Donnerstag (6)
Windelgeschichten.org präsentiert: Donnerstag (6)
ANMERKUNG: Dieser Teil schließt unmittelbar an den vorhergehenden Teil an. Um den Wiedereinstieg zu erleichtern, wiederhole ich die letzten Sätze aus Teil 5.
Ich atmete tief durch. Einmal noch. Ein einziges Mal noch. Danach würde ich mir die Windel selbst anlegen müssen, aber, so viel Mühe ich mir auch gab, ich schaffte es nie, dass sie sich so gut anfühlte wie dann, wenn meine Schwester es tat.
„Wir müssen jetzt raus. Mama ist in einer Dreiviertelstunde wieder da.“ sagte Silvia.
„Das ist noch einige Zeit hin.“
„Aber wir haben noch etwas vor.“
Sie stieg aus der Wanne auf das Lammfell und reichte mir die Hände. „Kommst du?“
Ich stand auf, nahm ihre Hände entgegen und stieg, ebenso umständlich wie ich eingestiegen war, aus der Wanne. Das Wasser troff von uns, von ihrem schwarzen Badeanzug, von meinem nackten Körper.
„Ich will dich abtrocknen.“ Das hatte sie noch nie getan.
„Ich bin zu klein, das selbst zu machen.“ sagte ich.
„Dafür hast du ja deine große Schwester.“
Sie zog ein großes weißes Frotteetuch aus dem Schrank, breitete es aus und begann es über meine Haare zu ziehen. „So?“ fragte sie.
„Ruhig etwas fester.“
„So?“ Sie drückte etwas fester, aber immer noch schwächer und mit langsameren Bewegungen, als ich es getan hätte. Aber es war gut so. Heute wollte ich das Handtuch bewusst fühlen.
„Ja. So ist gut.“
Nach meinen Haaren war mein Gesicht dran. Sie tupfte da nur. Das war das komischste: Zu spüren, wie jemand anderes im Gesicht wischte. ‚Das kann ich doch selber, auch besser.‘ dachte ich, aber es fühlte sich gut an, es einfach zuzulassen.
Dann nahm sie sich die Arme vor. Ich hatte sie an den Seiten angelegt. Ich hätte sie nun heben können, um es ihr einfacher zu machen, aber ich wartete darauf, dass sie etwas sagte. Sie trocknete sie ab, kam nun aber nicht an meine Seiten.
„Arme hoch.“ sagte sie.
Ich hob die Arme, so dass sie unter meine Achseln kommen konnte.
„Höher.“
Ich hob sie, so dass meine Hände über meinem Kopf waren.
„Höher.“
„Du kommst doch jetzt an alles ran.“
Sie lächelte.
„Die Hände zum Himmel. Das kennst du doch vom Tanzen, oder?“
Das kannte ich eigentlich nur vom Zusehen. In meiner Kindergartengruppe hatten wir so etwas früher nie gemacht, und in späteren Jahren hatte ich mich bei Partys ausgeklinkt, wo man so etwas tanzte. Das war mir zu albern gewesen. Aber ich wusste, was sie meinte. Ich hob die Hände, so hoch ich konnte. Mit den Fingerspitzen ertastete ich die Decke. Ich presste sie etwas, so dass ich Halt hatte. Ich spürte, wie sich die Muskeln in meinem Oberkörper und meinen Beinen anspannten.
„Genau so“, sagte sie, „du machst das ganz toll.“
Ich schloss die Augen. Es war unglaublich entspannend. Der Frotteestoff wischte über meine Haut, saugte die störenden Tropfen auf und hinterließ saubere, dampfende, rosa Poren zurück. Ich fühlte mich wie neugeboren und ich wollte mich auch so benehmen.
„Fuß hoch.“ sagte sie.
Sie war schon fast fertig, leider.
„Welchen?“
„Den rechten.“
Ich nahm ihn hoch, und das Tuch wischte über meine rechte Sohle. Ich hatte schon so lange auf dem Fell gestanden, dass sie bereits trocken war, aber das hätte uns beide nicht weniger interessieren können.
„Linker Fuß.“
Ich setzte den einen ab und hob den anderen an, und auch er kam in den Genuss des weichen Stoffs.
