Kein Zurück (20)
Kapitel 20: Hahn im Korb
Am Samstag klingelte ich bei Steffi. Nachdem sie über die Sprechanlage gefragt hatte, wer da ist, öffnete sie die Tür.
„Hi Nico. Mit dir habe ich heute nicht gerechnet. Was kann ich für dich tun?“
„Wolltest du heute nicht mit meiner Mom ins Theater?“
„Doch, will ich schon.“
„Ja und ich soll auf Anne aufpassen, oder?“
„Uh, oh. Hatten wir das so ausgemacht? Verdammt. Das habe ich total vergessen und Nina gebeten, auf Anne aufzupassen. Oh, das ist mir jetzt aber peinlich. Jetzt komm erst mal rein. Kann ich dir irgendetwas anbieten? Das ist mir furchtbar unangenehm, dass du umsonst hergekommen bist und dir den Abend freigehalten hast.“ Wir gingen ins Wohnzimmer. Dort saß Nina mit Anne am Esszimmertisch und half Anne ein Malbuch auszumalen.
„Hi Nina.“
„Hi Nico. Was machst du denn hier?“
Steffi antwortete für mich: „Ich habe Mist gebaut und vergessen, dass ich mit Nico schon ausgemacht habe, dass er auf Anne aufpassen soll.“
Nina fragte: „Soll ich dann wieder gehen?“ und ich ergänzte: „Oder ich?“, schließlich war Nina schon vor mir da gewesen.
Steffi schlug vor: „Wie wär’s, wenn ihr gemeinsam auf Anne aufpasst und ich euch beide bezahle? Schließlich habe ich das verbockt.“
Ich antwortete: „Steffi, du weißt doch, dass ich das nicht nur wegen des Geldes mache. Aber ich hatte mich schon darauf gefreut, Anne mal wieder ins Bett zu bringen.“
Nina sagte: „Also wegen mir können wir das gerne gemeinsam machen. Dann ist es nicht so langweilig, wenn Anne schläft.“
Ich fand die Idee gut: „Klar von mir aus auch gerne.“
Steffi war erleichtert: „Dann ist ja alles geklärt. Ich würde vorschlagen, da Nina Anne schon länger betreut, hat sie im Zweifelsfall das letzte Wort, oder?“
Aha, Steffi fürchtete Kompetenzgerangel. Wobei ich Nina schon ein kleines bisschen krumm nahm, dass sie mir Anne neulich vor dem Yogakurs einfach so weggenommen hatte. Aber Steffis Vorschlag war akzeptabel, da ich den Abend auf jeden Fall mit Anne und Nina verbringen wollte: „Von mir aus gerne. Anne kann malen?“
Steffi antwortete: „Ja, aber nur mit Nina. Kein anderer Mensch bringt so viel Geduld auf. Ich mach mich dann mal fertig.“
Ich setzte mich an den Tisch und stellte mir nicht ernst gemeint die klassische Familienszene vor. Ich sah mich mit einem Bier vor der Glotze sitzen, während Nina sich um Küche und Kind kümmerte, als Nina mir zuvorkam: „Kannst du kochen? Steffi meinte zwar, ich soll für mich und Anne eine Pizza kommen lassen, aber wenn du uns was machen kannst, ist das günstiger für Steffi.“
Ich schaute in der Küche nach und klopfte danach an Steffis Schlafzimmertür: „Steffi, kannst du reden?“
„Ist gerade schlecht, ich bin nicht angezogen. Aber durch die geschlossene Tür geht schon. Um was geht’s denn?“
„Kann ich Nudeln mit Hackfleischsoße kochen oder brauchst du die Sachen für ‘was anderes?“
„Nein, kannst du gerne nehmen. Dann koche ich morgen etwas anderes und kaufe Montag noch einmal Hackfleisch. Ihr könnt euch aber auch eine Pizza kommen lassen. Geld liegt in der Küche.“
„Weiß ich. Ich koche lieber ‘was. Willst du auch noch mitessen?“
„Nein, ich esse gleich noch mit Anja vor dem Theater.“
Ich ging zurück zu Nina: „Nudeln mit Hackfleischsoße könnte ich machen.“
„Au ja, gerne.“
„Und welche Nudeln?“
„Irgendwelche kurze, die man gut mit dem Löffel füttern kann.“
„Alles klar.“ Ich begann eine Zwiebel und Pilze zu schneiden und fing an, die Soße zu kochen.
Nina half unterdessen weiter Anne, das Malbuch auszumalen.
Während die Nudeln kochten, deckte ich den Tisch. Nachdem die Nudeln fertig waren, servierte ich Nina, Anne und mir eine Portion.
Nina fütterte abwechselnd Anne mit dem Löffel und nahm sich selbst eine Gabel voll.
