Escortbaby (28)
Windelgeschichten.org präsentiert: Escortbaby (28)
Natürlich ging dieser Abend vorbei und gefühlt viel zu schnell. An seine Stelle traten die Feiertage und warum auch immer schienen sich John und Sean einig darüber zu sein, sie so familiär wie nur irgend möglich für George und mich zu gestalten. Auch wenn Sean es am Anfang ziemlich blöd fand, dass man in meinem Land die Geschenke am Abend des 24. Dezembers bekam.
„Ich habe es mir so süß vorgestellt.“, gestand er, „Wie ihr zwei euch morgens in Pyjama und Windel ins Wohnzimmer schleicht, um die ersten Pakete aufzumachen.“
Ich verdrehte meine Augen, musste aber Lächeln. George hingegen bekam rote Ohren und zog seine Schultern nach oben, nur um sie dann wieder fallen zu lassen. Da er dabei mit seinen Fingern spielte, war ich mir ziemlich sicher, dass er sich das ganz genauso vorgestellt hatte.
„Ehrlich gesagt bin ich mir nicht mal sicher, ob ich über die Feiertage klein sein möchte.“, gab ich zu. John legte sein Tablet zur Seite und Sean ließ das Buch sinken, welches er gerade vorlas: „Mina, das würde dir sicher guttun.“
„Und genau das weiß ich eben nicht.“, gab ich zu, „Letztes Jahr war Weihnachten… schwierig. Und ich weiß nicht… ich will hier keine miese Stimmung verbreiten.“, gab ich zu.
John nickte und sagte: „Wie du dich wohlfühlst, Spatz.“
„Können wir die Geschenke dann trotzdem heute Abend aufmachen?“, fragte George und sah Sean aus großen Augen an. Dieser lachte und küsste seinen Jungen auf die Wange: „So ungeduldig, junger Mann?“
„Noch viel schlimmer!“, sagte George und Sean wuschelte ihm durchs Haar. George und er lächelten sich liebevoll an und ich war mal wieder überrascht, dass es George so leicht fiel in den Littlespace zu rutschen. Scheinbar hatte das schon immer in ihm geschlummert und nun hatte er tatsächlich Raum, sich neu zu entdecken. Sean sah zu mir, „Ehrlich gesagt, verstehe ich gar nicht, wie das funktionieren soll. Der Weihnachtsmann bringt doch die Geschenke, wenn die Kinder schlafen.“
„Oder einen Spaziergang machen.“, sagte ich, „Mein Papa ist mit mir immer losgezogen. Wir sind mit einer Laterne oder Taschenlampe die Feldwege in der Dämmerung lang und wenn es dann dunkel war, sind wir nach Hause. Opa hat mit einem Glöckchen hinterm Haus gewartet und es geläutet, wenn wir in Hörweite waren und Papa hat dann jedes Mal übertrieben eine Hand ans Ohr gelegt und mich gefragt, ob ich das auch höre und das die Glöckchen vom Rentierschlitten wären.“, ich musste schwer schlucken, „Oma hat drinnen gewartet und so getan, als würde sie mit dem Weihnachtsmann reden. Im Wohnzimmer war das Licht aus und wenn sie dann die Lichter am Baum und ein paar Kerzen anhatte, hat sie eine alte Schallplatte mit Weihnachtsmusik aufgelegt, dann erst durfte ich reinkommen…“, jetzt musste ich abbrechen. Eigentlich hatte ich gerade häkelnd auf dem Sofa gesessen, aber als John seine Arme ausbreitete, nahm ich die Einladung an. Ich drückte mein Gesicht an seinen Hals und er wog mich leicht, während seine Hand über meinen Rücken strich: „Es ist in Ordnung, Mina. Feiertage sind am Anfang schwer. Trauer braucht ihre Zeit.“
„Ich dachte, dass es mir leichter fallen würde.“, schluchzte ich leise, „Habs ja schon zweimal hinter mir.“
Statt einer Antwort zog mich John nur enger an sich. So blieben wir, bis Sean ein Fläschchen vor uns abstellte. John sah mich fragend an und ich gab zu: „Ich will das jetzt nicht entscheiden müssen.“
„Gut. Dann tu ich das. Okay, Baby? Sag mir nur, ob du bereit bist, die Verantwortung an mich abzugeben.“
Ich nickte und John rückte mich auf seinem Schoß zurecht: „Erinnerst du dich an unser Safeword.“
„Ja, Daddy.“, ich kämpfte noch immer gegen das aufkommende Gefühl der Traurigkeit und John griff nach dem Fläschchen. Ich schloss meine Augen und nahm es an. Trotzdem war es anders als sonst. Ich brauchte Pausen, weil ich schluchzen musste und jedes Mal zog mich John hoch und hielt mich, bis ich mich beruhigt hatte: „Es tut mir leid.“, brachte ich dazwischen hervor, „Es tut mir so leid.“
„Das muss es nicht. Alles ist gut.“, sagte John und ich wagte es nicht George und Sean anzusehen, „Ich mache Weihnachten kaputt.“
„So ein Unsinn kann auch nur von dir kommen.“, hörte ich Sean sagen und George hielt mir seinen Schnuller hin. Ich schüttelte meinen Kopf und er legte ihn auf dem Tisch vor mir ab.
Ich lag noch immer in Johns Arm, als er fragte: „Vielleicht hilft es dir darüber zu erzählen. Wie war es, Mina? Wie war dein letztes Weihnachten?“
Sollte ich darauf wirklich antworten? Es war schwer gewesen und nicht schön. Ich hätte mir mehr Mühe geben müssen! Da Omas Rente in den vermeintlichen Kredit lief und ich versuchte damit einen Teil der Nebenkosten abzudecken, fiel alles etwas sparsamer aus. Mein Blick wanderte durch den weihnachtlichen Raum. Ich sah die Kerzen, den Baum und lauschte dem prasselnden Feuer. Ein Räuchermännchen qualmte vor sich hin und Sean hatte begonnen eine Mandarine zu schälen.
