When 2 become 1 (8)
Windelgeschichten.org präsentiert: When 2 become 1 (8)
Dem Professor schien es ähnlich zu gehen. Er überwachte die Situation im Raum über Kameras, laß meine Eintragungen und bekam die wichtigsten Vitalfunktionen von Nic von Sensoren in der Matratze auf diversen Displays angezeigt. Ein Knacken im Ohr signalisierte mir, dass er Kontakt mit mir aufnehmen wollte. Ich trug das winzige Funk-Headset seit unserer Ankunft am Flughafen. Es war für ungeübte Augen quasi unsichtbar und war bislang nicht zum Einsatz gekommen. Es hatte schließlich genug Situationen gegeben, persönlich miteinander zu sprechen. Da es jetzt aber auf den Abend zuging und Nic langsam zur Ruhe kommen sollte, wären Störungen jetzt mehr als kontraproduktiv gewesen. Deshalb verlegte das Team des Professors die Kommunikation in mein Ohr. Ich fand es mehr als gewöhnungsbedürftig, seine Stimme nur in einem Ohr zu hören. Das fühlte sich sehr asymmetrisch an. War aber hilfreich. “Josh, bis jetzt verträgt er das viele Essen ganz gut!”, unterstrich er meine Beobachtungen. “Wir müssen trotzdem aufpassen. Das Problem ist die nächste Infusion. Auf reagieren viele Patienten mit großer Müdigkeit und immer wieder auch mit Erbrechen. Es wäre deshalb wichtig, dass Nic sich vorher mindestens eine halbe Stunde bewegt!” Ein kurzes Zwinkern war das vereinbarte Signal, dass ich ihn verstanden hatte und seine Ansicht teilte. Eine halbe Stunde auf den Beinen war eine lange Zeit für jemanden, der vor knapp drei Stunden noch zwischen Ohnmacht und Realität schwebte. Mehr als eine vage Idee hatte ich noch nicht. Eine große Wahl allerdings ebenfalls nicht.
Einen Augenblick später stand ich auf der gegenüberliegenden Seite von Nics Bett und stöpselte die durchgelaufene Infusion ab. Damit war zumindest sichergestellt, dass sich Nic theoretisch frei bewegen konnte. Jetzt musste ich nur noch einen Grund finden, aufzustehen. Sehr naheliegend war der für ihn unangenehmste Grund: seine Windel. Die Infusion und der Tee sollten erste Wirkung gezeigt haben, wenn er tatsächlich auch nur annähernd so wenig Kontrolle über seine Ausscheidungen hatte, wie es die Berichte behaupteten, die uns vorlagen. Die übervolle und ausgelaufene Windel aus dem Flieger zählte dafür nicht wirklich. Das konnte “Notwehr” gewesen sein, weil Nic sich schlicht nicht getraut hatte, Franziska Endermann darum zu bitten, ihn aufs Klo zu lassen. Es würde sich gleich zeigen, wie belastbar meine Theorie war.