„Mhm, die sind gut“, lobte mich Nina und auch Anne schmeckten sie.
Während wir aßen, verabschiedete sich Steffi, die sich schick rausgeputzt hatte. Nina und ich sagten ihr das, natürlich in viel netteren Worten.
Nachdem alle satt waren, räumte ich ab und brachte die Küche wieder in Ordnung.
Nina las noch ein Bilderbuch mit Anne. Was Anne von den Bildern verstand, war natürlich unklar, aber Nina erklärte ihr die Bilder wie einem normalen Kind.
Als sie fertig war, sagte sie zu mir: „Du wolltest unbedingt Anne ins Bett bringen, oder?“
„Ja, gerne. Weißt du, ob heute Baden dran ist?“
„Heute ist nur Katzenwäsche.“
Ich schob Anne also in ihr Zimmer, putzte ihr die Zähne und begann sie zu wickeln. Nina beobachtete mich dabei: „Ich sehe schon, du kannst das ziemlich gut.“
Nachdem ich Anne bettfertig gemacht hatte, nahm ich wahllos ein Buch aus dem Regal und las ihr eine stark gekürzte Version von Pinocchio vor. Anne war schon nach wenigen Minuten eingeschlafen. Ich schaltete das Babyphone ein und löschte das Licht. Wir gingen leise aus dem Zimmer und ich schloss die Tür.
Ich fragte Nina: „Und, was machen wir zwei jetzt?“
Nina fragte leicht empört: „Wie meinst du das?“
„Na willst du irgendwas im Fernsehen anschauen oder ‘was spielen? Oder was hättest du gemacht, wenn du alleine gewesen wärst?“
„Wie wär’s wenn wir leise Musik anmachen, uns aufs Sofa setzen und uns unterhalten?“
„Von mir aus gerne. Willst du noch ‘was zu trinken?“
„Danke, das hole ich mir selbst.“
Wir nahmen uns Getränke. Ich schaffte es mein Handy mit Steffis Mini-Stereoanlage zu verbinden, startete eine meiner Lieblings-Playlists und dann setzten wir uns aufs Sofa.
Ich fragte Nina: „Hattest du vor Anne schon Erfahrung mit anderen Kindern?“
„Nur ein bisschen bei meinen Cousins und Cousinen. Aber ohne Wickeln und Baden und so. Das habe ich erst von Steffi gelernt. Inzwischen hat sich das aber rumgesprochen und ich bin jetzt relativ oft bei Nachbarn babysitten. Bei uns im Neubaugebiet sind viele junge Familien zugezogen, die ohne Omas oder Tanten in der Nähe sind. Emma bekommt viel mehr Taschengeld als ich. Wenn sie ins Kino oder auf Konzerte will, dann muss sie ihrem Papa nur schöne Augen machen und bekommt auch noch Geld extra. Durch das Babysitten kann ich wenigstens ein bisschen mithalten oder habe eine Ausrede, wenn ich mal irgendwo nicht mit Emma hin will. Neulich zum Beispiel war sie auf einem Hip-Hop-Konzert, wo der Eintritt mit Backstage-Zugang 150 Euro gekostet hat. Ich wollte da auf keinen Fall mit. Ich habe Emma gefragt, warum sie da unbedingt hin will, weil ich wusste, dass ihr die Musik nicht gefällt. Stell’ dir vor, sie hat gesagt: ‘Die Band trendet gerade voll. Ich brauche Bilder von mir auf dem Konzert für Insta.‘ Zum Glück ist dann jemand anderes mit ihr hingegangen.“
Ich wollte das Thema Emma nicht vertiefen und fragte: „Du machst Leichtathletik, oder? Wie viel trainierst du?“
„Ja, zweimal die Woche festes Training im Verein. Dann ein bis zweimal alleine oder in kleinen Gruppen Laufen. Plus den Yogakurs.“
„Was für eine Disziplin?“
„Ich habe mich noch nicht spezialisiert, bin aber auf der Mittelstrecke am besten.“
Wir schwiegen kurz, dann fragte Nina: „Wie viel trainierst du eigentlich?“
„In Kilometer oder Stunden pro Woche?“
„Kilometer sagt mir nichts, Stunden pro Woche.“
„Montag bis Freitag in Summe vier bis sechs Stunden und am Wochenende nochmal vier bis sechs.“
„Wow, und da bleibt dir noch Zeit für Anne?“
„Klar, und um mit Freunden in die Eisdiele oder Baden zu gehen. Und was hast du sonst noch für Hobbys?“
„Ich male ein bisschen, lese gerne und spiele ein bisschen Klavier. Und dann unternehme ich viel mit Emma zusammen.“
„Hast du Geschwister?“
„Nein, ich bin Einzelkind.“
„Ich auch.“
Eine Weile schwiegen wir und ich überlegte mir neue Fragen, um Nina besser kennenzulernen. Wir redeten die ganze Zeit, bis Steffi wieder nach Hause kam. Sie kam etwas später als ausgemacht, was mich heute aber überhaupt nicht gestört hat. Außerdem machte sie einen sehr überschwänglichen oder leicht beschwipsten Eindruck. Vor der Tür wartete Mom, die Steffi nach Hause begleitet hatte, um jetzt mit mir und nicht alleine nach Hause gehen zu müssen. Natürlich hatte ich auch Nina angeboten, dass ich sie nach Hause begleite, aber das wollte sie nicht.