„Nicht so wie jetzt.“, gab ich zu, nachdem ich die Stimmung des Zimmers aufgenommen hatte. Ich setzte mich sogar etwas auf und legte meinen Kopf auf Johns Schulter. So konnte ich den Baum sehen und nahm die Einzelheiten war. Die Silberkugeln, das Lametta, die Lichterkette, welche noch nicht brannte und die gläsernen Schneeflocken, die Sean auf dem Weihnachtsmarkt erworben hatte.
„Es war nicht so schön, wie jetzt. Ich hatte versucht Weihnachten in Omas Schlafzimmer zu verlagern. Sie konnte ja kaum noch laufen. Wir hatten so einen kleinen Baum in einem Topf, den habe ich ihr auf die Kommode gestellt. Die Päckchen… ich habe ihr ein Paar Socken gestrickt, weil ihr immer so kalt war und eine Decke gehäkelt, außerdem gab es ein Buch, dass ich ihr vorlesen wollte…“, hier brach meine Stimme, „Wir haben es nicht beendet… Ich glaube, es liegt da noch immer auf dem Nachtschrank. Mir selbst habe ich nichts gekauft, ich habe mir eingeredet, dass das schon in Ordnung war und habe am Ende doch heulend in meinem Zimmer gesessen. Ich wusste ja, dass Oma nicht konnte und trotzdem war ich enttäuscht.“, ich rieb mir übers Gesicht, aber es half nicht gegen die Tränen und den Schmerz, „Ich war so ein dummes Kind! Oma hat sich so bemüht etwas von dem Weihnachtsessen zu sich zu nehmen und gute Laune zu zeigen. Es gab keine ganze Ente, nur Entenbrust, mit Klößen und Rotkohl. Ich habe gesehen, wie sie es sich reinquält, aber nichts gesagt. Ich dachte mir, dass es ihr vielleicht Kraft gibt, wenn sie sich endlich mal zum Essen zwingt.“, ich wischte mir die Tränen ruppiger von den Wangen, „Sie hat alles erbrochen und i-ich war so sauer, weil ich mir so viel Mühe gemacht habe. Das Fest sollte für sie richtig, richtig schön werden und ich habe es vermasselt. Am Ende haben wir Sissi getrennt geschaut, sie auf dem kleinen Fernseher in ihrem Zimmer und ich hier bockig vorm Kamin.“
Ich wollte mir die Fäuste auf die Augen drücken, doch John ließ es nicht zu. Er hielt meine Hände fest, obwohl seine Arme mich noch immer umschlangen: „Ich weiß, dass du wütend auf dich bist, aber tu dir nicht selbst weh, Mina. Du warst überfordert und das war dein gutes Recht. Du trägst keine Schuld. Sieh mal, deine Oma hat es dir immer schön gemacht und du wolltest ihr etwas zurückgeben. Für sie wird es genauso schwierig gewesen sein, dass annehmen zu müssen, anstatt dir, ihrem Liebling, das Fest zu geben, dass du verdient hättest.“
Ich schüttelte meinen Kopf und John flüsterte eindringlich: „Doch, Mina. Du bist ein liebes Mädchen, aber du kannst nicht alles allein bewältigen. Dafür bist du nicht gemacht.“
John flüsterte mir weiter Dinge zu und die Wahrheiten hinter seinen Worten sickerten langsam zu mir durch. Es dauerte, bis ich mich beruhigt hatte, fühlte mich aber seit langem nicht mehr schuldig. Ja, ich hatte mich bemüht und ja, heute würde ich einiges anders und sicher besser machen. Aber damals habe ich es nicht gekonnt. Ich war an einem Punkt, der mir klar machte, dass das Leben, welches ich kannte, so nicht mehr stattfinden würde und in meinem Inneren hatte ich geglaubt, das nächste Weihnachtsfest allein verbringen zu müssen. Mir war klar geworden, dass ich alles verloren hatte, obwohl der Zeitpunkt noch nicht gekommen war.
