Windelfreunde (3)
Dieser Eintrag ist Teil 3 von 3 der Serie Windelfreunde Windelgeschichten.org präsentiert: Windelfreunde (3)

Kapitel 3:
Mut: Sich überwinden
Dezember 2012
Das Quietschen der alten Haustüre hörte man bis in Jakobs Kinderzimmer hoch, obwohl die Zimmertür zu war. Sofort sprang Jakob auf, rutschte mit seinen Strumpfhosensocken über die glatten Holzdielen bis zum Fenster und sah hinaus: »Guck, sie fahren endlich!«, rief er aufgeregt und zeigte auf einen grauen Opel Zafira, der aus der Einfahrt herausrangierte.
Fenix sah von seinem Nintendo DS auf, er hatte ihr gemeinsames Spiel pausiert sobald Jakob aufgesprungen war: »Sollen wir das echt machen?«, zweifelte er.
Jakob drehte sich um und hockte sich vor seinen Freund. Durch seine grüne Strumpfhose schimmerte deutlich eine dicke weiße Pampers hindurch und Fenix malte sich sehnsuchtsvoll aus, wie kuschelig sich die Kombination aus Windel und Strumpfhose für seinen Freund wohl anfühlen musste.
»Klaaar!«, versuchte Jakob seinen Freund zu überzeugen und legte eine Hand auf dessen Knie: »Guck, wenn meine Eltern wiederkommen müssen wir eh längst im Bett sein, also können die gar nichts davon mitbekommen!«
»Und deine Schwester sagt wirklich nix, glaubst du?«, haderte er. Fenix war nervös, immerhin redeten sie hier von etwas bei dem ihm ziemlich klar war, dass es nicht erlaubt war.
»Glaub ich?«, wiederholte Jakob: »Nö! Das weiß ich! Ich kann sie aber auch vorher fragen, wenn du willst …«
»WAS?! Nein, nein …«, erschrak Fenix: »Auf keinen Fall, das ist viel zu peinlich!«
Jakob legte den Kopf schief: »Okaay … also erstens … wird es doch grade eh schon dunkel und du übernachtest heute bei mir. Da können wir uns doch auch jetzt schon unsere Schlafanzüge anziehen. Und zu unseren Schlafanzügen gehören nunmal Windeln! Weil wir Bettnässer sind … Das kann keiner komisch finden!«, er holte kurz Luft: »Und zweitens: Robin findet das auf keinen Fall schlimm! Die hat mich doch sogar selbst überredet, dass ich in der Schule wieder Pampers trage! Da wäre es doch total sinnlos wenn sie …«
»Deine Schwester hat WAS gemacht?!«, staunte Fenix.
»Äh, ja … erzähl ich dir später! … Wenn du ne‘ Pampers anhast!«, grinste Jakob: » … Sonst, naja, die Geschichte ist so lang, da musst du sonst aufs Klo zwischendurch! Also nö, eigentlich Quatsch, aber jetzt komm schon …«, bettelte er aufgedreht und voller Elan, wie Jakob eben war, wenn ihn etwas wirklich interessierte. Seine Worte überschlugen sich fast und am Ende seines Satzes war er aufgesprungen und zu seiner Kommode gehechtet.
Nun hielt ihm sein elfjähriger Freund theatralisch eine zusammengefaltete Pampers entgegen: »Jetzt neu, im Kühlregal!«
Da musste Fenix lachen.
Endlich.
Schon seit sie vom Essen aufgestanden waren versuchte Jakob ihn von seinem Plan zu überzeugen. Jakobs großer Bruder Dave war weg, also hatte Familie Kerkwald nur zu viert am Esstisch gesessen, mit ihm zusammen waren sie fünf. Fenix wusste zuerst nicht, wo er sich setzen sollte, denn es waren nur drei Teller gedeckt. Ein Gedanke schoss ihm sofort in den Kopf: Hatten sie ihn vergessen?
Doch Jakob bemerkte sein zögern und klopfte ganz selbstverständlich auf den Bankplatz neben sich: »Komm!«
Wie Fenix kurz darauf klar wurde hatte ihn niemand vergessen, stattdessen stand für Jakobs Eltern nichts auf dem Tisch.
»Volker und ich fahren heute Abend nach Hannover, zum Essen. Ist das nicht schön?«, hatte Jakobs Mutter erzählt, kaum hatten sie sich hingesetzt.
Daraufhin blickte Robin von ihrem Teller auf: »Und ich soll auf die Jungs aufpassen?«
Mutter und Tochter wechselten gereizte Blicke.
