Der Filmstar
Windelgeschichten.org präsentiert: Der Filmstar
eine kleine Geschichte, basierend auf einer Vorstellung über meine mögliche berufliche Zukunft, die ich mit etwa 8 Jahren entwickelt hatte:
Â
Â
Â
Müde trank ich einen Schluck aus der Teetasse, während ich mit der leeren Hand die Zeitung umblätterte. Wie jeden Morgen durchsah ich die Zeitungsannoncen, in der Hoffnung auf einen kleinen Job, eine kleine Gelegenheit, bei der ich mein Talent endlich einmal unter Beweis stellen konnte. Mir kamen Erinnerungen vom letzten Jahr an der Schauspielschule in den Sinn. Ich hatte sie mit einem guten Abschluss verlassen und galt nun als professionell ausgebildeter Schauspieler. Aber niemand wollte mir eine Rolle geben, noch nicht einmal das Stadttheater. Ich war schon 19 Jahre alt und wollte nun endlich mal mein eigenes Geld verdienen.
„Na, wieder nix dabei?“, fragte mich Oskar, mein Freund, mit dem ich erst wenige Wochen zusammenlebte.
„Nö, garnix! Die suchen alle bloß irgendwelche Mitarbeiter oder wollen Möbel verkaufen.“ Frustriert nahm ich einen Bissen von meiner Honigsemmel.
„Na dann schau mal hier!“, rief er triumphierend und hielt mir einen ausgeschnittenen Zeitungsfetzen vor die Nase.
„Ausgebildeter Schauspieler für zweitägige Dreharbeiten gesucht!
Alter: zwischen 16 und 20
Größe: klein bis mittel
Gewicht: irrelevant bei schmaler Statur
Bei Interesse bitte melden: 0900-273-829-27
Wir bezahlen gut!“
Ich bekam große Augen. „Krass, wo hast du die denn gefunden?“
Oskar grinste: „Auf dem Arbeitstisch meines Kollegen lag ´n ganzer Stapel Zeitungen rum. Ja, und ich hatte halt gestern kaum Termine, aber viel Zeit. Da hab‘ ich mir die Anzeigen mal durchgelesen und siehe da!“
„Ey, ich freu mich so!“ Vor Aufregung verschluckte ich mich fast an der Semmel. „Was das wohl für eine Produktion sein wird?“
„Ganz ruhig, Tobi“, sagte Oskar und legte den Arm um mich. „Ich freu mich auch für dich und ich bin mir sicher das wird ganz toll!“
Im nächsten Moment nahm mich Oskar liebevoll in den Arm und begann mich zu streicheln.
Noch am selben Tag rief ich die Nummer an und sprach mit dem Produzenten. Es war ein netter junger Mann, der Stimme nach zumindest. Vermutlich nur etwas älter als ich. Zwar stellte er mir einige merkwürdige Fragen – beispielsweise auf welches Alter mich fremde Leute schätzen würden – aber letztendlich war er ganz angetan von mir und sagte zu.
So kam es, dass ich einige Tage später mit meinem klapprigen Fahrrad zu einem grauen Betonklotz fuhr, der sich Studiokomplex schimpfte. Von außen sah es nicht gerade einladend aus und ich bekam ein bisschen Bammel. Kurz überlegte ich schon umzukehren – vielleicht hatte ich mich ja doch in der Adresse geirrt. Doch ein Blick aufs Klingelschild verriet mir, dass ich wohl doch richtig war.
‚Christiansen und Söhne Werbefilmagentur‘ stand darauf. Ich klingelte und ein lautes Summen deutete mir an, dass ich die Tür öffnen konnte. Zunächst ging es durch einen langen Gang. Die Wände waren komplett weiß und es an ihnen hing keine Verzierung. Dann machte der Gang einen Knick und ich erreichte die Rezeption.
„Guten Tag. Ich bin Schauspieler und wurde hier für eine Produktion engagiert.“, sagte ich der Dame, die hinter der Glasscheibe auf ihren Computer starrte.
„Name bitte“, entgegnete sie kühl.
„Tobias. Tobias Wildwucher mein Name.“
„Ah, ich habe sie gefunden. Schön… die Thickies-Werbung. Alles klar, sie müssten sich bitte in Studio 4 einfinden. Hier, ich gebe ihnen einen kleinen Übersichtsplan“, sagte die Empfangsdame und drückte mir einen Plan vom Gebäude in die Hand.
Ich bedankte mich und machte mich daran den Weg zu Studio 4 zu finden. Mit jedem Schritt wurde ich aufgeregter. Sollte ich vielleicht doch absagen? Vielleicht war ich ja doch kein guter Schauspieler?