„Kann ich mich ein bisschen ausruhen?“, fragte ich, nachdem eine riesige Last von meinen Schultern gefallen war. John stand kommentarlos auf, um mich nach oben zu bringen und ich schloss in seinem Arm die Augen. Ich war erschöpft und hätte alles mit mir machen lassen, wenn ich dafür nur ins Bett käme. In meinem alten Kinderzimmer zog mir John die Decke bis zum Kinn und ich drehte mich auf die Seite. Seine Hand strich mir durchs Haar, er sagte aber kein Wort. Ich murmelte: „Danke.“
„Gern geschehen, Kleines.“
Ich kaute auf meiner Unterlippe und drehte mich dann doch nochmal zu ihm: „Ich weiß nicht, wie ichs machen soll. Die Reise ohne dich.“
Er holte tief Luft und sah zu meinem gepackten Rucksack. Offensichtlich kämpften in John zwei Seiten und letztlich suchte seine Hand meine: „Du schaffst das schon. Wir haben doch darüber gesprochen. Du findest dich selbst und ich löse alte Blockaden. In einem halben Jahr treffen wir uns hier und lernen uns neu kennen.“
„Darf ich Kontakt zu dir haben?“
„Ich bitte darum!“, kam es entrüstet und ich schnaubte. John wirkte verlegen: „Es war ein Fehler dich aus allem raushalten zu wollen. Ich werde mir ein zweites Handy besorgen, das ist dann nur für dich reserviert.“
„Hältst du mich auf dem Laufenden?“
Kein Zögern und keine Zweifel. John nickte und drückte meine Hand. Ich musste lächeln und sagte dann gähnend: „Gut, ich halte dich auch auf dem Laufenden. Rettest du mich, wenn ich nicht weiterkomme?“
Er musste lachen: „Jemand wie du findet immer einen Weg. Aber ja, wenn du mich darum bittest, werde ich kommen und dich retten.“
Ich nickte und schloss meine Augen, als ich ihn sagen hörte: „Tust du mir auch einen Gefallen?“
„Jeden.“
„Kündige beim Escortservice.“
Mir wurde heiß und kalt. Ich nickte und sagte: „Nimm dein Geld zurück, ich will es nicht!“
„Du hast es dir verdient!“, sagte er engstirnig und ich stöhnte auf, „Es kommt mir falsch vor. Ich liebe dich doch.“
Ein Kuss auf meine Stirn: „Und das ist ganz wunderbar. Trotzdem lernst du jetzt Geld, welches in dein Leben kommt, anzunehmen. Haben wir uns verstanden?“
Es fehlte nur noch das „junge Dame“, ich schmunzelte in mich hinein und ergab mich dann der Müdigkeit. Es hatte keinen Sinn mit John darüber zu diskutieren und das ich in diesen Bezügen besser keine Wiederworte hatte, war mir allzu gut in Erinnerung.
Am Abend wollte ich nicht klein sein, also zog ich mir ein hübsches rotes Kleid mit einem schwarzen Jäckchen und dazu passender Strumpfhose an. Außerdem trug ich ein silbernes Armkettchen, welches ich zur Jugendweihe bekommen hatte.
George schien eine ähnliche Entscheidung getroffen zu haben, denn er stand im Smoking vor mir. Sein sonst so wuscheliges Haar war zurückgegelt und seine Brille war mal nicht voller Fingerabdrücke. Sean stand vor der Wohnzimmertür, als ich die Treppe nach unten kam und ich sah ihn fragend an: „Wo ist John?“
In dem Moment gingen im Wohnzimmer die Lichter an und ich musste Lächeln. Es gab kein Glöckchen, das ertönte, aber die Drei hatten wohl die Schallplatte gefunden. John trat aus der Tür und sah zu mir auf.
„Meine Prinzessin.“, entfuhr es ihm und ich sah verlegen auf die Stufen, bevor ich nach unten kam. Sean nahm Georges Hand und dieser legte seinen Kopf an Seans Schulter. Ich sah, dass er etwas in Seans Ohr flüsterte und dieser runzelte die Stirn: „Nein, Mina ist jetzt groß.“
„Und ich?“, Georges Kopf schnellte nach oben. Ich sah Seans für ihn typisches Grinsen: „Du mein Schatz, bis immer Daddys kleiner Junge.“, dabei tätschelte er Georges Hintern und ich bildetet mir ein, ein leises Rascheln zu hören. George senkte verschämt seinen Blick, als ich ihn ansah und ich warf Sean einen strengen Blick zu, doch dessen Grinsen wurde nur breiter.
Armer George, ich hätte ihn warnen sollen.
Diese Gedanken waren schnell beiseitegeschoben, als John am Fuß der Treppe meine Hand nahm: „Du siehst wunderschön aus.“
„Danke, du siehst auch sehr adrett aus.“
Er schmunzelte und mir lief ein warmer Schauer über den Rücken, als ich mich erinnerte, dass ihn diese Wortwahl schon einmal amüsiert hatte. John bot mir seinen Arm und ich hakte mich unter: „Ich weiß nicht, wie gut ich den Abend überstehen werde.“, gab ich dabei zu. Er legte seine Hand auf meine: „Wir werden es sehen und ansonsten tut frische Luft manchmal wahre Wunder.“
„Können wir auch einfach so einen Spaziergang machen?“, fragte ich und sein Blick glitt zur Wohnzimmertür, also beeilte ich mich, „Später?“, zu sagen.
„Ja, Spatz. Das können wir sehr gerne machen.“
Die Lichter am Baum brachten ihn zum Leuchten und der silberne Glanz schien sich wie eine Aura im Raum zu verbreiten. Mir wurde warm ums Herz, als ich das vertraute: „Leise rieselt der Schnee“, auf der Schallplatte hörte. Für die Geschenke hatte ich keinen Blick, dafür für den gedeckten Tisch. Sean hatte es scheußlich gefunden, dass es zum Mittag Kartoffelsalat mit Bockwürsten gegeben hatte und hatte sich offensichtlich die Zeit genommen ein, wie er fand, festliches Abendessen vorzubereiten. Ich ging zu dem Tisch und ließ meine Finger über das weiße Tischtuch gleiten. Weißwein stand bereit und die Mitte der Tafel war mit Tannenzweigen, Silberkugeln und Kerzen dekoriert: „Es ist wunderschön geworden.“, sagte ich. Sean machte eine leichte Verbeugung und John schob mir einen Stuhl zurück. Als ich mich setzte fiel George alles aus dem Gesicht: „Wir essen erst?“
„Ja, sonst wird es kalt.“, sagte Sean und als er Georges enttäuschte Miene sah, musste er lachen, „Und das ist der Grund, warum du eine Windel trägst und Mina nicht.“
„Ich dachte die ist, damit ich mir nicht einmache.“, dabei hob George seine Hände und machte Anführungszeichen in der Luft. Sean wollte etwas erwidern, doch ich seufzte: „Familie muss sich an Feiertagen immer streiten, oder?“
„Nur ein bisschen.“, meinte John und setzte sich zu mir, „Und auch nur, wenn die Kleinen zu ungeduldig sind.“
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als George sich etwas verschämt von Sean an den Tisch bringen ließ. Egal wie schmuck er aufgemacht war, aus seiner Haut kam er nicht raus und für Sean war Georges Art nur mehr der Beweis dafür, dass er einen süßen Little fürs Leben gefunden hatte.