»Na komm, ihr versteht euch doch so gut, das ist doch nicht zu viel verlangt!«, verteidigte sich Jakobs Mutter.
Robin hob entschuldigend die Hände: »Ich bin aber nicht da …«
Ihre Mutter war entsetzt: »Wa … hm, also …«
»Doch, bin ich …«, unterbrach die Fünfzehnjährige ihre Mutter: »Aber könnte ja sein. Du musst mich schon vorher fragen! Ich kann nicht immer eure Bereitschafts-Babysitterin sein!«
Jakob legte eine Hand auf den Arm seiner Schwester, die neben ihm am Kopfende des Tisches saß, genau gegenüber ihrer Mutter: »Tut mir leid …«, sagte er ihr leise.
Schnell drehte sich Robin zu ihrem kleinen Bruder: »Dir muss garnichts leid tun, Bärchen …«, sagte sie sanft.
»Aber mir tut es leid«, meldete sich nun auch Jakobs Papa zu Wort, ein meist ruhiger, schmaler Mann mit Schnurrbart und grauen Haaren der schon einige Jahre älter sein musste als es Fenix Vater war. Volker, so hieß Jakobs Vater, schien kurz zu überlegen, dann schlug er vor: »In drei Wochen ist doch schon Weihnachten, wollt ihr vielleicht Plätzchen backen?«
Zumindest Jakob hatte er überzeugt: »Ohhh jaaa, bitte!«
Und damit auch Robin. Selbstverständlich auch Fenix. Natürlich fand der Zehnjährige die große Schwester seines Freundes toll. Robin war immer lieb zu ihnen und nahm sie ernst, obwohl sie noch Kinder waren. Sie war wie sein großer Bruder Nick, nur dass Robin alles hinzubekommen schien, mit Leichtigkeit. Und sie war immer gut gelaunt – bis grade. Das war das erste Mal, dass Fenix die Fünfzehnjährige genervt gesehen hatte.
Mit der Aussicht vor Augen, später Plätzchen zu backen und vorher Nintendo DS spielen zu dürfen aßen die beiden Jungen ihre Nudeln in Rekordzeit. Erst als sie aufsprangen und wieder nach oben liefen lies Jakob durchblicken, dass er beim Essen noch einen weiteren Plan ausgeheckt hatte: »Wenn Mama und Papa nachher wegfahren kannst du ja schon viel früher deine Pampers anziehen!«, hatte er ihm verschwörerisch zugeraunt.
Etwa eine Stunde später, um kurz nach fünf Uhr am Nachmittag, gab sich Fenix einen Ruck und griff zögerlich nach der Windel: »Aber wenn Robin das irgendwie komisch findet, dann sagen wir, das war deine Idee, okay?«
Jakob stimmte sofort zu, woraufhin Fenix erst die Pampers nahm, dann seinem Rucksack einen Schlafanzug entnahm und schließlich ins Bad verschwand. Kaum war er rausgegangen, suchte auch Jakob in dem chaotischen Kinderzimmer nach seinem eigenen Schlafanzug. Nach einigen Minuten des Suchens fand er ihn unter seinem Hochbett, wo er heute Morgen von Robin gewickelt worden war. Pulli und Strumpfhose streifte er ab und ließ sie achtlos ebenda liegen, bevor er sich die hellblaue Schlafanzughose über seine moderat nasse Windel zog und anschließend auch das Oberteil überstreifte. Selbst die noch recht dünne Pampers konnte der enganliegende Schlafanzug kaum verbergen. Natürlich waren Schlafanzüge für zehnjährige Jungs nicht passend für Windeln geschneidert und so spannte seine Hose vor allem am Po: Zwischen dem roten Saum der Hose und der Unterkante des Oberteils klaffte ein fast handhoher Spalt durch den Jakobs Pampers weiß hervorblitzte.
Vielleicht war sein Schlafanzug ihm aber auch einfach etwas zu klein, denn die hellblau-dunkelblau-gestreifte Schlafanzugkombi, mit der Fenix fünf Minuten später wieder in sein Zimmer schlich versteckte die Windel darunter wesentlich besser. Beinahe schon zu gut!
»Hast du die wirklich an?«, wunderte sich Jakob, der die Zeit, die er auf seinen Freund gewartet hatte damit überbrückt hatte in seiner Kiste nach einem Legoteil zu suchen, das er nächste Woche mit in die Kinderbetreuung nehmen wollte.
Fenix nickte schüchtern, sagte kein Wort aber hob den Saum seines Sweatshirts hoch. Die grellgrünen Bündchen, die weit aus seiner Hose abstanden waren ein klares Zeichen.
