Projekt Probezeit
Windelgeschichten.org präsentiert: Projekt Probezeit
Teil: 1
Deine Geschichte: „Ich verstehe einfach nicht, warum du so dagegen bist.“, sagte Dan. Er führte ruppig den Löffel mit Müsli zu seinem Mund und verschüttet dabei Milch. Sie landete nicht nur auf dem Tisch, sondern auch auf seinem Schlafshirt, welches er noch trug. Ein paar Tropfen landeten in seinem Dreitagebart. Trotzdem schaffte er es wütend auszusehen.
Nancy legte ihr Handy zur Seite, griff über den Tisch und rieb Dan mit dem Daumen die Milch vom Kinn. Sie sah ihn weder verärgert, noch belustigt an. Dan ließ seinen Löffel sinken, als ihm das Wort „traurig“ für ihren Ausdruck in den Sinn kam. Er sah sie an, die strenge weiße Bluse und eine dazu passende Stoffhose. Repräsentativ für den Außendienst. Dabei hatte sie heute einen Bürotag.
Ihre Blicke trafen sich und Nancy sah letztlich flüchtig auf seine Schlafsachen. Er schluckte hörbar und hoffte, dass nicht wieder das kam, was er befürchtete.
Zu seinem Glück zwang sich Nancy zu einem Lächeln, sah auf die Küchenuhr und meinte: „Du, heute wird es wahrscheinlich etwas später. Ich muss die Präsentation unbedingt fertig bekommen und dann planen Sabine und ich noch die demnächst anstehenden Reisen.“
Dan presste die Lippen aufeinander und nickte. Im vorbeigehen gab Nancy ihm noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Sie schulterte ihre Tasche, kam zurück und stellte ihre Kaffeetasse in die Spüle. Sie hatte schon ihre Hackenschuhe an und Dan wusste,dass ihr heute Abend wieder die Füße weh tun würden. Es machte ihm nichts aus, ihr diese zu massieren. Trotzdem verstand er nicht, was gegen normale Schuhe sprach, die ihren Füßen nicht wehtaten. Wenn er sie darauf ansprach,bekam er nur ein: „Das verstehst du nicht.“
Erneut stieg Ärger in ihm auf, offenbar verstand er eine ganze Menge nicht. Zumindest in ihren Augen.
Wütend über die gefühlte Kränkung stand er auf und nahm ihr den Kaffee-to-Go-Becher aus der Hand: „Nancy, ich will eine Antwort! Was spricht dagegen? Warum willst du kein Baby mit mir?“
Er trat noch näher an sie heran und die Küchenzeile hinderte Nancy daran weiter vor ihm zurück zu weichen. Letztlich entschied sie sich dafür zurückzuschießen, obwohl sie ihm anfänglich nicht in die Augen sehen konnte.
„Muss ich dir das wirklich sagen?“, sie zupfte an seiner Pyjamahose und fand wohl den Mut ihm im die Augen zu sehen: „Ich muss gleich los und du bist noch nicht mal angezogen! Wann hast du dich zum letzten Mal rasiert oder dir die Haare schneiden lassen? Weißt du was ein Baby an Verantwortung mit sich bringt? An Arbeit? Wenn ich nach Hause komme wirst du nicht mal meine Kaffeetasse abgewaschen haben, geschweige denn das“, sie deute auf seinen Platz, wo sich die Müslischale und die Milchflecken befanden, „weggeräumt und sauber gemacht haben!“
Er trat einen Schritt von ihr zurück und verschränkte seine Arme: „Ich arbeite auch, Nancy! In Vollzeit!“
Sie schnaubte: „Oh ja, dass tust du und trotzdem bin ich die Hauptverdienerin! Und obwohl ich eine Überstunde nach der anderen schiebe hältst du es nicht für nötig etwas im Haushalt zu übernehmen! Du machst hier gar nichts, Dan! Es sei denn es geht mal darum eine Pizza oder irgendein Spiel für dein X-Box zu bestellen!“
Dan verkniff sich zusagen, dass es sich bei seiner Konsole um eine Playstation handelte. Ihm war bewusst, dass es nur Öl in ihrem Feuer wäre. Er ließ Nancys Wutanfall wie eine reißende Welle über sich ergehen und würde Luft holen, sobald sie über ihm brach und weitergezogen war.