Wir aßen Lachs mit Reis auf Spinatgemüse und dazu eine köstliche Buttersauce, von der Sean sich weigerte, mir ihre Zubereitung zu verraten. Dazu tranken wir Wein, hörten Weihnachtsmusik und lachten und scherzten. Jeder holte alte Kamellen raus und als George mit einer Anekdote über Jane, ihn und verbrannten Weihnachtsplätzchen herausrückte, lachten wir nur noch mehr.
„Ey, ich hatte mir damit echt Mühe gegeben.“, maulte George.
„Zuckerguss über verbrannte Plätzchen machen ist trotzdem nicht die Lösung für ein Last-Minute-Geschenk.“, lachte ich und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Mein Bauch tat schon richtig weh und ich holte tief Luft, als ich mich endlich beruhigte.
„Apropos Geschenke…“, nahm George sofort den Aufhänger an und ich sah zu John. Mittlerweile hatte ich auch Lust bekommen mich den Präsenten unterm Baum zu widmen, wollte aber nicht klein wirken. John nahm einen weiteren Schluck Wein und nickte dann: „Ich bin auch neugierig. Sean?“
„Ich glaube viel länger kann ich den Kleinen nicht mehr bändigen.“
George bekam rote Ohren und ich gab Sean unterm Tisch einen leichten Tritt. Als er mich ansah schüttelte ich den Kopf und seine ärgerliche Miene wechselte, als er endlich verstand, dass es George zu viel wurde. Also stand Sean auf und ging zum Baum. Er zog wahllos ein rotes Päckchen hervor und sagte: „John, das ist für dich.“
Ich wurde unruhig. Offenbar hatte Sean die von mir vorbereiteten Sachen nicht nur Kim entwendet, sondern sie auch aus dem Sammelkarton genommen, um sie hübsch einzupacken. Plötzlich kamen mir die Sachen nicht mehr gut genug vor und ich rutschte auf meinem Stuhl herum. John reichte mir seine Hand: „Wollen wir uns dafür aufs Sofa setzen?“
„Auf jeden Fall!“, sagte George und sprang beinahe auf. Ich war da etwas zögerlicher, als ich Johns Hand nahm: „Es ist nichts Besonderes…“
„Alles ist besonders, seit du in mein Leben getreten bist.“, sagte er. Die Aussage war maßlos übertrieben. Allerdings kam ich nicht mehr dazu etwas zu erwidern, denn Sean reichte mir ebenfalls eine kleine Schachtel. Trotzdem hatte ich nur Augen für John, der bedächtig das erste Päckchen aufmachte. Darin lag das Notizbuch, welches ich für ihn gemacht hatte und ich presste die Lippen aufeinander, denn ich wusste, dass ich die Schnittkannten an den Ecken nicht sauber hinbekommen hatte. Johns Finger glitten über den Einband, zeichneten die Mondsichel nach und dann öffnete er es und musste lächeln: „Für meine Erfolge?“
„Ich fand es unfair, wenn es nur um meine geht. Und wenn wir für eine Weile getrennt sind… Vielleicht können wir unsere Bücher bei unserem Wiedersehen austauschen und so die verpasste Zeit des anderen mit seinen Augen durchleben.“, dabei sah ich auf mein cremefarbenes Päckchen mit der silbernen Schleife und dem roten Glöckchen. Ich spürte seine Finger auf meiner Wange: „Das ist eine wunderbare Idee. So werde ich jeden Tag an dich denken.“
Das freute mich so sehr, dass ich zappelig wurde. Die Mundwinkel meines Liebsten zuckten amüsiert, doch er ließ es unkommentiert. Dafür nickte er in die Richtung meines Geschenkes: „Öffnest du es?“
Ich verzog kurz meinen Mund und sah in die Runde: „Ich hoffe keiner von euch hat ein Vermögen für mich ausgegeben.“
George schüttelte seinen Kopf, doch John rieb sich übers Kinn und Sean wirkte mit einem Mal viel zu beschäftigt beim Raussuchen des nächsten Präsents.
Ich ließ mich etwas zurücksinken: „Ihr seid unmöglich!“
„Mina, Schatz, diese Dinge haben für uns kein Vermögen gekostet. Das mag auf dich so wirken, aber dem ist nicht so.“, sagte Sean und nahm sich seine eigene Schachtel. Ich schüttelte meinen Kopf und löste das Klebeband. Ich musste schlucken, als ich einen Schlüssel aus der kleinen Schachtel nahm. Der Anhänger war eine Biene aus Kristallglas. Ich ließ meinen Daumen darüber wandern: „Was ist das?“
„Der Schlüssel zu meinem Apartment.“, sagte John und nahm sein nächstes Päckchen entgegen, als hätte er mir nicht gerade ein neues zu Hause geschenkt.
Ich starrte ihn an und ignorierte, dass Sean mir auch ein neues Geschenk reichte. John tat, als wäre nichts weiter. Er zog Schleife und Geschenkpapier ab, nur um sich lächelnd den Schal um die Schultern zu legen. Sean schnipste mir gegen die Wange: „Ich weiß, dass das enttäuschend ist. Aber dein lieber Onkel hat dir hübsche Anziehsachen und etwas zum Spielen besorgt. Also kannst du deinen Daddy nachher ein schlechtes Gewissen machen.“
Ich schüttelte meinen Kopf und John rückte näher. Er konnte meine Fassungslosigkeit nicht einfach beiseiteschieben und sein schuldbewusster Blick wurde von einem liebevollen: „Zu früh, Baby?“, begleitet.