»Und?«, fragte Jakob aufgeregt.
»Cool …«, antwortete Fenix und bemühte sich sichtlich, leise zu sprechen. Dabei war er noch viel aufgeregter als Jakob: »Das ist soo toll, dass die so weich sind! Und so dick zwischen den Beinen, das spürt man richtig beim Gehen!«
Jakob zog einen Mundwinkel hoch: »Da ist noch gar nichts dick, wart‘ mal bis die voll ist«, grinste er leicht protzig.
»Echt?«, wunderte sich Fenix: »Die, die ich an deinem Geburtstag anhatte, war auch nicht soo viel dicker nachher …«
»Die war auch überhaupt nicht richtig voll«, beharrte Jakob: »Du musst schon richtig viel reinpullern. Aber das lernst du heute alles noch!«
Fenix sah skeptisch zu seinem angeberischen Freund, der etwas zu übertreiben schien. Doch dann dachte er daran, wie prall Jakobs Pampers manchmal waren und war sich plötzlich nicht mehr so sicher in seiner Einschätzung.
Naja, er würde das heute herausfinden, damit hatte Jakob auf jeden Fall recht.
August 2023, 21:35
Vom Bahnsteig der U-Bahnstation Elbbrücken hatte man eine wunderschöne Aussicht auf Norderelbe und Hafencity. Es war warm und die Sonne zog lange Schatten durch die stählerne Wabenkonstruktion welche den gläsernen Bahnhof einhüllte wie ein futuristischer Rebstock. Nun lebte Jakob schon fast ein ganzes Jahr in Hamburg, doch verstand grade wieder, wie wenig er diese Stadt überhaupt kannte.
Weit hinten konnte er die Elbphilharmonie sehen. Davor Reihen von Bürokomplexen welche fast bis zur Kaimauer der Elbe reichten, an der es steil ins tiefblaue Wasser ging. Hunderte Kräne soweit das Auge reichte, entweder zum Verladen von Schiffsgut oder zum Bau von weiteren Bürogebäuden.
Doch das war alles uninteressant und an diesem Abend völlig egal.
Direkt vor dem Bahnhof lag, was Jakob so viel Herzklopfen bereitete:
Ein Schiff.
Groß, mit hellblauem Rumpf, weißen Wänden und türkisgrünem Deck.
Nicht so groß wie ein Kreuzfahrtschiff, bei weitem nicht.
Doch groß genug für den heutigen Abend und für etwa zweihundert Menschen von denen einige schon draußen an der Anlegestelle warteten.
Jakob nahm all seinen Mut zusammen und lief nach unten. Plötzlich konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Was, wenn er jetzt doch zu spät kam? Wenn er seine Freunde nicht finden würde? Er rannte die schmale Promenade an der Kaimauer förmlich entlang und wurde erst langsamer als er in der Menschenmenge vor dem Schiff einen Jungen mit blauen Haaren sah.
»H-Hey«, murmelte er, kaum war er angekommen.
Eisbär wirbelte umher. Sah ihn überrascht an, brauchte einen Moment, doch dann weiteten sich seine Augen: »Joshiii!«
Es war ungewohnt, mit seinem Nickname angesprochen zu werden.
Plötzlich sahen alle zu ihm: »Meine Güte bist du klein!«
»Ja is soo«, lachte Eisbär: »Du bist ja fast so klein wie Oscar und der darf im Supermarkt nicht mal ne Fanta selber kaufen!«
Er tätschelte Oscars Kopf, doch Oscar drückte den mindestens zwei Köpfe größeren Eisbär spielerisch weg: »Heeee!«, beschwerte er sich lachend.
Die Schnullerkette, die an Oscars Kragen baumelte ergriff Jakobs Aufmerksamkeit. Keinem der Anwesenden war anzusehen auf welche Art von Veranstaltung sie gleich gehen würden, nur Oscar mit seinem Schnuller.
War das mutig oder leichtsinnig?
»Und? Hast dus unfallfrei aufs Klo geschafft eben?«, belebte Pagu, ein dünner blonder Teenager der aus Berlin angereist war das Gespräch nachdem die Gruppe kurz still geworden war weil niemand gewusst hatte was er sagen sollte, jetzt wo Joshi da war.
Der Angesprochene sah den Fragenden empört an.
Aus Reflex: Das durfte er doch nicht so fragen!
Doch dann erinnerte Jakob sich: Hier war er nicht Jakob, sondern Joshi.
Und Joshi machte sich in die Hose ohne dass es schlimm war.