„Wenn mein Gehalt wegfällt, können wir uns kaum die Miete leisten! Und wir bräuchten definitiv eine größere Wohnung. Ich pack das nicht, Dan! Ich kann nicht noch mehr auf meine Schultern nehmen! Und ja du lebst deinen Traum! Aber das läuft über meinen Rücken, weil du nicht siehst, was hier alles läuft! Im Grunde habe ich bereits ein Baby! Ein riesengroßes und ich packs einfach nicht!“
Wut stieg in ihm auf, doch anstatt sie anzuschreien, presste er hervor: „Fein, du traust es mir also nicht zu. Du glaubst nicht, dass ich ein guter Vater wäre!“
„Du zeigst mir nicht mal, dass du ein guter Mann sein kannst.“, zischte Nancy und es traf Dan tief in seinem Inneren. Das saß und es fühlte sich an, als hätte sie ihn in Eiswasser gestoßen. Er japste nach Luft und Nancy schob sich an ihm vorbei. Im Flur nahm sie ihren Blazer vom Haken und zwängte sich rein.
Dan erwachte aus seiner Starre und folgte ihr. Gerade als Nancy nach ihren Schlüsseln griff, legte er seine Hand auf ihre. Erschrocken sah sie auf, denn der Druck seiner Hand presste die Schlüssel schmerzhaft in ihre. Dans Brauen trafen sich in der Mitte und eine Ader war auf seiner Stirn hervorgetreten. Sie wollte ihm sagen, dass sie los musste, Geld verdienen und dass das alles doch Unsinn war. Im Grunde hatten sie es doch gut, so lange sie zu zweit waren. Sie war nur gestresst, wegen des neuen Projekts und der Präsentation. Die Zeit saß ihr im Nacken und dieser Streit machte es nicht besser.
Doch bevor sie den Mund öffnen konnte, fragte Dan: „Wie kann ich es dir beweisen?“
Sie blinzelte und ohne, dass Nancy etwas dagegen tun konnte, traten ihr Tränen in die Augen. Sie schüttelte unmerklich ihren Kopf und Dan wiederholte: „Wie kann ich es dir beweisen, Nanni? Dass ich ein guter Mann bin und ein noch besserer Papa?“
Nun schüttelte sie sichtbar ihren Kopf und wischte sich flüchtig eine Träne weg: „Hilf mir, Dan! Ohne, dass ich dir alles sagen muss! Schau dich um und sieh doch einfach mal die Dinge, die gemacht werden müssen! Ein Baby sagt dir auch nicht, was es braucht. Es weint und schreit einfach! Egal wie müde du bist oder wie krank, egal wie die Wohnung aussieht oder das Konto…“
Sie sahen sich an und Dan nickte: „Gib mir Zeit.“
Sie lachte bitter: „Zeit! Wir Sind seit drei Jahren verheiratet und du bist noch genauso, wie… Ach Mann! Wie viel Zeit willst du noch, Dan?“
Er nickte, nicht mal wütend. Ihre Worte trafen ihn, doch in Dan reifte ein seltsamer Gedanke. Nancy hatte es ja selbst gesagt: „Ein Baby weint und schreit einfach…“
„Gib mir ein halbes Jahr.“, bat er, „Dann werde ich dir zeigen, dass ich nicht nur ein wunderbarer Mann bin, sondern auch ein guter Vater. Okay?“
Sie schnaubte und Dan wusste, dass Nancy ihm kein Wort glaubte: „Fein, zeig es mir in einem halben Jahr! Aber lass mich jetzt losfahren! Ich kann es mir nicht leisten zu spät zu kommen und du kannst es dir auch nicht leisten!“
Er ließ sie los. Nancy schnappte sich ihre Schlüssel und verließ die Wohnung mit einem lauten Knallen der Eingangstür. Dan sah flüchtig zur Garderobe. Sie hatte sich nicht mal einen Mantel übergezogen und heute sollte es schneien. Er holte tief Luft, stütze sich mit einer Hand auf dem Schuhschrank ab und rieb sich mit der anderen übers Gesicht. Als er sich wieder gefangen hatte, starrte er seine Reflektion im Wandpiegel an: „Da hast du dir ja ganz schön was eingebrockt.“
Er richtete sich auf und rollte seinen Nacken. Es knackte laut und Dan rieb sich über die Stelle. Danach sah er seine Reflektion schon energischer an: „Na dann los!“
Eigentlich hatte Dan nicht vorgehabt seinen freien Tag mit dem aufräumen der Wohnung zu verbringen, doch ihm war klar, wollte er Nancy überzeugen, dass er einige Zeit dafür aufwenden würde müssen.
