Ein vergangener Sommer (4)
Windelgeschichten.org präsentiert: Ein vergangener Sommer (4)
Wenn sich eine Tür öffnet, dann weiß man in der Regel, was einen dahinter erwartet. Al Bundy zum Beispiel wusste ganz genau, egal wann er die Türe zu seinem Zuhause öffnen würde, würde ihn auf der anderen Seite die Hölle erwarten.
Was mich erwarten würde wusste ich nicht. Vielleicht einfach ein nettes Abendessen soweit das möglich sein sollte oder ich würde heute Abend tatsächlich einen neuen Freund kennenlernen.
Naja, nett schien Benjamin ja zu sein, insoweit ich das beurteilen konnte, aber er war nicht unbedingt die Person, mit der man auf den ersten Blick sofort Freundschaft schließen mochte, aber ein Unmensch war ich nun auch nicht.
Als ich diesen letzten Gedanken zu Ende gedacht hatte, öffnete sich die Tür: “Guten Abend Hauke, schön das du tatsächlich gekommen bist!“
Jetzt gab es wirklich kein zurück mehr und ich entgegnete: “Guten Abend Frau Fehr, danke für die Einladung.“
Sie schüttelte nur den Kopf und lächelte: “Sag ruhig du, ich bin die Nathalie und Benjamin wird sich erst freuen, dass er mal Besuch hat, der letzte Besuch ist schon Ewigkeiten her.“
Die letzte Aussage wunderte mich kein bisschen, wer würde denn auch schon jemanden besuchen wollen, bei dem man ständig mit meinen frisch gewischt Schild rechnen musste?
Nathalie sah mich kurz an, vielleicht hatte sie mein zustimmendes Gesicht bemerkt: “Alle okay bei dir? Wenn du was brauchst, dann sag das ruhig.“
Ich bedankte mich, aber verneinte freundlich. Sie grübelte einen Moment: Weißt du, ich wollte Benjamin gerade runter rufen, aber im Grunde kannst du genauso gut zu ihm hoch, erste Tür rechts, das Essen dauert noch etwas.“
Gut, also machte ich mich auf nach oben, ich erklomm die 22 stufige Wendeltreppe. Wieder eine verschlossene Türe vor der ich stand, kein Zweifel, es musste seine Zimmertür sein, denn ganz demonstrativ hing ein großes Pokémon-Poster daran.
Ich klopfte, aber bei dem Geräuschpegel, der aus dem Zimmer kam, nahm er es wohl nicht wahr. Auch beim nächsten Versuch erhielt ich keine Antwort und so betätigte ich die Klinke und betrat das Zimmer.
Es hatte ein bisschen was von einem Kulturschock, als sich unsere Blicke trafen. Ein entsetztes Erstaunen wie in Planet der Affen, nur wusste ich nicht wer von uns der Affe oder der doch tatsächlich sprechende Mensch war.
Jedenfalls kam der Krach welchen ich auf der anderen Seite wahrgenommen hatte vom Zocken, er hatte gerade einen Controller in der Hand.
Mein Blick fiel auf seinen TV und mir entkam ein: “Du hast im Übrigen verloren, falls du es noch nicht gemerkt hast.“
Ihn schien das in dem Moment gar nicht so zu interessieren: “Du bist ja echt gekommen:“
Oje, das hatte ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend gehört, aber er brachte es mit einem größeren Erstaunen rüber als seine Mutter.
Ich entgegnete nur ein einfallsloses: “Ja.“
Dass er zockte, war schon mal ein gewisser Pluspunkt, aber nicht mehr. Im nächsten Moment hielt er mir sogar einen Controller hin und wir begannen stumpf und wortlos miteinander zu zocken.
Es herrschte echt eine seltsame Atmosphäre, man erwartete wohl jeden Augenblick ein Wort seines Gegenübers, aber es kam einfach kein Ton, weder von ihm noch von mir.
“Warum bist du gekommen?“ – Benjamin hatte diese scheinbar undurchdringliche Blockade gebrochen.
Allerdings, brauchte ich einen Moment: “Wenn ich das wüsste… Ich könnte dich genauso gut fragen, warum du mir aus der Patsche geholfen hast und sogar für mich gelogen hast?
Es herrschte wieder etwas betretenes Schweigen, zumindest für die darauffolgenden Sekunden: “Weißt du was Hauke? Ich hol uns erst einmal was zu trinken.“
Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet: “Das ist also deine Antwort darauf?“
Aber von Benjamin kam kein Ton zurück und er verließ das Zimmer und so war ich zum ersten Mal alleine hier drinnen. Wie es nun mal in meiner Natur liegt, begann ich das Zimmer von oben nach unten und von links nach rechts mit meinen Augen zu scannen.
Auf eine gewisse Art und Weise gefiel mir die Einrichtung, Bücher, Spiele und viel Elektronik, nur es hatte einen gewissen kindlichen Touch. Das Offensichtlichste, war ein Teddy, ein großer, wie der aussah, musste das Ding aus seiner Kindheit sein.
Vielleicht konnte er sich ja nicht von trennen, aber ein richtiges Teenie/Jugendzimmer, war dieser Raum definitiv nicht.
Bevor ich darüber weiter nachdenken konnte, öffnete sich auch wieder die Tür und Benjamin stand da: “Was magst du trinken? Ich hab Fanta, Cola oder einfach nur Apfelsaft.“
Ich hatte zwar keinen wirklichen Durst, aber ich nahm doch eine Cola, bevor er noch enttäuscht ist. Benjamin nahm sich dasselbe.