Er lächelte Pagu an, dann zog er die Schultern hoch: »Nöööö. Hab ich nicht …«
»Ohh Joshi, hast du in die Hose gemacht?«, spielte Pagu das Spiel sofort mit.
Grinsend schüttelte Jakob den Kopf: »Nöööö, auch das nicht!«
»Guck«, antwortete Jakob, lupfte sein Shirt für einen Sekundenbruchteil hoch und natürlich erkannten alle Umstehenden sofort was sie da sahen.
Windelbündchen.
»Das heißt eben im Chat hast du nur so getan als wärs dringend?! Komm ey, ich hab echt mitgefiebert!«, empörte sich Oscar.
Jetzt musste Jakob ehrlich lachen: »Neee. Wars auch. Ich hab mir die erst im Wohnheim angezogen, bis dahin wars ziemlich ernst damit mir nicht in die Hose zu machen …«
Das hatte er jetzt ganz ehrlich gesagt, nicht als kleiner Joshi, sondern einfach als Jakob. Keiner verzog eine Miene. Das Eis war längst gebrochen. Ach was, das Eis hatte es nur in Jakobs Kopf gegeben. Sie kannten sich schließlich alle.
Ein paar Minuten standen sie noch draußen in der Abendsonne, tauschten sich über ihre Anfahrt und belanglosen Kram aus bevor sich in der Schlange plötzlich etwas bewegte. Es ging los! Über einen schmalen Bootsanleger gelangten sie auf das Schiff und von dort direkt unter Deck. An einer mit Girlanden und Buchstabenpuzzleteilen verzierten Anmeldetheke zeigten alle ihre Tickets, nannten ihren Spitznamen und standen kurz darauf in einer Art Umkleidebereich.
Musik schallte Dumpf zu ihnen, links und rechts drängten Menschen an ihnen vorbei und legten Rucksäcke und Taschen in metallenen Spinden ab. Manche gingen einfach so durch, andere tauschten ihre Straßenkleidung gegen bunte ABDL-Outfits.
Oscar, der zwar ein ganzes Jahr jünger als Jakob war, aber der schon seit langem auf ABDL-Parties ging zog sich seine Hose aus und ließ darunter einen bunten, weiß-roten Body zum Vorschein kommen als wäre es das normalste der Welt.
Doch auch die anderen tauschten blitzschnell ihre Outfits.
Eisbär wechselte von einer hellblauen Jack&Jones-Jeans und Abercombie-Shirt in einen blau gemusterten Strampelanzug.
»Ist das nicht zu warm?«, fragte Pagu.
»Nee, kuschelig!«, insistierte Eisbär, dann fiel sein Blick auf ihren Neuzugang: »Alles okay, Joshi?«
»Ähh …. Ja …«, sagte Jakob leise und klang dabei nicht ganz überzeugt. Etwas widerstrebte in ihm, als er sein Tourshirt auszog. Nur kurz waren die Windelbündchen oberhalb seiner Shorts zu sehen bevor er sich sein mitgebrachtes Kindershirt drüberzog. Doch dann hatte er die knallblaue kurze Trainingshose in seiner Hand, die er eingepackt hatte weil sie so kindlich aussah. Doch wenn er jetzt seine Hose wechseln würde, stände er unweigerlich nur mit Windel bekleidet vor seinen Freunden. Mitten im Raum, zwischen den Schließfächern, Bänken und fremden Menschen.
Am dritten Tag der ersten Klasse hatte Jakob zum ersten Mal nur in Windeln vor seinen Mitschülern gestanden. In der kleinen, stetig nach Schweiß riechenden Umkleide der Mehrzweckhalle Kleinfeldern. Es war ein Freitag gewesen, ein warmer Sommertag wie heute. Der neugierige, verspielte Sechsjährige hatte sich grade an das stundenlange Stillsitzen im Klassenraum gewöhnt als seine Klassenlehrerin, eine junge, freundliche Dame namens Frau Harlekin, den fünfzehn Erstklässlern nach der Pause eröffnete, dass sie nun gemeinsam in die Turnhalle gehen würden. Zum Sportunterricht.
Sport würde die ganze Grundschulzeit lang Jakobs Lieblingsfach sein. Doch an diesem Freitag, in dieser Umkleide war gar nichts toll. Wie alle anderen Kinder auch zog Jakob zuallererst seine Sandalen aus, dann seine Hose und schließlich das Tshirt, bevor er seine Sporttasche aufmachte und nach seiner Trainingskleidung suchte. Wie auch er waren die allermeisten Sechs und Siebenjährigen in diesem Moment vor allem mit sich selbst beschäftigt, deshalb bemerkte zu erst niemand etwas. Und viele kannten ihn ja auch schon seit dem Kindergarten und wussten, dass er in mancher Hinsicht nicht altersgemäß entwickelt war.