Jetzt nickte ich und er küsste meine Stirn: „Sieh es als Investition in unsere Zukunft.“
„Aber John, ein Schlüssel zu deinem Apartment…“
„Unseres, wenn du willst.“, er sah zu dem Baum, „Unser Haus, unser Apartment. Ich weiß, dass wir uns jetzt ein halbes Jahr trennen, trotzdem möchte ich dir damit zeigen, dass du auch am anderen Ende der Welt ein zu Hause hast.“
„Ich danke dir.“, mehr brachte ich nicht hervor und als mir Tränen in die Augen stiegen, meinte John, „Es ist wohl Zeit für einen kleinen Spaziergang.“
Ich versuchte mit dem Handrücken mein Schluchzen zu unterdrücken und schüttelte meinen Kopf: „Da sind noch mehr Päckchen für dich.“
„Die liegen später auch noch da. Wenn Georgie sich von seinem Daddy bändigen lässt.“
George bekam rote Ohren und hielt im Aufreißen seines Geschenks inne: „Ich nehme doch nur die, wo mein Name draufsteht.“, er schob seine Unterlippe vor und John lachte leise, „Oh Sean, viel Glück. Ich weiß nicht, wie lange du dem standhalten kannst.“
Wir standen auf und ich ließ mich von John in die Schneesachen stecken und sah ihm zu, wie seine Hand über das aufwendige Keltenmuster seines neuen Schals strich. Er betrachtete seine neue Errungenschaft im Flurspiegel und sagte: „Der ist wunderschön. Ebenso wie das Büchlein…“
„Du hast doch noch gar nicht alles gesehen.“, ich war nervös. Es lagen noch drei Sachen von mir für John unterm Baum und ein Teil von mir wollte wissen, wie er darauf reagieren würde. Das war auch der Teil in mir, welcher den Zweifel, meine Geschenke könnten nicht gut genug sein, zum Schweigen brachte.
„Das muss ich nicht sofort.“, sagte er und reichte mir seine Hand. Wir gingen nach draußen und John sah mir kopfschüttelnd hinterher, als ich ums Haus lief, um die alte Öllaterne zu holen. Ich zündetet sie an und John nahm sie mir wortlos ab, als wir uns auf den Weg durch den Wald machten. Die kalte Luft stach in meiner Nase und ich atmete noch tiefer ein. John tat dasselbe und ich lachte: „Was machst du denn?“
„Du bist hier der Experte, ich dachte ich halte mich an deine Verhaltensweisen, um nichts zu verpassen.“
Ich sah John an und er strich mir über die Wange und sein amüsierter Ausdruck wich einem besorgten Blick: „Baby, hab ich noch mit einem Ausbruch zu rechnen?“
Er meinte die Trauer um meine Großmutter und ich hörte tief in mich rein. Kurz schloss ich meine Augen und gab zu: „Sie fehlt mir schrecklich. Und ich wünschte sie hätte dabei sein können. Dieses Weihnachten hätte ihr Spaß gemacht!“, meine Stimme brach weg und John stellte die Laterne auf den Boden, damit er mich sicher in den Arm nehmen konnte.
„Ich hätte sie ins Wohnzimmer gebracht. Sie hätte auf dem Sofa gesessen und wir hätten mit ihr Karten gespielt und Sissi geguckt.“
„Das hätte ihr sehr gut gefallen.“, nuschelte ich durch seinen Wintermantel. John wog mich leicht: „Vielleicht wäre ihr Georgies Geschenkpapierschlacht zu wild gewesen.“
„Sie mochte Begeisterungsfähigkeit. Und du…“, dabei sah ich auf, mein Kinn auf seine Brust gestützt, „Du hättest ihr unglaublich gut gefallen. Ich glaube Opa hätte mit dir Probleme gehabt.“
John wirkte entrüstet: „Vorurteile gegen Amerikaner?“
„Weil sein kleines Mädchen nun deins ist.“, sagte ich und kam noch immer nicht gegen die aufkommende Hitze an. Lächelnd neigte sich John zu einem Kuss und als wir weitergingen fragte ich: „Vermisst dein Papa dich an Weihnachten nicht? Oder deine Schwester?“
„Sie fährt meistens zu ihm. Zusammen gefeiert haben wir schon lange nicht mehr.“
Ich blieb stehen und John sah mich verwundert an. Das schlechte Gewissen stand ihm im Gesicht, als ich meine Fäuste in die Seiten stemmte.