Was wenn ich den Anforderungen des Regisseurs nicht gerecht würde?
Käme ich dann auf eine Schauspieler-Blacklist?
Würde ich künftig nie wieder professionell schauspielern dürfen?
Kurz blieb ich stehen und versuchte meine Atmung wieder zu kontrollieren. Sie war mir ein bisschen zu hektisch geworden.
Bald begann mein Gehirn wieder klar zu denken:
Dieser Tag wäre eine einmalige Gelegenheit, all das anzuwenden, was ich in den vier Jahren Schauspielunterricht gelernt hatte und mich endlich einmal unter Beweis zu stellen. Ich musste sie einfach wahrnehmen!
Mit neuerlangtem Mut ging ich die langen Flure entlang bis zu einer Tür über der eine überdimensionale rote ‚4‘ angebracht war. Hier war es also. Mein erster Dreh!
Schwungvoll öffnete ich die Türe und betrat das Studio mit großen Schritten.
Wow! Was für ein Studio!
Mein Blick schweifte über all die unterschiedlichen Requisiten, die schon bereitlagen und die vielen Menschen – Beleuchter, Kameraleute, Menschen vom Ton – die alle aufgeregt umherwuselten. Schließlich erblickte ich den jungen Produzenten, mit dem ich schon am Telefon gesprochen hatte. Er erwartete mich bereits freudig: „Aaah, Herr Wildwucher. Eine Ehre ihre Bekanntschaft machen zu dürfen! Ich bin hier der Produzent und werde beim Dreh auch als Regisseur agieren“, schwatzte er mich voll und reichte mir seine schwitzende Hand.
„Och, bitte nennen sie mich Tobi. So erwachsen komme ich mir noch gar nicht vor“, lächelte ich zurück.
„Wenn sie es wünschen, Tobi!“
Der Produzent, der sich schließlich als Fabian Fuchsberger vorstellte, konnte garnicht mehr aufhören schelmisch zu grinsen.
„So gerne ich auch weiter mit ihnen plaudern würde, der Zeitplan ist leider knapp bemessen. Am besten begeben sie sich gleich in die Maske!“, sagte Fuchsberger nun etwas gestresst und blickte auf sein Klemmbrett, auf dem sich einige Blätter mit Produktionsnotizen stapelten.
„Maske?“, fragte ich verwundert.
„Ja, dort erwarten sie zwei wundervolle Damen, die ihr Gesicht für den Dreh aufpolieren. Ist gleich im Raum nebenan! Aber seien sie nicht zu frech zu ihnen. Ansonsten bekommen sie vielleicht eine Ladung Kunstblut ins Gesicht!“, witzelte er.
Bevor ich jedoch gehen durfte, hielt mir Fabian noch einen Packen Blätter hin.
„Der Vertrag. Bitte unterzeichnen!“, erklärte er.
Ich wollte schon anfangen ihn mir durchzulesen, stellte dann jedoch fest, dass ich frühestens nach den beiden Drehtagen mit der Lektüre durch sein dürfte. So entschloss ich mich für eine schnelle Signatur. Beim Durchblättern stieß ich wieder auf den eigenartigen Namen ‚Thickies‘. Was mochte das wohl für ein Produkt sein?
„Ähm Entschuldigung“, wandte ich mich nochmals an Fabian. „Ich habe noch überhaupt kein Drehbuch erhalten!“
„Mach dir da mal keine Sorgen“, beruhigte mich Fabian. „Wir arbeiten heute sowieso hauptsächlich mit Regieanweisungen. Du musst also keinen vorgefertigten Text aufsagen“
„Oki. Danke!“
Neugierig schlich ich in den Nebenraum, wo mich tatsächlich die Damen von der Maske erwarteten…
Autor: kigaki (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Weitere Teile dieser Geschichte
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Daniel bei Valerie und das Windelgesetz
- Joerg Zach bei Florians Schatten (7)
- Joerg Zach bei Ally’s Pyjama Erlebnis (37)
- Joerg Zach bei Die neue Mitschülerin (48)
- Burli bei Zwischen gestern und Morgen (22)
- Michael bei Florians Schatten (7)
- Park bei Florians Schatten (7)
- nappybaby bei Florians Schatten (7)
Scheint Interressant zu werden warte auf den nächsten Teil, bis jetzt nur eine Vorgeschichte..
irgendwie musste ich ja anfangen 🙂
Der Einstieg lässt hoffen und macht neugierig! 🙂
[kurzer Kommentar zu kurzem Vorspann! 🙂 😉 ]
Danke; Ist als kurze Geschichte angelegt, erwarte bitte keinen Roman 😉