Doch Marcel nicht: »Guckt mal! Jakob hat ne Windel an!!«
Sofort sahen alle Kinder zu ihm, egal ob sie sich schon umgezogen hatten oder noch nicht. Julian, einer der Jungen mit denen er schon in den Kindergarten gegangen war, schaltete sich prompt ein: »Pass auf, gleich macht er Kaka rein und stinkt hier alles voll!«. Demonstrativ hielt Julian sich die Nase zu.
»Ihhhh«, lachten viele der Jungen.
Julian alberte mit zugekniffener Nase herum und Marcel machte Furzgeräusche mit seinem Mund und zeigte dabei auf Jakob. Der drehte sich panisch um und starrte entsetzt auf seine neuen Klassenkameraden. Mit vielen hatte er in der Pause zusammengespielt, manche zählte er sogar schon zu seinen Freunden. Doch jetzt lachten alle, wirklich alle über ihn. Er hatte sich gar nichts dabei gedacht. Wie oft hatten die anderen Kinder im Kindergarten seine Windeln gesehen, oder seine Verwandten? Oder selbst fremde Leute irgendwo? Natürlich wusste er, dass er ein bisschen zu groß war um noch Windeln zu brauchen, aber dass die anderen Erstklässler das so schlimm fanden verstand er einfach nicht.
Jakob verschränkte die Arme und sah zu Julian. Vielleicht musste er sich nur besser erklären: »Stinker mach ich gar nicht mehr in die Hose!«
Doch das brachte alle nur noch mehr zum Lachen.
Jakob fing an zu weinen: »Die sind nur für den Notfall! Weil manchmal, manchmal, manchmal …« weiter kam er nicht.
Zum Glück hatte Frau Harlekin aus der Turnhalle gehört, dass in der Jungenumkleide etwas ganz und gar nicht gut lief und war ihm zu Hilfe geeilt. Doch der Schaden war getan, Jakob wusste von nun an, was er schon länger geahnt hatte: Als Erstklässler noch Windeln zu tragen war schrecklich peinlich. Er war peinlich.
Es dauerte mehrere Wochen, bis seine Mitschüler nicht mehr lachten wenn er sich in der Sportumkleide umzog, auch wenn die Sticheleien nie ganz aufhörten und zum Ende der Grundschulzeit sogar wieder mehr wurden, erst recht wenn seine Drynites erkennbar nass waren.
In der fünften Klasse auf dem Gymnasium hatte Jakob seine Windeln stattdessen von Anfang an geheim gehalten und sich im Sportunterricht immer nur in einer abgeschlossenen Toilettenkabine umgezogen. Das hatte gut geklappt und auch ansonsten war sein Geheimnis einige Jahre lang sicher gewesen. Vermutlich wäre nie herausgekommen, dass er selbst als Siebtklässler noch Windeln gebraucht hatte, wäre nicht …
»Mach hinne, Joshi!!«, drängelte Oscar und riss Jakob jäh aus seinen Erinnerungen. Selbst Pagu hatte sich mittlerweile umgezogen, was in Anbetracht seines adretten pinken Kleidchens eine ziemliche Leistung darstellte. Nur Jakob war noch nicht fertig. Doch er wollte nicht als schüchtern dastehen, also gab er sich einen Ruck, zog seine Shorts runter und wollte grade in die blaue Hose schlüpfen, da kommentierte Eisbär: »Joshi, die blaue Linie ist aber echt eindeutig …«
Der Nässeindikator auf seiner Pampers-Replica. Vormals eine gelbe Linie, nun blau.
Jakob hob ertappt seinen Kopf, war einen langen Moment verleitet sich nervös umzuschauen, erwartete Gelächter doch dann war er der einzige, der Lachen musste. Weil die Situation einfach so absurd war. »Wenigstens bin ich kein Strampler-Baby!«, revanchierte er sich: »Ich bin schon fast sieben!«
Dezember 2012
»Hui …«, reagierte Robin und hob überrascht eine Augenbraue. Dann stemmte sie die Hände in die Hüften, wie auch Jakob das manchmal machte. Fenix wurde sofort nervös.
»Ist das nicht noch ein bisschen früh für Schlafanzüge?«, gluckste sie.
Fenix wusste überhaupt nicht was er antworten sollte. Genau sowas hatte er befürchtet. Natürlich fand Robin das merkwürdig! Jakobs große Schwester hatte sie grade zum Plätzchen backen in die Küche gerufen nachdem sie die letzte halbe Stunde Still in Jakobs Kinderzimmer gespielt hatten, im Schlafanzug und viel wichtiger: In ihren Nachtwindeln.