Jetzt saßen wir im Spiegelbild der vorherigen Situation, nur hatten wir dieses Mal jeder ein Glas in der Hand.
Ganz ehrlich? Mir ging das auf den Geist und es brach aus mir hinaus: “Komm, rede endlich mal Klartext, was soll das alles?“
Er sah mich daraufhin nur an und gab keinen Mucks von sich.
Keine Antwort, ist auch eine Antwort, gab ich im harschen Ton weiter von mir: “Was willst du eigentlich? Du hast dich in der Öffentlichkeit wie ein kleines Kind eingenässt, als ob du nun in der Situation wärst, hier so was abzuziehen.“
Im nächsten Moment hielt ich mir schon die Hand vor den Mund, aber nicht, weil ich wegen der Kohlensäure aufstoßen musste, sondern weil ich mich vor mir selbst erschrocken hatte. So doll wollte ich es ihm nun nicht ins Gesicht knallen.
Ihn schien das Gesagte getroffen zu haben, seine Augen wurden mit einem Schlag glasig. Blöde Situation, wollte mich eigentlich entschuldigen und erklären, aber meiner Kehle entsprang nur ein Stammeln.
Verdammt, er würde jede Sekunde wohl anfangen zu heulen und das bestimmt nicht leise. Innerlich zählte ich dies wie den Start eines Space Shuttles hinunter: “…three, two, one, zero…“ Der erwartete Start der heulenden Rakete blieb allerdings aus und er schniefte nur und wimmerte leise vor sich hin.
Ich verstand ihn kaum und es dauerte, bis er etwas Verständliches von sich gab, was sich nicht nach klingonisch anhörte: “Ich mach alles falsch, ich wollte doch nur einmal mutig sein, das hab ich nun davon.“
Die Worte drangen zwar in meine Ohren, aber ich verstand nur Bahnhof. Lange konnte ich sowieso nicht darüber nachdenken, er fuhr fort: “Was soll ich denn noch machen, dass sich jemand mit mir anfreundet? Du magst mich ja sowieso nicht Hauke, wie alle anderen, aber das ist schon in Ordnung, ich bin es ja gewohnt.“
Zugegeben, ich war ein bisschen perplex: “Was meinst du damit genau, Benjamin?“
Er schaute mich nun direkt an: “Weil ich so bin wie ich bin! Ich mach ab und zu noch in die Hose und sehr oft noch ins Bett und bin nahe ans Wasser gebaut. Ich hab einfach geglaubt, wenn ich dir was nettes tue, obwohl du nicht nett zu mir warst, wärst du auch nett zu mir und würdest mich vielleicht mögen.“
Nach seiner Erzählung fühlte ich mich tatsächlich etwas schlecht, aber mir kam kein Wort über die Lippen, als hätte Rocky mich ausgeknockt.
Benjamin schaute mich erneut an, aber wo vor wenigen Sekunden noch Traurigkeit abzulesen war, herrschte nun anscheinend Gleichgültigkeit: “Jetzt weißt du es, du kannst gehen, wenn du magst, kein Mensch auf der Welt würde dir einen Vorwurf machen.“
Die Entscheidung lag nun bei mir, gerade weiter auf der Autobahn oder die nächste Abfahrt nutzen und verschwinden. Ich trank meine Cola aus, atmete tief durch und sagte: “Ich bleibe.“
Dann gab es eine 180° Wendung der Emotionen, er freute sich überschwänglich. Ich entgegnete nur: “Ich hab heute nur nichts Besseres vor, läuft ja nichts im TV, oder so.“
Ach verdammt, die Antwort war verzweifelte Liebesmüh und er glaubte mir kein Wort. An sich wurde es doch ein sehr schöner Abend und wie das immer so ist, verging die Zeit einfach und ich machte mich auf den Heimweg.
Die Sonne war schon lange verschwunden, es war eine tropische Nacht mit über 20° und ich machte mir nur einen Gedanken: “Es war zwar ein schöner Abend, aber worauf hatte ich mich da jetzt eingelassen?“
Eines stand für mich fest, ich musste diesen Abend Revue passieren lassen. So viele Eindrücke und Informationen waren auf mich eingeprasselt, zu viele, um sie alle auf einmal zu verarbeiten.
Eines wusste ich nun genau, dass ich in dieser Nacht wohl kaum noch Schlaf finden würde, mein Kopf arbeitete unaufhörlich…
Autor: Anonym (eingesandt via E-Mail)
Diese Geschichte darf nicht kopiert werden.
Suche
Weitere Teile dieser Geschichte
Archiv
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Spaiky bei Erst gewollt und dann gezwungen (1)
- Spaiky bei Die Schwimmstunde (4)
- eagle124 bei Zwischen Gestern und Morgen (2)
- eagle124 bei Zwischen Gestern und Morgen
- Herbert bei Escortbaby (23)
- Joerg Zach bei Ally’s Pyjama Erlebnis (30)
- Julia-Jürgen bei Zwischen Gestern und Morgen
- Julia-Jürgen bei Tim im Internat (2)
An sich ist es schon ganz gut geworden, nur sind die Kapitel doch sehr kurz.
Wäre super, wenn du das in Zukunft ändern könntest.
sorry
hatte mir ein bisschen mehr erhofft nach der langen Pause.
swb
süsses-windel-baby
Ich freue mich wenn es bald weiter gehen wird.