Der Schlüssel zur Veränderung 2
Der Schlüssel zur Veränderung 2
„Guten Morgen , es ist Zeit aufzustehen. Sonst kommst du noch zu spät zur Schule.“, weckt mich meine Mutter aus einem tiefen Schlaf
Ich schaue mich verwirrt um und registriere als erstes, dass ich meinen Bluey-Schlafanzug trage. Puh, das war alles nur ein Traum. Als ich aber meinen Sabber, wie üblich, von meiner Backe wische und meine Bettdecke zur Seite schiebe, bleibt mir der Atem weg.
„Oh mein Schätzchen, das kann in deinem Alter schonmal passieren.“, versucht mich meine Mama zu trösten und umarmt mich direkt. Ich schaue ungläubig auf meinen Schrittbereich. Ich hab mich eingepinkelt wie ein Kleinkind. Mein halbes Bett ist durchnässt. Das war doch nur ein Traum, wenn auch ein sehr realistischer. Wie konnte das passieren? Mir fließen Tränen an meinem Gesicht herab.
„Alles ist gut mein Schätzchen, das passiert schon mal. Du machst vielleicht eine Wachstumsphase durch, da passiert sowas schon mal. Geh jetzt erstmal duschen und ich mach dein Bett wieder trocken. Aber mach schnell, du musst bald in die Schule.“, versucht mich meine Mama zu beruhigen. Ich gehe nur wie in Trance in’s Bad. Mein Schlafanzug ist bis zum Bauch nass. Ich schmeiße diesen gleich in den Wäschekorb und dusche mich gründlich. Währenddessen denke ich nach, wie mir das nur passieren konnte. Wie konnte ich mich nur einpinkeln? Und was hat es mit den komischen Träumen auf sich?
„Ich hab dir was zum Anziehen auf dein Bett gelegt, mein Schätzchen“, ruft meine Mama und reißt mich somit aus meinen Gedanken.
Ich mach die Dusche aus und trockne mich ab. Ich verzichte auf das Föhnen meiner Haare, die werden von selbst trocken, außerdem hasse ich das Geräusch vom lauten Föhn.
Als ich mich nackig in mein Zimmer begebe, bemerke ich, dass meine Matratze komplett abgezogen wurde und das Fenster offen steht. Mir ist die Situation so peinlich und ich zieh fix die Kleidung an, die mir meine Mama bereitgelegt hat. Als ich schnell mein Hausaufgabenzeug von gestern Abend zusammenpacken will, bemerke ich, dass oben drauf der blaue Schlüssel liegt.
„W-wie kann das sein… E-es w-war doch nur ein T-Traum“, stammle ich, während ich den Schlüssel inspiziere. Ich würde mich gerne weiter damit beschäftigen, aber meine Mama ruft mich zum Frühstück und wenn ich jetzt nicht gleich komme, gibt es bestimmt Ärger. Also werf ich mir meinen Schulranzen über meine Schulter und haste die Treppe runter Richtung Esszimmer. Als ich meinen Ranzen in die Ecke pfeffere, damit ich mich an den Esstisch setzen kann, schaut mich meine Mama mit einem mahnenden Blick an.
„Tschuldigung“, murmle ich und will mich an das Essen machen, als mich meine Mama ein weiteres Mal stoppt.
„Vergiss deine Tablette nicht, Schatzi. Wir haben heute Nachmittag einen Termin bei Frau Dr. Mirner, da solltest du deine Medizin vorher nicht vergessen.“
Ich stöhne auf, aber schlucke die Pille brav mit einigen Schluck Orangensaft herunter.
Als ich fertig bin mit Frühstücken zieh ich mir meine blauen Chucks an, die ich nach langen Diskussionen mit meiner Mama bekommen hab. Es sind sogar Chucks mit Klettverschlüssen. Das ist auch wieder etwas, was ich nicht kann im Gegensatz zu meinen Klassenkameraden: Schuhe binden. Ich kann es einfach nicht, egal wie sehr ich es versuche. Meine Mama meint, dass ich das langsam lernen sollte, aber es will einfach nicht in meinen Kopf rein. Mir ist das unangenehm, aber Klettverschlüsse sind doch eh so viel praktischer, als Schnürsenkel. Das geht doch viel schneller.
Der Schulweg ist immer etwas komisches für mich. Einerseits liebe ich die Ruhe am Morgen und die kühle, frische Luft, aber andererseits weiß ich, dass mir ein weiterer Tag voller Schikane bevorsteht. Und so spannt sich jede Faser meines Körpers an, scheinbar bereit für eine neue Runde der Beleidigungen und der gestellten Beine.