Schon als ich Nics Decke zurückschlug war mit einem Blick klar, dass meine Vermutung so nicht ganz richtig sein konnte. Die Windel unter seiner Leggings hatte deutlich an Volumen zugelegt. Also doch eher ein körperliches Problem, bzw. eine psychologische Ursache, ging mein Hirn die weiteren Optionen durch, ohne auf den sich andeutenden Windelwechsel einzugehen. “Bist du fit genug, für einen kleinen Ausflug?”, fragte ich ihn die Stille und Nics skeptischen Blick hinein. Er zögerte kurz, nickte aber dann. “Sehr gut. Ich weiß nämlich aus zuverlässiger Quelle, dass es da drüben ein ganzes Regal voll mit Playmobil-Sachen gibt!” Die Reaktion war eindeutig. Beim Zauberwort “Playmobil” schaltete Nic auf Empfang. Das war meine Hoffnung. Ein kleiner Rest Erinnerung an sein altes Leben. Da war er in Sachen Playmobil etwas “überversorgt”, weil sein Halbbruder aus Kanada es zum Leidwesen seiner Eltern nicht lassen konnte, seinen kleinen Bruder regelmäßig mit den neusten Sets zu versorgen. Na bitte, ging doch. “Vorher müssen wir aber noch einen kleinen Abstecher im Bad machen!”, schob ich nach und gab mir die allergrößte Mühe, dabei einen möglichst beiläufigen Unterton anzuschlagen. “Wenn ich das richtig sehen, dann brauchst du eine frische Windel!”. Und schon war der wache Playmobil-Bick wieder Geschichte. Nic, der es inzwischen ganz alleine aus dem Bett geschafft hatte und mir etwas schief und wackelig gegenüber stand, war genau in dieser Sekunden mit der Situation ganz offensichtlich überfordert. Ich war mir sicher, dass er die nasse Windel sehr genau spürte. Ich kannte ihn aber ebenfalls gut genug um mit großer Sicherheit sagen zu können, dass er sein Inkontinenz-Problem für sich noch überhaupt nicht angenommen hatte. Deshalb hatte er in den letzten Monaten ganz offensichtlich nicht versucht, die Sache in den Griff zu bekommen: Er war schlicht noch nicht so weit. Für ihn konnte das alles nicht sein. Es konnte nicht sein, dass sich alles verändert hatte. Alles!
Für einen normalen Achtjährigen wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen, um in Tränen auszubrechen, einen Wutanfall zu bekommen, mit Angriffen jedweder Art von seinem Problem abzulenken oder schlicht wegzulaufen. Nichts davon geschah. Nic stand einfach nur da und sah in seiner blauweiß-geringelten Leggings, dem grünen Langarm-Shirt und dem inzwischen ziemlich auffälligen Windel-Po schrecklich verloren aus. Ich konnte sehen, wie er mit sich kämpfte. Wie er sich schämte. “Nic, ich kann mir vorstellen, wie verwirrend das alles für dich sein muss. Ich weiß, dass Frau Endermann immer einer Riesensache aus allem gemacht hat, was bei dir nicht geklappt hat, was du nicht konntest oder wolltest. Aber das ist jetzt vorbei! Du bist genau richtig, so wie du jetzt bist! Ich fände es großartig, wenn du irgendwann mit mir sprechen würdest. Und bis es soweit ist, freue ich mich über jeden deiner Blicke!” Ich hatte diese kleine “Predigt” so nicht geplant. Zumindest jetzt noch nicht. Weil ich Nic nicht überfordern wollte. Aber zu meiner großen Überraschung hörte Nic mir zu. Es kam tatsächlich bei ihm an, was ich sagte. “Ich kann mir auch denken, dass es richtig schlimm für dich ist im Moment nicht spüren zu können, dass du eigentlich auf die Toilette gehen solltest und stattdessen alles in die Windel geht. Das würde mir nicht anders gehen. Aber weißt du was? Mich stört das nicht. Ich verspreche dir, da auch nie eine große Sache draus zu machen. Ich muss nur darauf achten, dass du regelmäßig eine frische Windeln bekommst, sonst wirst du Wund und das darf nicht sein! Wenn du das willst, dann übernehme ich das Wickeln. Falls du lieber möchtest, dass das eine der Krankenschwestern oder ein Pfleger macht, dann finde ich das auch sehr okay! Ich bin mir ganz sicher, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen. Aber es dauert, so lange es dauert. Wir haben Zeit!” Nic sah mich immernoch an. Und sein Blick wurde von Sekunde zu Sekunde fester. Das Flackern in den Augen erlosch langsam. “Ist das für dich so okay?”, schloss ich meinen Monolog ab. Diesmal kam sein Nicken deutlich schneller und überzeugte. “Und was machen wir jetzt mit der Windel?” Statt mit den Augen zu antworten, griff er meine Hand und zog mich zu der Ecke, hinter dem der Pflegebereich lag. Keine drei Meter zu gehen. Und doch so viel mehr. Wir waren auf dem Weg zur nächsten Phase: Ein Stück Normalität und Regelmäßigkeit in das Chaos zu bringen, das Nics Leben in den letzten Monaten bestimmt hatte.
Autor: Der Beobachter (eingesandt via E-Mail)
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Sehr gute Geschichte!