„So“, sagte sie, „fertig.“
Ich öffnete die Augen und sah, wie sich vor mir Silvia vom Boden erhob. „Von mir aus hättest du ewig weitermachen können.“ sagte ich.
„Ja? Bist du sicher? Freust du dich gar nicht auf deine Windel?“
„Doch. Bitte zieh mir meine Windel an.“
„Noch nicht“, sagte sie, „erst einmal muss ich mich selbst abtrocknen. Dann machen wir weiter.“
„Soll ich das für dich machen?“ fragte ich. Mir kam es nur fair vor, es ihr anzubieten, nachdem sie das selbe für mich getan hatte. Es war natürlich ein dummer Vorschlag, und ihr befremdeter Blick ließ mich das auch sofort spüren. „Was du für Ideen hast! Das mache ich lieber selber.“
Sie zog ein zweites Tuch aus dem Regal und tupfte sich ab, ohne den Badeanzug auszuziehen. „Geht sofort weiter“, sagte sie, „ich mache schnell.“
Mir fiel etwas ein. Silvia hatte mir doch eben in der Wanne gesagt, dass ich die Toilette benutzen konnte. Ich ging also zur Kloschüssel und klappte den Deckel hoch. Ich hätte mich jetzt einfach auf die Brille hocken und den Dingen ihren Lauf lassen können, aber das wollte ich nicht. Das wäre etwas gewesen, dass so auch Silvias großer Bruder getan hätte, zumindest wenn sie nicht gerade einen Meter neben ihm gestanden hätte. Ich wollte etwas anderes machen. Ich stieg mit den Füßen auf die Brille, dann ging ich in die Hocke. Es war, als ob ich über einem Töpfchen hockte.
„Guck mal.“ sagte ich.
Silvia schaute belustigt, während sie den Kopf quer legte und sich Wasser aus den Haaren strich.
„Ist das jetzt deine neue Sache? Dass du mir was vorpinkelst?“
„Das ist doch das letzte Mal heute.“
„Und wenn es nicht das letzte Mal wäre? Würdest du es dann öfters machen wollen?“
Ich dachte kurz darüber nach. „Ich weiß nicht“, sagte ich dann, „würdest du es nicht wollen?“
Sie machte eine nachdenkliche Geste mit dem Mund. „Also, so ganz ist es nicht meins, ehrlich gesagt. Ich finde es komisch, dass du das machst. Aber dann, andererseits … ich kann nicht sagen, dass es komischer wäre als das, was wir sonst machen.“
Für einen Moment sagten wir beide gar nichts und sahen beide nur auf meinen Penis, der über der Schüssel baumelte. Es kam nichts. Ich dachte, ich hätte gemusst, aber nun musste ich gar nicht.
„Aber mach ruhig. Heute ist das letzte Mal. Da kannst du ruhig auch mal was machen, was du schon immer machen wolltest. Genieß es.“ sagte sie.
„Vielleicht hättest du dich mich mit der Zeit daran gewöhnt.“ sagte ich.
„Das glaube ich eher nicht. Vielleicht ist das ja ein Zeichen, dass es ganz gut ist, dass wir aufhören. Findest du nicht?
Ich spürte, dass nichts mehr kommen würde. „Nein.“ sagte ich leise.
„Ach Julian“, sagte sie, legte das Handtuch beiseite und reichte mir die Hände, „komm, wir machen uns ein schönes letztes Mal. Da kommt nichts, oder?“
„Nein. Da kommt nichts.“
„Dann gib mir deine Hände.“
Ich legte meine Hände in ihre und sie half mir von der Schüssel herunter.
„Und jetzt wickelst du mich?“ fragte ich.
„Fast“, sagte sie, „eine Sache will ich noch machen.“
Sie nahm einen Gegenstand aus dem Regal, den ich bislang gar nicht beachtet hatte, und hielt ihn mir hin. „Hier.“
Eine rosa Dose. Von ihrem Deckel strahlte ein Baby, darüber stand „Baby Pflege Creme“. Es war keine Dose aus meinem Geheimfach, Silvia hatte sie besorgt. Manchmal tat sie das, um mich zu überraschen. Die Marke kannte ich, Silvia hatte sie schon mal geholt, und ich erinnere mich, sie gemocht zu haben. Sie hatte eine angenehm glatte Konsistenz gehabt und war schnell eingezogen. Sie war es würdig, die letzte Creme zu sein, mit der ich an einem Donnerstagabend von meiner Schwester eingecremt werde.