—–
Mein Schultag läuft so, wie er eigentlich immer läuft: Meine Klassenkameraden beleidigen mich; Ich sage, dass sie es lassen sollen, aber das ist denen egal; Meine Klassenlehrerin schimpft, weil ich wieder mal die Hausaufgaben nicht gemacht hab, obwohl ich es wirklich gern machen würde; Meine Klassenkameraden lachen mich aus; Ich kann mich auf nichts konzentrieren und bau die ganze Zeit aus Stiften und Linealen Flugzeuge; Meine Lehrerin fragt mich etwas, aber ich hab nicht aufgepasst und stammle vor mich hin; Meine Klassenkameraden lachen mich wieder aus; Meine Gedanken schwirren immer mehr im Kreis herum und meine Konzentration sinkt immer mehr; Endlich Pause, aber meine Klassenkameraden stellen mir ein Bein, dem ich aber inzwischen ausweichen kann, weil ich das gewohnt bin; Meine Klassenkameraden lachen mich trotzdem aus und beleidigen mich wieder; Ich versuche mich von den anderen in der Pause fernzuhalten, aber die lassen mich einfach nicht in Ruhe; Nach der Pause alles wieder von vorn.
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Als ich nach Hause komme, will ich mich am liebsten direkt in meinem Zimmer verkriechen, aber meine Mama erinnert mich direkt an meinen Termin bei meiner Kinderpsychologin.
„Wie wärs, wenn wir nach dem Termin bei Frau Dr. Mirner noch ein Eis essen gehen mein Schatz?“
Ich nicke nur traurig und stell meinen Schulranzen in meinem Zimmer ab, um danach mit meiner Mama zur Ärztin zu fahren.
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Die Praxis von Frau Dr. Mirner ist schon ein paar Jahre alt und ein bisschen merkt man es an der Einrichtung. Ich bin eher ungern dort, weil die Ärztin immer einige Zeit allein mit meiner Mutter spricht und ich dann noch im Wartezimmer zwischen anderen kaputten Kindern spielen soll, bis ich auch dazugerufen werde. Denk ich wirklich, dass ich kaputt bin? Ja, irgendwie schon. Ich wär gern einfach woanders, wo ich sein kann wie ich bin, aber ich bin anders und pass hier nicht rein und wahrscheinlich nirgendwo.
„Mika Paidi bitte ins Zimmer zwei“, höre ich eine freundliche Sprechstundenhilfe sagen und ich steh auf und sie läuft mir hinterher, bis ich ins Zimmer zwei eintrete. Das ist jedes Mal so. Bestimmt, falls ein Kind abhauen will. Nicht, dass ich das schon gemacht hätte, aber manchmal würde ich es gerne, weil die Ärztin ziemlich doofe Fragen stellt.
Ich schließe die Tür vorsichtig hinter mir.
„Hallo Mika“, die Ärztin hält mir ihre Hand hin.
„Hallo“, antworte ich wortkarg, ergreife kurz ihre Hand, um mich dann auf den Stuhl neben meiner Mama, vor dem Schreibtisch zu setzen.
„Wie geht es dir heute?“, fragt Frau Dr. Mirner direkt die erste blöde Frage. Wie solls mir schon gehen? Aber ich kenn die einzige Antwort, die ich darauf jedem gebe: „Passt schon“
Doch die Ärztin gibt sich damit nicht zufrieden; „Wie läufts bei dir in der Schule?“
„Joa, passt auch“ Wie soll ich das nur erklären?
„Und wie wirken deine Medikamente? Kannst du dich besser konzentrieren?“
„Ist schon in Ordnung“ Keine Ahnung.
Die Ärztin schaut mich forschend an, während mein Blick durch das Zimmer wandert, immer wieder kurz in ihr Gesicht blickend, weil das so gemacht wird, aber nie in die Augen, weil das das unangenehmste ist. Dann wandert mein Blick aber wieder schnell davon.
„Deine Mama hat mir erzählt, dass du oft in deinem Bett liegst und weinst. Kannst du mir erzählen warum?“
Darauf will sie also hinaus. Ist ja wieder klar, dass meine Mama davon erzählt hat. Aber ich will nicht darüber reden. Ich kann nicht, ohne, dass ich wieder anfange zu heulen. Allein beim Gedanken daran treten mir die Tränen in die Augen und ich hab einen Kloß im Hals. „N-nein“, dränge ich mit viel Mühe heraus, während ich schon das Schniefen und Schluchzen anfange. Ich darf es nicht wieder rauslassen, aber es will einfach herausbrechen. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Ich spüre, wie der letzte Damm bricht und ich heule wie ein Schlosshund. Meine Mama nimmt mich in den Arm. Am liebsten würde ich jetzt davonrennen, aber ich fühle mich so müde und ausgelaugt und kann einfach nicht mehr.
„D-die… I-ich… b-b-besch…“, ich bring nicht mehr als eine Silbe am Stück raus und meine Gedanken rasen so durcheinander, dass jeglicher Versuch sie zu sortieren scheitert. So bleibe ich eine Weile in den Armen meiner Mama, bis sich meine Gedanken langsam wieder beruhigen, auch wenn ich dafür viel Kraft aufbringen muss und die Kopfschmerzen und der Kloß im Hals nur noch unangenehmer werden.
„Schau mal Mika, wie wäre es mit einem anderen Thema?“, fragt mich die Ärztin einfühlsam.