Doch vorher musste er sich um etwas anderes kümmern und dafür setzte er sich an seinen Laptop. Schnell waren einige Suchbegriffe eingetippt und Dan öffnete Word, um sich eine Liste zu erstellen. Er suchte nach Haushaltsführung, Finanzen, Stressbewältigung, Erfolg, Rollenbildern und was einen guten Vater ausmachte. Dabei stieß er auf Seiten für alleinerziehende Väter und Dan brummte gegen Mittag der Kopf. Er war noch nicht fertig mit seinen Recherchen. Noch lange nicht! Doch was ihm gefiel war, dass er sich zumindest schon mal einen Haushaltsplan erstellt hatte. Nancy wollte kein Baby, weil diese angeblich zu viel Arbeit machten. Nun, Dan war davon überzeugt, dass man mit der richtigen Struktur alles erreichen konnte. Es war wie beim Krafttraining. Du konntest da nicht einfach drauf loslegen, nein, du musst schon dein Ziel kennen und deine Schwächen. Welche Partien fielen einem leicht und welche bräuchten mehr Aufmerksamkeit? Man brauchte eben einen vernünftigen Trainingsplan.
Während Dan alle Sachen die irgendwie rumlagen in einem Wäschekorb zusammen sammelte, musste er sogar lächeln. Nancy war einfach eine Perfektionistin. Er hingegen war sich sicher, dass es einen weiterbrachte unperfekt anzufangen und dann eben die Feinheiten nach zu bessern, mit dem Plan, den man hatte. Jetzt würde er sich daran gewöhnen müssen, beides zu vereinen, um sie zufrieden zu stellen. Das würde Zeit in Anspruch nehmen.
Es war später Nachmittag, als Dan auf dem Sofa lümmelte und sich Pizza und Bier genehmigte. Schließlich hatte er frei und war mehr als fleißig gewesen. Den Wäschekorb im Schlafzimmer voll mit Zeug, von dem er nicht wusste, wo es eigentlich hingehörte, ignorierte er dabei. Er zappte durch das Fernsehprogramm und kratzte seinen Bart.
„Fuck!“, dachte er, „Da war ja noch etwas.“
Immerhin hatte er es geschafft aufzuräumen, Staub zu wischen und zu saugen. Dabei waren ihm immer mehr Dinge aufgefallen. Erstmal lag wesentlich mehr Kram von Nancy rum, als von ihm. Ihre Sachen waren unorganisiert und schienen unendlich viel zu sein. Dann war da noch die Schwierigkeit mit den Schränken und Regalen. Selbst geschlossene Schränke müssten dringend mal ausgeräumt, ausgewischt und wieder eingeräumt werden.
„Wäre leichter, wenn wir weniger Zeug hätten.“, sagte Dan zu sich selbst und trank noch einen Schluck aus seiner Flasche.
Das Klacken des Hausschlüssels ließ ihn sich aufrichten. Müde rieb er sich übers Gesicht und stand auf. Nancy hatte im Flur ihre Schuhe abgestreift und ließ sie quer im Raum liegen. Dan nahm das mit einer hochgezogenen Augenbraue war. Sie regte sich über Unordnung auf, verbreitete aber selbst die meiste. Es wäre doch ganz einfach, wenn sie ihre Schuhe jetzt in den dafür vorgesehen Schrank stellen würde. Es war lediglich ihr abgeschlagenes Gesicht und der kleine Niesanfall, der ihn davon abhielt etwas zu sagen. Sie schnäuzte sich die Nase und sah Dan dann an. Plötzlich wirkte sie gar nicht mehr so erschöpft. Ihre Augen weiteten sich und kurz darauf wurden sie schmal: „Du bist ja immer noch im Schlafanzug! Ich fasse es nicht!“
Sie kam näher auf ihn zu und schnupperte: „Ach und Bier konnte der Herr auch trinken, anstatt mal unter die Dusche zu gehen!“
Dan kämpfte mit der aufsteigenden Wut, doch was hatte er gelesen? Zetern und Schreien bringt nichts, wenn das Baby brüllt. Dann geh deine Checkliste durch. Innerlich zuckte er zusammen, dass ihm ausgerechnet das in dem Zusammenhang einfiel, trotzdem verfolgte er den Gedanken. Was hatte darunter gestanden? Ach ja, meistens hilft es erstmal das schreiende Etwas hoch zu nehmen und mit ihm zu kuscheln. Dan wusste, dass er hier seine Frau Nancy vor sich hatte, aber im Grunde brüllte sie ja auch nur grundlos. Also was konnte es schaden?