„Soll ich mich hinlegen?“ fragte ich.
„Nein. Du sollst stehenbleiben.“
Es war eine dumme Frage gewesen, das gebe ich zu. „Holst du meine Unterlage?“ fragte ich.
„Wozu?“
„Damit ich mich hinlegen kann.“
„Ich habe doch gesagt, dass du stehenbleiben sollst.“
Das verwirrte mich ein bisschen. „Das war kein Witz von dir?“
Sie lachte einmal kurz und nervös. Es war einer dieser Momente, in denen ich merkte, dass Silvia Spaß an dem hatte, was sie tat. „Nein“, sagte sie, „das war kein Witz. Heute machen wir das mal ein bisschen anders als sonst.“
Sie öffnete die Dose. Zu meiner Überraschung tauchte Silvia Zeige-, Mittel- und Ringfinger in die Dose, fuhr einmal durch die Masse und hielt kurz darauf ein gutes Drittel des Doseninhalts in der Hand.
„Was machst du da?“ fragte ich. Ich ahnte es, aber ich wollte, dass sie es sagte.
„Ich creme dich ein.“
„Soviel brauchst du doch nicht.“
„Ich creme dich ganz ein.“ Sie klatschte mir die Masse an die Brust. Sie fühlte sich kühl an. „Ganz. Von Kopf bis Fuß.“
Ich stieß ein ungläubiges Lachen aus. „Was? Wirklich?“ Ich war wie elektrisiert. Gleich würde ich sie überall spüren. Überall. Nicht nur unter der Windel. Diese beiden Schichten, die dünne Creme und die dicke Windel fühlten sich immer so herrlich zusammen an. Kurze Zeit nachdem wir mit den Cremes begonnen hatten, hatte ich einen positiven Effekt bemerkt. Meine Haut war tatsächlich zarter und, wenn ich mich nicht irrte, rosiger geworden. Ich hatte hier in diesem Badezimmer gestanden und, wie ich es vorher nie getan hatte, meinen Po im Spiegel betrachtet, ihn angehoben und eingedrückt. Er war elastischer und glatter geworden. Ich mochte die Creme. Die Idee, sie überall aufzutragen, war mir aber noch nie gekommen.
Silvia trat noch einen Schritt näher. Ihre Augen glänzten. „Mach die Augen zu.“
Ich schloss die Augen. Im nächsten Moment spürte ich ihre Finger über meine Wangen streichen.
„Das ist so …“ begann ich, aber Silvia beendete meinen Satz. „Gesicht stillhalten.“ sagte sie und ich gehorchte. Mit großzügigen Bewegungen verwischte sie die Creme über meine Wangen, dann tupfte sie sie mit den Zeigefingern entlang der empfindlichen Stellen auf. Ganz besonders schön fühlte es sich an, als sie über meine Augenlider rieb. Es war wie eine Massage. Auch die Ohren ließ sie nicht aus. Es war ein wunderbares Geräusch, die gefetteten Finger in meiner Muschel zu hören. Ich war fast ein wenig enttäuscht, als sie sich dem Hals zuwandte, aber der großartige Kitzel, den ich spürte, als ihre Hände über meine Halsadern strichen, machte mir klar, wie viel Herrlichkeit mir noch bevorstand. Ich vertraute meiner Schwester über alles. Sie durfte alles mit mir machen, und in gewisser Weise tat sie das auch.
„Streck die Arme seitwärts. Wie ein Flieger.“ sagte sie.
Ich tat, was sie sagte. Ich wusste nicht, ob es jetzt, wo sie mit meinem Gesicht durch war, in Ordnung wäre, wenn ich etwas sagte, oder ob ich wieder die Augen aufmachen durfte, aber ich wollte beides gar nicht. Ich wollte einfach nur dastehen und fühlen.