„Mhm“, ich nicke mit Mühe, aber ich glaube langsam hab ich mich im Griff
„Also, ich hab gehört, dass du heute Nacht ins Bett gemacht hast und du solltest wissen, dass das in deinem Alter völlig normal ist. Du wirst älter und dein Körper wächst und deine Blase braucht vielleicht etwas mehr Zeit zum Mitwachsen. Das legt sich bestimmt bald wieder.“
Meine gerade aufgebauten Schilde fallen wieder und ich heule wieder; „N-nein… d-das ist… a-a-anders…“
Die Kinderpsychologin schaut mich leicht überrascht an; „Kannst du mal bitte kurz vor die Tür gehen? Ich muss kurz mit deiner Mama etwas besprechen. Dauert auch nicht lange, versprochen.“
Meine Gedanken rasen wieder und ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, aber ich steh auf und torkle aus dem Zimmer auf einen Stuhl im Flur, auf den ich mich fallen lasse. Ich würde gerne anhören, was die beiden bereden, aber mein Kopf kreist zu sehr und man hört es sicher, wenn ich schluchzend versuche, an der Tür zu lauschen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet sich die Tür und ich werde wieder hereingebeten.
„Schön, dass du heute hier warst. Es war schön dich zu sehen, Mika“, sagt die Ärztin und streckt mir wieder ihre Hand entgegen. Ich ergreife sie schwach, aber bringe kein Wort über die Lippen. Ich hebe nur die Hand zur Verabschiedung und folge dann meiner Mutter nach draußen, nachdem sie ein neues Rezept für mich abgeholt hat.
—–
Im Auto schlafe ich direkt ein und bin immer noch total ausgelaugt, als meine Mama mich bei der Eisdiele angekommen weckt.
Ich bin weiterhin sehr wortkarg und als ich gefragt werde, welches Eis ich möchte, zeige ich nur auf die Abbildung eines Pinocchio-Bechers auf der Karte und sage „Das hier“
Das Eis kühlt meinen Kopf langsam wieder ab und ich kann langsam meine Gedanken ordnen. Ich ärger mich so sehr über mein Verhalten bei der Ärztin, dass ich schon wieder schluchze, aber diesmal geht es zum Glück schneller wieder vorbei, weil mein Kopf weiter abkühlt durch das leckere Eis.
Als wir endlich wieder Zuhause sind, lasse ich mich direkt erschöpft in mein Bett fallen. Meine Mama hilft mir liebevoll in meinen Schlafanzug und mein frisch bezogenes Bett und ich schlafe ein, wie ein Murmeltier.
—–
Ich habe einen fast traumlosen Schlaf. Das einzige, an das ich mich erinnere, ist das freundliche Gesicht meines Opas, der mich sanft anlächelt und über meinen Kopf streichelt.
—–
„Guten Morgen Mika, es ist Zeit zum Aufstehen“, sagt meine Mutter sanft, als sie mich am nächsten Morgen weckt. So tief und gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen und ich strecke mich erstmal in meinem warmen Bett, bis ich meine Decke zurückschlage und meine Laune wieder direkt im Keller ist. Mein Bett ist schon wieder nass. Dieses Mal ist es sogar noch mehr. Wie kann das nur sein?
„Oh nein mein Schätzchen, nicht schon wieder. Geh duschen, ich mach hier wieder sauber und später unterhalten wir uns darüber nochmal.“
Ich geh resigniert ins Bad, lege meinen nassen Schlafanzug in den Wäschekorb und dusche mich ab. Erst jetzt werde ich langsam richtig wach. Ich hab jetzt zwei Mal in Folge ins Bett gemacht. Ich bin ein Bettnässer. Das darf auf keinen Fall jemand aus der Schule erfahren, sonst bin ich geliefert. Ich bin verzweifelt, aber dieses Mal bringe ich keine Tränen heraus. Mein Fass ist gestern übergelaufen und jetzt hab ich zumindest kurz die Kontrolle.
Autor: DiaperO (eingesandt via E-Mail)
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Dieser Teil heißt: „Zwischen Pillen und Pinocchio“ und Teil 1 hieß übrigens „Ein nicht ganz normaler Junge“) Keine Ahnung, warum das vom Text geschnitten wurde.
Ich hoffe, es hat euch auch dieses Mal gefallen und ich freue mich natürlich wieder über konstruktives Feedback und eventuelle Ideen für die Geschichte. Teil 3 ist noch in Arbeit, aber sollte bald fertig sein. Vielen Dank!
Die Geschichte gefällt mir bisher sehr gut. Dieses „vergiss deine Tablette nicht“ hat mich direkt an meine Kindheit zurückerinnert. Mal gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt. Ich gehe stark davon aus, dass er nun nachts Windeln tragen muss. Immerhin macht ihm seine Mutter ja auch immer noch ein Lätzchen um.
Vielen Dank für das Feedback! Mal sehen, was Mikas Mama so als nächstes macht…