Er zuckte leicht mit den Schultern, schob seine Arme unter ihren Achseln und nahm Nancy, zu ihrem Schrecken, hoch. Sie schlang ihre Beine um seine Hüften und riss die Augen auf: „Was machst du?“
Das fragte sich Dan auch. Er dachte an die Checkliste für Säuglinge: Hunger, Müde, zu warm, zu kalt, Windel voll oder einfach nur Nähe benötigt? Eigentlich war es doch ganz einfach.
Dan trug Nancy unter ihrem Protest ins Wohnzimmer.
Sie hatte ihren Mantel vergessen, also war ihr sicher kalt und nach dem langen anstrengenden Tag auf Arbeit, kamen auch Hunger und Müdigkeit durchaus in Frage.
Er setzte sich mit ihr auf dem Schoß aufs Sofa. Überrascht sah Nancy sich um: „Du hast aufgeräumt?“
„Ja und ein bisschen Staub gewischt und die Böden gesäubert.“, er griff nach der Decke, welche neben ihm lag und wickelte Nancy darin ein. So gut es eben ging. Sie half ihm sogar, in dem sie sich anders hinsetzte. Insgeheim freute sich Dan über seinen Erfolg. Immerhin heulte sie nicht mehr rum. Er griff nach einem Pizzastück und hielt es Nancy hin. Sie zögerte kurz und merkte an: „Dan, meine Diät…“
„Bringt eh nichts, außer dass sie dir noch mehr Stress macht. Ich arbeite dir einen vernünftigen Ernährungsplan aus.“
Sie sah ihn zweifelnd an und er nickte: „Nanni, ich bin Personaltrainer, jetzt lass mich dir doch einfach mal helfen. Das ist doch das, was du wolltest. Oder habe ich das Gespräch von heute morgen falsch in Erinnerung?“
Sie sah ihn an und schüttelte nach kurzem Zögern ihren Kopf. Dan grinste breit, als er zufrieden zusah, wie sie von dem Pizzastück in seiner Hand abbiss. Seine Nanni, warm und behaglich in eine Decke gewickelt, ruhig und um sie eine aufgeräumte Wohnung… Dan gab zu, dass er das gar nicht so schlecht fand. Er gab ihr auch Schlucke aus einer Colaflasche, die er für sie bereit gestellt hatte. Nicht förderlich für Nancys Diät, aber sie schien zufrieden in seinem Arm, seufzte leise und schlief nachdem Essen einfach in Dans Arm ein. Den gemeinsamen Film, welchen sie unbedingt sehen wollte, bekam Nancy gar nicht mit. Erst als Dan nach der Fernbedienung griff, regte sie sich etwas.
Er stellte um und ignorierte ihr leises: „Ich guck das noch.“
Lieber küsste Dan ihre Stirn und sah sich eine andere Sendung an. Ohne weitere Störungen, wie er zufrieden feststellte.
Am Ende trug Dan seine Nancy ins Bett und als er neben ihr lag, war er mit sich und den Grundzügen seines Plans sehr zufrieden. Offenbar funktionierte es und er müsste sich gar nicht so sehr mit Beziehungsratgebern auseinander setzen, wie er anfangs befürchtet hatte. Scheinbar lag die Lösung ihrer Beziehungsprobleme in einer ganz anderen Richtung.
Nancy schmuste sich mit einem leisen Seufzen an Dan und er lächelte. Morgen würde er eine Prioritätenliste erstellen und seine Recherche etwas umstellen. Da musste es doch etwas geben, dass mehr in diese Richtung ging.
Autor: Bic (eingesandt via E-Mail)
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Hallo ihr Lieben, da ich die Erlaubnis bekommen habe die Idee von „Vater auf Probe- das Experiment“ aufzugreifen, wollte ich euch gern den Anfang präsentieren. Es wird eine Kurzgeschichte, allerdings in mehreren Teilen. Ich wünsche euch viel Spaß und hoffe sehr, dass euch der Ansatz gefällt.
Auch wenn ich eigentlich auf die Fortsetzung von Alice gewartet habe, liebe ich einfach deinen Schreibstil.
Die Fortsetzung von Alice wird kommen. Aber ich wollte mir die entsprechende Zeit nehmen. Zu schnell wird einfach nicht gut.
Und das hier ist eine nette Abwechslung für zwischendurch, da es „nur“ eine Kurzgeschichte wird.
Es freut mich aufrichtig, dass dir der Stil gefällt.
Hey, Ja Dein Stil ist wirklich sehr geschmeidig und einzigartig. Ich bin schon sehr gespannt wie es weitergehen wird. Bye bye