Ich kicherte ein bisschen als sie die Creme unter meinen Achseln auftrug. Ich genoss, wie sie sich Zeit für jeden einzelnen Finger nahm. Am Oberkörper benutzte sie die vollen Handflächen. Es tat gut, als sie so über meinen Bauch rieb, als ob ich Bauchweh hätte und sie es lindern wollte. Nachdem sie mit dem Rücken durch war, gab sie mir einen Klaps auf den Po.
„Spreiz die Beine.“ Ich stellte mich so auf, dass ein halber Meter zwischen meinen Füßen lag.
Sie klapste nochmal.
„Weiter.“
Ich war überrascht, sagte aber nichts, sondern kam ihrer Anweisung nach. Ich stellte die Füße soweit auseinander, dass es gerade keine unangenehme Haltung war. Ich musste so dagestanden haben wie der Koloss von Rhodos in meinem Buch über die sieben Weltwunder. Er sah vielleicht majestätischer aus, aber er hatte sich bestimmt nicht besser gefühlt als ich in diesem Moment. Zwischen seinen Beinen waren Schiffe in den Hafen ein- und wieder ausgefahren. Ich spürte, wie Zeige- und Mittelfinger meiner Schwester zwischen meine Pobacken glitten. Vor sechs Monaten wären wir beide schockiert gewesen von der Vorstellung, dass das jemals passieren könnte, jetzt war es ganz natürlich, ein Teil des Ganzen, und ich genoss es unendlich. Eine Pause, sie wechselte die Position. Ich spürte, wie die Spitzen dreier Finger sanft die Spitze meiner Vorhaut griffen und an ihr meinen Penis vom Körper zogen, damit die Creme leichter entlang seiner Seiten gestrichen werden konnte. Während sie sich meine Beine vornahm, mit beiden Händen an einem gleichzeitig, so ähnlich wie ein Tier im Dschungel an einem Baum klettert, merkte ich den Effekt der Creme. Dort, wo sie bereits eingezogen war, machte sich eine wohlige Wärme breit. Es war, als wäre mein Körper in eine warme, unfassbar weiche Decke gehüllt.
Silvia klapste mir auf den Po.
„Du kannst dich jetzt hinlegen.“
Ich machte die Augen auf und senkte den Blick. Das gelang mir nur langsam. Meine Muskeln waren so wunderbar entspannt, dass ich den Hals nur in Zeitlupe bewegen konnte. Mein Körper glänzte überall. Er war wunderschön. Silvia kniete vor mir und sah mich mit einem Blick an, der verriet, wie viel Spaß sie ihrerseits empfunden hatte.
„Ich kann mich nicht hinlegen“, sagte ich, „ich brauche erst noch meine Unterlage.“
Das Sprechen fiel mir schwer. Selbst mein Kehlkopf war tiefenentspannt.
Sie schüttelte den Kopf. „Heute nehmen wir nicht die Unterlage. Leg dich aufs Fell.“
Ich sah auf das zottelige Ding unter meinen Füßen. Ja, es war flauschig gewesen, aber als Wickelunterlage erschien es mir dennoch ungewöhnlich.
„Auf das Fell? Sicher?“
„Na klar!“
„Ist das auch sauber? Wo hast du das denn her?“
„Sag ich nicht. Aber es ist sauber. Vertrau mir.“
Ich hatte gerade fünf Minuten lang nackt vor ihr gestanden, mit geschlossenen Augen und ohne einen Muskel zu rühren, und mich an jedem Zentimeter meines Körpers berühren lassen. Ich denke, ich hatte zur Genüge bewiesen, dass ich ihr vertraute. Das Fell aber … ich konnte einfach nicht den Gedanken abstreifen, dass sie es vom Dachboden geholt hatte, wo sich im Lauf der Jahre Ungeziefer eingenistet und alle Arten von Widerlichkeiten hinterlassen haben musste.
„Ist es auch wirklich sauber?“ fragte ich.
Sie macht mit dem Zeigefinger eine eindeutige Geste nach unten. „Leg dich hin.“ sagte sie.
‚Das ist meine große Schwester‘, dachte ich, ‚ich muss tun, was sie sagt.‘
Und ihr Wort, dass mit dem Fell alles in bester Ordnung war, genügte mir. Ich legte mich nieder und nahm wieder meine altbekannte Position ein, Hände an die Unterschenkel, den Unterleib präsentierend. Es war soweit.