„Carry hat meistens irgendwelche Ausstellungen und ich tummle mich auf Wohltätigkeitsveranstaltungen…“
„Die du selbst ausrichtest, um was? Dich nicht um deinen Papa zu kümmern?“
John fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er sah mit einem Mal eher verärgert aus und ich wusste, dass er gerade seine Strategie änderte. Wenn Verteidigung nicht wirkt, muss man eben angreifen…
Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern ließ meine Arme traurig sinken: „Er hat sich ein Leben lang um euch gekümmert und euch sicher mehr als ein schönes Weihnachten beschert. Ich verstehe, dass es dir schwerfällt ihn schwach und gebrechlich zu sehen, aber er hat es nicht verdient, dass du nicht die Kraft findest, jetzt für ihn zu sorgen.“
Johns Erwiderung blieb aus. Er rieb sich über die Augen und sah nach oben. Ich hörte ihn schniefen und blinzelte. Vorsichtig nahm ich seine Hand: „John ich… entschuldige, das war etwas heftig…“
„Nein.“, brachte er hervor und sah mich noch immer nicht an, „Du hast ja recht. Ich kann dir nicht mal vorwerfen es nicht zu verstehen, denn niemand tut das besser als du. Aber ich weiß einfach nicht, wo du kleines Persönchen die Kraft dafür gefunden hast. Während ich…“
Er schluckte und kämpfte mit sich. Hilflos hob ich meine Arme und legte sie um John. Er drückte mich an sich, suchte Trost und ich gab ihm diesen, so gut ich konnte. Wir blieben eine ganze Weile so, bis John sich wieder von mir löste und mit festerer Stimme fragte: „Ich denke, dass ich mit dir stark genug dafür wäre.“
Ich nickte und sagte: „Gut, dann nächstes Weihnachten in New York, nach meiner Adventsparty.“
Ich hielt John geschäftsmäßig die Hand hin und er schlug ein. Es fühlte sich seltsam an und John durchschaute mich: „Übt da jemand für größere Deals?“
„Möglich.“, sagte ich verlegen und drehte mich zum Gehen. Er nahm die Laterne auf und griff meine Hand: „Ich bin stolz auf dich, Mina.“
„Danke, ich ehrlich gesagt auch.“, gab ich zu, „Lass uns hier lang gehen, dann kommen wir bald wieder nach Hause.“
„Ist dir kalt, Kleines?“, fragte mein besorgter Daddy und ich lächelte ihn an, „Nein, aber ich möchte dir deine restlichen Geschenke geben.“
So schlenderten wir Hand in Hand durch den verschneiten Wald, mit dem spärlichen Licht der alten Laterne. Es knirschte unter unseren Füßen und die eisige Luft begann sich in unserer Kleidung festzusetzen. Ich sah meinen Atem und sah zu John auf. Dieser hatte die untere Hälfte seines Gesichts im Schal vergraben. Er schielte aus dem Augenwinkel zu mir und ich musste lachen: „Das sieht überhaupt nicht gruselig aus.“
„Wenn du mich gruselig findest, verbiete ich dir diese schlechten Hörbücher.“
„Wenn ich Angst vor dir hätte, würde ich nicht mit dir durch den Wald spazieren.“, sagte ich und schwenkte unsere verschränkten Hände übertrieben, damit er es sah. Zu meiner Überraschung zog er mich daran zurück und ich stolperte nach hinten. John fing mich auf und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Mein Herz schlug schneller und brummte: „Versprich mir, dass du auf deiner Reise vorsichtiger bist. Vertraue niemandem so leichtfertig, wie du es bei mir getan hast.“
Dieser Blick. Ich rutschte in einen anderen Gemütszustand und John schien das zu merken. Ich sah ihn unschuldig an: „War es falsch dir zu vertrauen, Daddy?“
„Das ist was anderes, Spatz.“, sagte er und zog sich den Schal vom Gesicht, „Aber da draußen gibt es nicht nur schöne Erfahrungen und gute Menschen… ich hab Angst um dich. Das dir etwas passieren könnte und damit meine ich nicht nur körperlich. Versprichst du mir, gut auf dich aufzupassen, meine Kleine?“
Ich nickte und sah in diese hypnotischen Augen. John lächelte, während sein Blick über mein Gesicht wanderte: „Benutz deine Worte, Baby.“
„I-ich verspreche auf mich aufzupassen. D-Daddy.“, hickste ich und er küsste meine Nase, „So aufgeregt?“
„Mhm.“
Er legte seine Stirn auf meine und meinte: „Gut. Das liebe ich an dir. Du bist einfach zu süß. Und jetzt möchte ich sehen, was mein Mädchen sich noch alles hat einfallen lassen, während ich nur die Schlüssel für dich hatte.“
„Ich hab doch schon eine Flöte von dir bekommen.“, sagte ich und befreite mich aus seinem Arm um aufgeregt hin und her zu tänzeln, „Ich habe dir noch gar kein Weihnachtslied vorgespielt!“
John lachte und ich versuchte ihn mit mir zu ziehen: „Ruhig, Mina. Warte doch. Spätzchen, ich hab noch etwas für dich.“
Ich sah ihn überrascht an und er zog spitzbübisch eine Schachtel aus seiner Tasche. Klein und eindeutig eine Schmuckschatulle. Mir fiel die Kinnlade runter und ich schüttelte leicht meinen Kopf: „John ich… deine Scheidung…“
„Mina, ruhig. Nimm die Schachtel und atme durch.“, er sah mehr als amüsiert auf und ich nahm mit zitternder Hand die Schachtel entgegen. Ich klappte sie auf und Erleichterung machte sich breit: „Ohrstecker? Die sind wunderschön. Danke, John.“
„Da bin ich froh, die waren nämlich ziemlich teuer.“, sagte John und vergrub seine Hände in den Taschen seines Mantels. Ich war mir sicher, dass er das tat, damit ich sie ihm nicht zurückgeben konnte. John zwinkerte mir zu: „Kurz Panik gehabt?“
