zwei jüngere Brüder um die er sich sehr stark sorgte, obwohl wenn die beiden Mist bauten er dafür auch noch die Strafen kassierte…
Er war so von Angst und Schuldgefühl gesteuert das auch er Inkontinenz probleme hatte…
Schreib weiter und nochmals danke für deine Geschichte.