Etwas wehmütig sah ich, wie Silvia die Windel hochhielt. Die letzte Windel. Sie zog eine gespielt traurige Schnute. „Einmal noch.“ sagte sie.
„Ich bin bereit.“ sagte ich.
„Dann hoch.“
Das ging mir eine Winzigkeit zu schnell.
„Klappst du mir noch einmal auf den Po?“
Sie lächelte. „Hat dir das immer gefallen?“
Ich errötete ein wenig. „Ja.“
Sie klapste.
„Hoch.“
Ich hob meinen Po an und sie schob mir die Windel unter.
Der nächste Klapser. Es würde der letzte gewesen sein.
„Runter.“
Ich senkte mein Becken. Es war herrlich, als mein rosiger, eingecremter Po sich in der Flauschigkeit niederließ. Es war vollkommen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nur auf das Gefühl. Wie Silvia ein letztes Mal den vorderen Teil hochschlug, ihn sanft um mich schloss und dann passgenau die Streifen schloss.
„Fertig.“ sagte sie.
Ich machte die Augen auf. Vor mir kniete meine Schwester und sah mich liebevoll und wehmütig an.
„Wie ist es?“ fragte sie.
„Ich bin im Himmel.“
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein. Du bist in deinem Badezimmer und liegst auf dem Boden und in weniger als zehn Minuten kommen deine Eltern wieder. Wir müssen aufräumen.“
„Ich kann nicht.“ sagte ich. Das stimmte. Ich fühlte mich gerade vollkommen außerstande irgendetwas anderes zu tun als einfach nur dazuliegen. Für mehr als das war ich noch zu jung.
„Du musst aufstehen.“ sagte sie.
„Lass mich liegenbleiben.“
„Dann sehen dich Mama und Papa so. Was die wohl sagen?“
„Das ist mir egal. Sollen die es ruhig wissen.“ Ich wunderte mich selbst ein wenig über meine Worte, aber ich merkte, dass ich sie ernst meinte. In diesem Moment war ich war gar nicht fähig, mir Sorgen wegen irgendwas zu machen.
Über Silvias Gesicht, das bis dahin ähnlich entspannt wie meines gewesen war, huschte ein Schatten von Anspannung. „Das meinst du doch jetzt nicht im Ernst, oder?“
„Warum nicht?“ fragte ich. In dem Moment fiel mir wirklich kein Grund dagegen ein. So unfähig war ich zum Denken.
Silvia erkannte, dass es keinen Zweck hatte, mit mir zu diskutieren. Sie stand auf und reichte mir die Hand. „Steh auf.“
Ich blieb einfach nur liegen und betrachtete sie neugierig, als ob ich eine Sendung im Fernsehen schaue.
Ohne lange zu zögern griff sie nach meiner Hand und zog. Mühsam raffte ich mich hoch. Ich hatte gesagt, was ich wollte, aber mir fehlte die Kraft, meinen Willen durchzusetzen. Wenn Silvia meinen Körper in eine andere Richtung drängte, dann war das auch gut.
„Komm. Los jetzt.“ In ihrer Stimme war jetzt keine Ruhe mehr. Sie drückte die Badezimmertür auf und zog mich an ihrer linken Hand hinter sich her. Ich watschelte ihr fröhlich nach. Nach der feuchtwarmen Luft im Badezimmer fühlte sich die Kälte des oberen Flurs unangenehm an, aber das war egal. Silvia hätte mich überall hinführen können, ich hätte nicht protestiert. Stattdessen ging es bloß zurück in mein Zimmer. Sie schlug die Decke meines Betts zurück und brachte mich ins Bett – wirklich sie musste mich neben das Bett stellen, mich an den Schultern nach unten drücken, so dass ich auf der Matratze zum Sitzen kam, und dann noch meine Beine ins Bett hieven. Ich ließ alles mit mir machen, aber von selbst machte ich nichts. Ich grinste nur selig, während Silvias Nervosität sichtlich wuchs. Sobald sie mich unter der Decke hatte, rannte sie aus dem Zimmer. Ich hörte, wie sie im Badezimmer aufräumte, wie sie eine Tür aufriss und eine andere zuschlug und zwischen ihnen her rannte, während ich nur zufrieden an die Decke starrte. Ich drehte mich nicht um, als die Tür zu meinem Zimmer aufging und Silvia hektisch Dinge in mein Fach räumte, die doppelte Wand wieder einsetzte – wofür sie drei Versuche benötigte – und schließlich die Schuhe wieder davor räumte.