„Blödmann!“, sagte ich und er zog eine mahnende Augenbraue nach oben. Ich nickte bekräftigend und machte mich auf den Weg nach Hause. John lachte: „Mina…“
Ich ging weiter, gewillt ihn und seine unmögliche Art zu ignorieren. Das war nur nicht so einfach, denn er rief: „Den Ring dazu habe ich schon ausgesucht!“
So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht und das aufgeregte Gefühl in meinem Magen musste einfach raus. Ich sah kurz über meine Schulter und rief dann: „Stell mal die Laterne ab.“
„Wieso?“, wollte John wissen und ich bemerkte, dass er wirklich ein paar Meter hinter mir geblieben war. Gut so. Diesmal war es an mir zu Grinsen und ich lief los, bevor ich sagte: „Wer zuerst zu Hause ist!“
Was John mir nachrief, konnte ich nicht verstehen. Ich war mir sicher, dass es etwas ziemlich Gemeines in einer mir noch fremden Sprache war. Aber das machte nichts. Mein Vorsprung war riesig und ich kannte das Gelände in und auswendig. Allerdings hatte ich Johns Sportlichkeit unterschätzt. Ich kreischte auf, als ich über meine Schulter sah und er wesentlich mehr aufgeholt hatte, als ich erwartet hatte. Verdammt! Ich machte einen Hüpfer über eine Baumwurzel und wich einem Stein aus. Die waren ziemlich gut vom Schnee bedeckt, aber ich kannte den Wald eben in und auswendig. Im Gegensatz zu John, der kurz nach mir erst über das eine und dann über das andere stolperte. Ich blieb stehen, doch als er sich aufrappelte und einfach weiterlief, nahm ich die Beine in die Hand. Er erwischte mich an der Gartentür und riss mich mit sich in den Schnee. Nicht weil er es wollte, wir rutschten auf einer gefrorenen Pfütze aus. Ich lachte: „Okay, okay. Das war unfair!“
„Tja, dann hast du ja jetzt gelernt, dass du vor mir nicht davonlaufen kannst!“
„Hatte ich nicht vor.“, gab ich schweratmend zu und wischte ihm Schnee vom Mantel, „Ich wollte nur mal sehen, wie schnell du bist.“
Er verdrehte die Augen: „Und war alles zu deiner Zufriedenheit?“
„Ja, am besten war der Sturz über die Wurzel!“, ich kicherte und John stand auf, „Kleine Göre.“
Er reichte mir seine Hand und half mir auf. Ich ließ es so stehen und öffnete die Tür. Wir schälten uns aus der nassen Kleidung und John rief: „Wir sind wieder da!“
Ich sah ihn an und sein Blick wurde weich: „Gib den Beiden einen Moment. Es kann sein, dass Sean seinen Kleinen wickelt. Oder wolltest du da gerne reinplatzen?“
Ich schüttelte schnell meinen Kopf und legte meine kühlen Hände an meine Wangen. Das half und ich murmelte: „Warum will Sean das so extrem? Kann er George nicht ein bisschen Luft lassen?“
„Das tut er, wenn Georgie so weit ist. Zurzeit ist der Junge sehr bedürftig und es kann auch sein, dass das so bleibt. Aber meistens durchlaufen Littles auch eine Entwicklung. Wir helfen euch dabei, so gut wir es können. Ich denke George hatte viel Druck von außen, dem er nicht gut standhalten konnte. Sean will ihm so zeigen, dass er keine Erwartungen an den Jungen hat, außer der, dass er sich um ihn kümmern darf.“
Ich verschränkte meine Arme und schnaubte: „Ihr macht es euch leicht.“
„Was meinst du?“, wollte John wissen und ich konnte ein Augenverdrehen nicht vermeiden: „Es ist nicht leicht, sich komplett fallen zu lassen und alles abzugeben. Es ist auch eine Einschränkung in unserer Freiheit und Persönlichkeit. Klar, wir vertrauen darauf, dass ihr das Richtige tut, aber ihr seid ja auch keine Zauberer. Ich verstehe deine Sicht der Dinge, aber du und Sean, ihr vergesst gerne die andere Seite und das eure Fürsorge, auch mal unangebracht sein kann.“
John nickte, ich sah ihm an, dass er Argumente zurechtlegte, doch zu meiner Überraschung strich er mir nur über die Schultern: „Wenn es so ist, dann müssen wir miteinander sprechen. Bitte sag mir, wenn du wegen etwas bedenken hast oder dich unwohl fühlst.“
Ich musste lächeln und machte einen Schritt auf ihn zu: „Sicher, Liebster. Ist jetzt genug Zeit rum? Können wir ins Wohnzimmer?“
Er nickte und als ich die Tür öffnete, saß George vor einem Legotechnikteil. Lediglich seine hochroten Ohren verrieten mir, dass John mit seiner Vermutung wahrscheinlich recht gehabt hatte. Ich kniete mich vor den Baum und suchte zwischen dem leeren Geschenkpapier nach Johns restlichen Geschenken. Eines war weit nach hinten gerutscht und ich machte mich lang, um daran zu kommen. Hinter mir hörte ich Seans Stimme: „Wäre süßer, wenn eine weiße Windel darunter hervorblitzen würde. Aber du musst sie ja heute groß sein lassen…“
„Mina hat das selbst entschieden.“, sagte John und ich strich mein Kleid hinten glatt, bevor ich aufstand und ihm zwei weitere Pakete reichte. Ich sah Sean schmollend an, musste aber feststellen, dass er die von mir genähte Küchenschürze trug. Er reichte mir ein Sektglas und zwinkerte: „Schon gut, Püppi. Meine Vorstellungen waren eben anders. Wenigstens lebt Georgie Weihnachten ungehemmt aus.“
Dabei stieß er sein Glas an meines und sah übertrieben an meine Ohren: „Ich trag die Stecker nachher. Ist übrigens immer noch beunruhigend zu wissen, wie gut ihr euch absprecht.“