Jakob hatte sich keine Gedanken über sein Outfit gemacht sondern war sofort aufgesprungen um nach unten zu rennen. Er sah das völlig locker: »Wir machen Pyjama-Party!«, antwortete er vergnügt und lief ohne den Hauch eines Zögerns zur Küchenzeile an der auch seine Schwester stand.
»Ahh yes, hmmm …«, lachte Robin und durchwuschelte ihrem kleinen Bruder das schwarze Haar: »Das is‘ aber `nen bisschen suboptimal, Kekse backen im Schlafanzug …«, dachte sie laut und musterte den kleinen Jungen. Robin selbst hatte ihre Kleidung wesentlich besser an ihr abendliches Vorhaben angepasst: Sie trug einen geringfügig ausgeleierten, dunkelroten Kaputzenhoodie auf denen in Großbuchstaben Anne-Frank-Gymnasium – 1911-2011 geschrieben stand. Den hatten zum Schuljubiläum letztes Jahr alle Schüler bekommen, David hatte auch so einen. Robin trug ihn nur noch selten. Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt und das Freundschaftsarmband, dass sie sonst immer an der linken Hand trug abgezogen. Mit denselben tiefgründigen dunkelbraunen Augen die auch Jakob hatte sah sie die zwei Jungen an und schnippte mit dem Finger: »Ihr braucht Schürzen!«
Ihre schulterlangen braungelockten Haare wirbelten herum, als sie auf dem Absatz kehrtmachte und den großen Küchenschrank durchkramte. Jakob spielte währenddessen mit den schon zum Backen auf der Küchenzeile bereitliegenden rohen Eiern herum. Robin schien schon einiges vorbereitet zu haben, damit sie gemeinsam Plätzchen backen konnten. Fenix ging gedanklich die Zutatenliste durch, anhand derer er mit seiner Mutter jeden Winter Kekse gebacken hatte. Zu zweit, denn Papa war selten zu Hause gewesen und Nick hatte von seiner Abneigung gegenüber Familienzeit früher nie einen Hehl gemacht.
Mehl, Zucker, Backpulver und Eier, die Grundzutaten waren alle da, sofern Jakob die Eier jetzt nicht noch kaputtmachte. Dann noch kleine Tütchen in denen sowas wie Schokoglasur war – genau konnte Fenix das nicht erkennen, aber was sollte in braunen Backtütchen sonst drin sein?
Es roch nach Vanille, so wie es beim Backen fast immer nach Vanille roch, egal was man backte.
Fenix wollte seinen Freund grade bitten, die Eier abzulegen, da schien Robin gefunden zu haben wonach sie gesucht hatte: »Tadaa!«
Sie hielt zwei Schürzen in der Hand: »Wusst‘ ichs doch das wir die noch haben!«
»Fenix kriegt die Pinke!!«, rief Jakob sofort als er die Schürzen erkannte.
Fenix erschrak, als er die Schürz genauer erkannte. Er sollte eine pinke Mädchenschürze mit glitzerndem Einhorn drauf anziehen? Er widersprach: »Boah nein ey, die ist mega hässlich!«
Robin sah gespielt-empört zu ihm: »Also ich hab mich total gefreut, als ich die geschenkt bekommen hab!«
»Tschuldigung …«, murmelte Fenix und sah zu Boden: »Ich wollte dich nicht …«
Fenix wollte Jakobs große Schwester auf keinen nicht beleidigen. Auf gar keinen Fall. Robin war toll, ein noch besseres Geschwisterkind als Nick. Und noch mehr: Irgendwie erinnerte Robin ihn an seine Mutter. Weil sie immer so fröhlich war, Witze machte und für alle da war.
»Alles Gut, ich fand die mit Acht auch deutlich cooler als Heute, muss ich zugeben …«, zwinkerte sie ihm zu.
»Ich nehm sie«, mischte sich Jakob ein: »Immerhin wars meine Idee mit der Pyjamaparty …«
Er seufzte ein bisschen zu theatralisch und griff nach der Schürze. Daraufhin reichte Robin Fenix die andere Küchenschürze, einfarbig und weiß, ebenfalls in Kindergröße: »Gewonnen«, zwinkerte sie ihm zu.
Fenix strahlte sie an, auch wenn ihm die Schürze wirklich nicht so wichtig war. Er zog die Schürze über, ließ die Bänder links und rechts baumeln und musterte die Ausstechförmchen während Robin grade die Einhornschürze an Jakobs Rücken zuknotete. Das sah wirklich total lustig aus. Sein Freund in einer ihm etwas zu kleinen Mädchenschürze!