„Julian?“
„Hm?“ machte ich und sah doch auf. Sie stand im Türrahmen, immer noch im Badeanzug, die nach dem Bad ungekämmten Haare zerzaust. Ihre linke Hand war auf der Klinke, die rechte am Lichtschalter.
„Ich mache jetzt aus. Ich werde Mama und Papa sagen, dass du früh zu Bett gegangen bist. Am besten ist, wenn das auch stimmt. Also schlaf jetzt bitte.“
Wie sie das sagte, konnte man nicht glauben, dass sie in Wirklichkeit meine kleine Schwester war.
„Kriege ich einen Gutenachtkuss?“
„Julian, bitte …“
„Bitte!“
Silvia gab sich einen Ruck, rannte durchs Zimmer und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Es war so wundervoll, wenn sie das tat, auch wenn ich spürte, dass sie in Eile war.
„Und jetzt schlaf gut.“ sagte sie.
„Danke.“ sagte ich. Ich sah, wie angespannt sie war, aber trotzdem hatte sie sich die Zeit genommen. Sie drehte sich um und rannte hinaus. Die Tür schließen und das Licht ausknipsen war eine einzige Bewegung. In der Dunkelheit hörte ich sie noch einmal zwischen dem Badezimmer und ihrem Zimmer herrennen, dann schloss sich ein letztes Mal eine Tür, und dann war Ruhe.
Die Leuchtziffern meines Digitalweckers verrieten, dass es zehn Minuten nach der angekündigten Zeit war, als die Haustür aufging und meine Mutter wieder eintrat. Die ganze Hast war also völlig unnötig gewesen. Wir hätten uns gar nicht so beeilen müssen. Der Gedanke, dass Mama auch genauso gut zehn Minuten zu früh hätte ankommen und mich benommen und gewindelt auf dem Badezimmerboden hätte vorfinden können, kam mir erst am nächsten Tag.
Ich hörte, wie Mama nach oben rief, dass sie wieder da war, und dann hörte ich die Tür zu Silvias Zimmer, die Schritte meiner Schwester auf der Treppe und die Stimmen der beiden im Wohnzimmer. Ich hörte nicht, was sie sagten, aber sie klangen ganz normal, als ob sie über etwas Alltägliches plauderten, und dann ebbten sie ganz ab, als die beiden in die Küche gingen.
Es war alles gut gegangen. Wunderbar sogar. Das einzig Traurige war, dass es das letzte Mal gewesen war. Ruhig lag ich da, atmete flach und regte keinen Muskel. Meine Haut fühlte sich fantastisch an, und mein Unterleib steckte in dem besten, in dem ein Unterleib stecken kann. Trotzdem konnte ich nicht einschlafen. Ich konnte es einfach nicht. Es fehlte noch etwas, das spürte ich.
Wieder Schritte auf der Treppe. Sie waren dieses Mal etwas schwerer, es waren nicht Silvias. Ich hörte, wie sie den Flur entlangkamen und vor meiner Tür Halt machten. Es klopfte. „Julian? Schläfst du?“ fragte meine Mutter.
Wenn ich nichts gesagt hätte, hätte sie vermutlich abgelassen und wäre wieder nach unten gegangen. Das wusste ich. Ich sagte trotzdem „Nein, noch nicht.“ Mir fehlte schlicht und ergreifend die Fähigkeit zu lügen.
Die Tür ging einen Spaltbreit auf und meine Mutter steckte den Kopf zur Tür herein. Sie knipste das Licht an. Das war nicht schlimm. Es war nur mein Kopf, der aus der Decke hervorlugte und Silvia hatte alle belastenden Gegenstände in dem Fach verstaut, von dem meine Mutter nichts ahnte. Es war dennoch das erste Mal, dass ich, seitdem ich trocken geworden war, meiner Mutter gegenüber nur in Windeln anwesend war. Aber das machte mir in diesem Moment nichts aus. Gerade hätte mich die ganze Welt so sehen dürfen.