Ich nahm einen Schluck und Sean strich über seine Brust: „Ist schön geworden. Danke dafür.“
„Das war der Weihnachtsmann.“, behauptete ich und sah zu George. Sean legte einen Arm um mich: „Der hat für dich auch etwas dagelassen. Allerdings für die kleine Mina.“
„Das ist gut. Die stiehlt sich morgen früh heimlich ins Wohnzimmer und schaut, was noch für sie da ist.“
Sean schien das zu freuen. Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und sah dann zu John. Was auch immer er ihm sagen wollte, blieb ihm im Hals stecken, denn John bot ihm ein Stück von seiner Bitterschokolade an. Sean hob abwehrend die Hand: „Danke, aber nein Danke.“
John setzte sich aufs Sofa und nachdem er sich ein weiteres Stück gegönnt hatte, nahm auch er ein Sektglas entgegen. Ich ließ mich neben ihm nieder und fragte: „Weihnachtsfilm?“
John nickte und Sean setzte sich zu George auf den Boden, strich ihm über den Rücken und flüsterte etwas in sein Ohr. George schüttelte seinen Kopf du konzentrierte sich auf sein Bauwerk. Ich sah zu John, doch der war damit beschäftigt den gehäkelten Schlüsselanhänger zu betrachten: „Eine Bienenkönigin?“
„Ein Bienenkönig… guck, ich hab ihn extra streng gucken lassen.“, dabei deutete ich auf die aufgestickten Augenbrauen. Schon schüttelte amüsiert seinen Kopf und ich sagte, „Ein kleines Symbol dafür, dass ich dich im Herbst nicht aus dem Haus schmeiße.“
Er schnaubte belustigt und legte den Anhänger zur Seite. John tat sich manchmal schwer darin zu zeigen, was in ihm vorging und ich vermutete, dass das der Geschäftsmann in ihm war. Doch ich sah dieses Leuchten in seinen Augen und wusste, dass er sich diebisch darüber freute. Ebenso, als er sich das nun ausgepackte Album ansah. Erst war er verwundert, doch dann erkannte er in den Bildern meine prägendsten New Yorker Erlebnisse und sah sich jede Zeichnung genau an. Bei den meisten lächelte er, manchmal musste er sogar leise lachen, doch es gab auch Bilder, bei denen er die Stirn runzelte oder sich den Nacken rieb. Er las die Texte, die ich dazu geschrieben hatte und murmelte: „Hätte ich gewusst, was das in dir auslöst…“
Ich legte meine Hand auf sein Bein und schüttelte den Kopf: „Das war schon alles richtig so. Ich würde hier nie so stehen, wenn es anders gekommen wäre.“
John legte das Album zur Seite und sah mich an. Er schluckte ein paar Mal und ich wusste, dass er zu gerührt war, um etwas sagen zu können. Stattdessen strich er sanft mit dem Handrücken über meine Wange. George seufzte und murmelte dann: „Na gut, Daddy, du hast wohl recht. Ist doch schon ganz schön spät…“
Seine Art uns Zeit zu geben. Sean sah ziemlich stolz aus und sagte: „Gut, dann mach ich dich mal fürs Bett fertig.“
Sie gingen und John hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich mochte mich nicht von ihm lösen, doch da gab es noch eine Sache, die mir wichtig war.
„Warte hier kurz, ich habe noch etwas für dich.“, John ließ mich ungern gehen und als ich wiederkam, reichte ich ihm einen schmucklosen braunen Umschlag. Er sah mich überrascht an, nahm den Umschlag aber entgegen.
„Mach ihn auf.“, bat ich und verschränkte meine Hände hinterm Rücken. John kam der Aufforderung nach, las die Überschrift auf dem Blatt und sah dann nachdem Datum am unteren Ende auf dem Zettel. Überrascht sah er zu mir auf.
„Es war nicht so leicht ihnen klarzumachen, dass wirklich nichts Schlimmes passiert ist. Aber letztlich haben sie in einen Aufhebungsvertrag eingewilligt. Merry Christmas, John.“
Er stand auf und blieb vor mir stehen: „Das ist wirklich das schönste Geschenk.“
„Ich hab mir mit den anderen wirklich Mühe gegeben…“, sagte ich und tat etwas beleidigt. John schüttelte seinen Kopf, strich mir durchs Haar und raunte, „Mina…“
Mein Lächeln verriet mich und jetzt war ich wirklich froh, dass Sean und George sich ins Schlafzimmer zurückgezogen hatten.
Autor: Bic (eingesandt via E-Mail)
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Jetzt hab ich echt oft ein bisschen heulen müssen!
Perfektes Weihnachten! So wünscht man sich das.
Ich bin begeistert 😉
Wer hat in einen Aufhebungsvertrag eingewilligt? Die Escortagentur?
Wow, vielen Dank für einen weiteren Teil. Ich liebe die Geschichte so sehr, ich bin jedes mal begeistert von der Entwicklung. Ich hoffe wir können die beiden in noch vielen weiteren Kapiteln begleiten.
Diese Geschichte ist wieder srhr schön gewesen zu lesen! Sehr romantische und lustige Stunden. Bin schon auf den nächsten Teil gespannt. Doch wer hat in ein Aufhebungsverfahren eingewilligt?
Hallo Bic,
wieder ein schöner Teil.
weiter so ?
toi toi toi
nur lass uns nicht immer so lange warten
He ihr Lieben. Ja, der Aufhebungsvertrag ist mit der Escortfirma. Alles ander macht in diesem Zusammenhang keinen Sinn.
Es tut mir leid, dass es immer so lange dauert. Aber da gibt es einige Faktoren, die einen schnelleren Arbeitsgang nicht ermöglichen. Ich versichere euch, wann immer ich kann, arbeite ich daran. (Und trotzdem sind noch einige Fehler drin und könnte besser sein)