»Na komm, ich helf dir auch noch schnell«, sagte sie, sobald sie mit ihrem kleinen Bruder fertig war.
Fenix wollte die Hilfe grade gewohnheitsmäßig ablehnen, da stand Robin bereits hinter ihm und knotete die zwei Bänder in seinem Rücken zusammen. Die Hände der Fünfzehnjährigen waren ganz warm. Moment mal, kam der Vanillegeruch etwa von ihr? Waren das gar nicht die Plätzchen-Zutaten, die so angenehm dufteten?
Robin schaffte es, dass sich selbst eine Küchenschürze kuschelig anfühlte. Ganz behutsam zog sie den Knoten zu, bis er fest aber nicht zu eng war. Die Fünfzehnjährige strich sogar sein Schlafanzugshirt glatt, dass sich im Knoten verheddert hatte … und stockte plötzlich: »Oh … warum hast du denn auch schon eine Pampi an?«
Pampi. Fenix Knie wurden weich. Er hielt den Atem an.
Doch Einhorn-Glitzer-Jakob war zur Stelle: »Pyjamaparty, hab ich doch gesagt! Und zu unseren Pyjamas zählen doch Pampis!«
Robin nickte gutmütig. Doch Fenix Wangen glühten vor Scham. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
»Ich … ich … das war voll dumm. Jakob hat mich überredet!! Ich zieh sie wieder aus, Sorry!«, stotterte er und wollte sich grade losreißen, da legte Robin eine Hand auf seine Schulter: »Alles gut. Ist nicht schlimm. Ich sags niemandem, versprochen, Fenix.«
Wieder zwinkerte sie ihm zu.
Und er? Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Also fragte Robin anders: »Oder willst du die Pampi wirklich ausziehen? Kein Problem, komm, ich mach dir die Schürze wieder auf, dann kannst du …«
»Nein«, traute er sich: »Will sie anbehalten …«
»Na also«, verstand Robin. Dann wuschelte sie diesmal nicht Jakob durch die Haare, sondern ihm.
»So! Alle bereit?«, klatschte sie in die Hände: »Braucht keiner noch eine Pipi-Pause, bevor wir anfangen?«
Hatte sie das grade wirklich so gesagt? Jakob kicherte ungläubig und sah Fenix im nächsten provozierend an.
Doch angesichts der lockeren Stimmung traute sich Fenix: »Doch, Einhornkob muss mal, glaub ich!«, lachte er und zeigte auf Jakob.
»Einhornkob??«, Empörte sich Jakob lachend und nahm drohend ein rohes Ei in die Hand, tat als würde er es nach ihm werfen wollen: »Ich stech dich ab mit meinem Horn!!«. kreischte er. Fenix ging hinter dem Esstisch in Deckung, Jakob jagte ihm nach und Robin erkannte, dass die beiden Fünftklässler dabei waren, sich gegenseitig aufzuwiegeln. Sie griff nach Jakobs rechter Hand und führte sie mitsamt Ei an die Metallschüssel auf der Arbeitsplatte neben ihr: »So Jaki, ihr beiden schlagt jetzt erstmal die Eier auf«, sagte sie ruhig und langsam: »Dabei musst du ganz dolle aufpassen, dass keine Schale in die Schüssel kommt, okay? Meinst du, du kriegst das hin?«
Jakob nickte. Fenix hatte sich aus der Deckung gewagt und
Dann gab sie Fenix eine Aufgabe: »Und du rührst das gleichmäßig ineinander mit dem Schneebesen, alles klar?«
Fenix nickte: »Klar!«
Jakob schlug vorsichtig das erste Ei auf der Kante der Schüssel auf, und ließ den Inhalt langsam in die Schüssel fließen. Fenix rührte mit dem Schneebesen in der metallenen Schüssel und vermischte Eiweiß und Eigelb zu einer dickflüssigen, gelben Flüssigkeit.