„Silvia hat gesagt, dass du früh zu Bett gegangen bist. Fühlst du dich krank?“
„Nein. Es ist alles in bester Ordnung.“
„Wirklich?“
„Wirklich. Ich fühle mich gut.“ Ich hätte auch ‚fantastisch‘ sagen können, aber dann wäre meine Mutter zu recht misstrauisch geworden.
Auch so schien sie etwas an meiner Antwort merkwürdig zu finden. „Deine Stimme“, sagte sie, „du klingst so weich.“
„Ich hatte schon etwas gedöst.“ sagte ich.
Ich wusste nicht, ob sie die Antwort überzeugte, aber ihr fiel gerade wohl auch kein anderer möglicher Grund ein. Dafür bemerkte sie etwas anderes. „Sag mal … was riecht denn hier so? Ist das Aprikose?“
„Ja. Aprikosen-Shampoo.“ Welchen Sinn hätte es gehabt zu leugnen? Meine Mutter wurde stutzig.
„Hast du dir damit die Haare gewaschen? Ich dachte, du hasst Aprikosen?“
„Ich hatte mich in der Flasche vergriffen.“ Also konnte ich doch noch lügen. Ich war stolz auf mich.
Meine Mutter ließ aber nicht locker. „Wann denn?“
„Gerade eben. Ich hatte noch gebadet.“
„Hm.“ machte meine Mutter. Ich kannte das Geräusch. Sie machte es, wenn ihr etwas komisch vorkam.
„Was ist denn?“
„Es ist nur … Silvia hatte gar nichts davon gesagt. Sie hatte mir erzählt, dass sie gebadet hätte.“
„Ja“, sagte ich, „wir haben zusammen gebadet.“
Für einen Moment sagte meine Mutter gar nichts. Sie starrte mich einfach nur an und blinzelte ungläubig, und ich sah zurück mit all meiner Seelenruhe. Dann, endlich, lachte sie. „Ach, Julian, also, für einen Moment, da hatte ich das jetzt fast geglaubt! Du, das war schön, als ihr das früher wirklich gemacht habt.“
„Ja“, sagte ich, „nicht wahr?“
„Ich kann Silvia ja mal fragen, ob sie das gerne wieder machen würde. Dann könnten wir Wasser sparen.“ Sie grinste neckisch. Sie hatte ja keine Ahnung.
„Ich glaube, das macht sie nicht mehr.“ sagte ich.
„Das glaube ich auch“, sagte Mama und lachte noch einmal, „und jetzt schlaf gut. Bis morgen!“
Sie wollte schon das Licht wieder ausmachen, da sagte ich noch: „Mama?“
„Ja?“
„Ich hab dich lieb. Und Papa. Und Silvia.“
Meine Mutter musterte mich. Ich sah, wie sie es einerseits wahnsinnig freute, dass ich das gesagt hatte, wie es sie aber andererseits völlig überrumpelt hatte. „Ist wirklich alles in Ordnung?“ fragte sie.
„Ja. Ich wollte das nur einmal sagen.“
Ich sah, wie es in ihrem Kopf arbeitete, und ich sah, wie die Überzeugung von ihr Besitz ergriff, dass sie das lieber einfach so annehmen sollte. „Wir haben dich auch lieb. Und jetzt schlaf gut.“ Und sie ging nun wirklich.
Autor: Winger(eingesandt via E-Mail)
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Bin ich der einzige, der das Gefühl hat, dass das der letzte Teil war.
Leider, dabei war die Geschichte so wunder wunderschön!!
Es wirkt wirklich wie das Ende einer schönen Kurzgeschichte. In jedem Falle gelungen. Planst du weitere Kapitel? Und falls nicht, hoffe ich doch, dass du an der nächsten Geschichte sitzt.
Ja, mir ist auch aufgefallen, dass das Ende dieses Teils so wirkt, als ob es das Ende der ganzen Geschichte wäre. Dem ist aber nicht so: Es wird noch einen weiteren Teil geben, mit einem ein wenig runderen Ende.
Und an der nächsten Geschichte sitze ich auch schon, auch wenn ich leider ein sehr langsamer Schreiber bin.
Also, so oder so: Da kommt noch was 🙂 .