Währenddessen stellte Robin schon eine zweite Schüssel auf die Arbeitsplatte. Ab und zu sah sie zu Ihnen rüber und als sie sah, dass alle Eier aufgeschlagen waren, ließ sie sie noch Butter dazugeben und anschließend Zucker und Mehl. Die beiden Jungen konzentrierten sich auf ihre Arbeit, machten sie ruhig und gründlich, sodass sie bald schon den fertigen Teig ausstechen konnten. Robin kümmerte sich um Zuckerguss und Schokoladensauce, die sie in kleinen Töpfen auf dem Herd erwärmte während Fenix grade damit fertig geworden war den Teig mit einer Walze breitzurollen. Im leise spielenden Radio lief Weihnachts-Pop und das Brummen des vorheizenden Ofens erfüllte den Raum. Jakob drückte mit der Schablone Sterne in den Teig, während Fenix dasselbe mit Tannen machte. Er achtete darauf, den Teig möglichst effizient auszunutzen und stempelte jeden zweiten Baum verkehrt herum – das hatte seine Mutter ihm vor einigen Jahren beigebracht. Zwölf Tannenbäume brachte er unter, dann passte keiner mehr in die verbleibende kleine Ecke.
»Kann ich mal den Stern haben?«, fragte er seinen Freund und hielt die Hand auf.
Jakob reagierte nicht, sondern wackelte die in den Teig eingedrückte Sternschablone mit zwei Fingern hin und her. Seine Augen sahen in die Ferne, obwohl einen halben Meter vor ihm nur die Wand war. Sein Mund stand ganz leicht offen. In Zeitlupentempo bewegte er seine linke Hand zwischen seine Beine und ging mit seinem Po unmerklich nach hinten.
Jakob machte sich grade in die Hose. Kein Zweifel. Fenix erkannte das mittlerweile. Wenn man einmal wusste, wie Jakob sich verhielt wenn er einpullerte, dann wusste man genau wann es war. Es war ziemlich offensichtlich eigentlich. Manchmal machte sich Fenix einen Spaß daraus und zählte gedanklich mit, wie oft Jakob seine Windel benutzte. Mitten im Unterricht, während der Pause, beim Spielen. Heute Nachmittag war das jetzt das vierte Mal, seitdem er von seiner großen Schwester frisch gewickelt worden war. Einmal beim Legospielen, dann nach dem Essen und nochmal während Mariokart. Das war aber immer nur ganz kurz gewesen, nur ein paar Sekunden, weil Jakob sich oft keine Zeit zum pullern ließ sondern schon nach kurzer Zeit lieber das weitermachte, was er vorher getan hatte.
Jetzt nicht. Fenix zählte stumm mit. Fast bis dreißig konnte er zählen bis Jakob aus seiner Starre erwachte. Natürlich hätte er ihn jederzeit anstupsen können, oder ihn etwas lauter nach der Sternschablone fragen können, Jakob hätte sie ihm sofort gegeben und dann einfach irgendwann später weitergepieselt. Aber er wollte seinen Freund wirklich nicht stören.
Er würde auch lieber in Ruhe in die Hose pullern, wenn es schon lief. Und das war ein echtes Problem: Fenix war seit der zweiten Pause nicht mehr auf Toilette gewesen! Natürlich musste er auch nicht so oft wie Jakob – er hatte ja auch kein Windelproblem – aber mittlerweile drückte seine Blase spürbar. Das nervte, denn es lies ihn nervös werden, obwohl die Stimmung in der Küche ansonsten so weihnachtlich-friedlich war. Alle paar Minuten musste Fenix den antrainierten Impuls, zum Klo zu rennen aktiv unterdrücken, und das nur weil … weil er es verdammt nochmal nicht schaffte, sich in die Hose zu machen!
Er hatte das schon versucht, als sie noch oben mit ihren Nintendo DS gespielt hatten, in der gemütlichen Ecke unter Jakobs Hochbett. Mehrmals hatte er sich umpositioniert, hingehockt, hingelegt, normal hingesetzt und versucht zu drücken – aber nie hatte er es geschafft, dass sein Pipi loslief. Hier neben Robin traute er es sich jetzt überhaupt garnicht: Was, wenn sie das mitbekommen würde? Das wäre total peinlich. Mittlerweile hatte Fenix außerdem Sorge, dass die Pampers überfordert sein würde, so viel wie er jetzt pinkeln musste. Die würde bestimmt überlaufen!
Er beneidete seinen Freund wirklich. Als Jakob fertig mit dem abermaligen Einweichen seiner Pampers war, reichte er Fenix wie selbstverständlich die Sternschablone und tat als wäre nichts geschehen. Nur die deutlich größer gewordene Auswölbung in seinem Schritt zeugte unmissverständlich von dem was passiert war.
Fenix überkreuzte unruhig die Beine und wünschte, er könnte stattdessen einfach ganz normal auf Toilette gehen. Natürlich konnte er. Aber was würde Jakob sagen?
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Autor: giaci9
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Na mal sehen wie lange Felix das aushält 😉 bin gespannt ob ihm jemand helfen muss sich zu überwinden oder ob er es selbst schaft.