Auf dem Weg nach Hause fragte ich Mom: „Und habt ihr euch gut amüsiert?“
„Ja, das Stück war toll und danach sind wir noch in eine Bar. Aber im letzten Aperol Spritz war, glaube ich, Alkohol drin“ und sie kicherte wie ein Schulmädchen. Bingo, das war eine ‘Sie kommen aus dem Gefängnis frei‘-Karte für mich. Sollte ich einmal angeheitert von einer Party heimkommen, hatte ich jetzt einmal gut.
Nachdem ich meine Zähne geputzt hatte und in mein Zimmer ging, überkam mich wieder die Lust auf Windeln. Keine Ahnung, ob das Wickeln von Anne oder die Zeit mit Nina das ausgelöst hatte oder keines von beidem. Jedenfalls holte ich eine Unterlage und eine Windel aus meinem Geheimfach und zog mir die Windel an. Als ich die Windel anhatte und im Bett lag, überlegte ich, ob ich über Steffi mehr über Nina herausfinden könnte. Ich fand Nina sehr attraktiv und sympathisch und beim Gedanken an sie, kribbelte es irgendwie auch ein bisschen im Bauch. Aber ich konnte mir gar keinen Reim darauf machen, ob sie mich auch mochte. Manchmal hatte ich das Gefühl ja und dann wieder genauso sicher nein. Zum Beispiel hatte sie mir noch nie tief in die Augen geschaut, so wie Tom das gemacht hatte, als er in mich verknallt war. Steffi konnte mir da sicher auch nicht weiterhelfen, denn selbst wenn Nina etwas für mich empfand, würde sie das ja sicher nicht Steffi als Erstes erzählen. Steffi würde mir sicher stattdessen raten, Nina einfach zu fragen. Wie hatte sie gesagt: ‘Wichtig ist, dass du den Mut bei der Richtigen hast‘ oder so. Und dann gab es auch noch Emma, die volle Kontrolle über Nina hatte. Wollte ich wirklich eine Freundin, bei der mein Wohl und mein Verderben von ihrer besten Freundin abhingen?
Während ich so dalag und über Nina nachdachte, war da neben dem angenehmen Windelgefühl noch etwas anderes, das definitiv Nina ausgelöst hatte. Ich hatte Lust auf Sex. Ich begann, meine Windel zu reiben. Es fühlte sich merkwürdig an. Ich kam relativ schnell, aber das hätte ich besser machen sollen, bevor ich die Windel anzog. Sex mit Windeln war scheinbar nicht so mein Ding. Ich überlegte, ob ich die Windel wieder ausziehen sollte, war mir aber unschlüssig. Bevor ich zu einer Entscheidung kam, war ich jedoch schon eingeschlafen. Morgens war die Windel noch trocken. Ich wollte die, mit etwas anderem volle, Windel aber nicht weiter anhaben oder nutzen und ging ins Bad. Ich fürchtete schon eine verklebte Sauerei. Als ich die Windel ausgezogen hatte, staunte ich nicht schlecht. Die Windel hatte alle Spuren von gestern Abend restlos aufgesaugt, als ob nie etwas passiert wäre. Dennoch wollte ich diese Windel nicht noch einmal anziehen und warf sie in den Müll.
***
Am Sonntag hatte ich ein Radrennen. Die Konkurrenz war nicht sehr stark, also nicht nur weil Tom nicht dabei war. Lukas und ich waren nur zu zweit aus unserem Verein. Das Rennen ging über zehn Runden. Niemand wollte Führung fahren, auch nicht von den Vereinen mit voller Mannstärke. Wie bei Pinguinen, wo jeder in der Mitte sein will, weil es da am wärmsten ist, wollte jeder in der Mitte des Feldes fahren, weil da am wenigsten Wind war. Sobald ein Fahrer vorne war, ließ er sich sofort wieder zurückfallen. Dadurch war das Tempo so niedrig, dass ich überhaupt nicht richtig in Schwung kam und mir langsam kalt und langweilig wurde.
In der fünften Runde hatte ich keinen Bock mehr und bin mit Lukas einfach unser normales Trainingstempo gefahren. So zogen wir zu zweit ohne Anstrengung langsam davon. Plötzlich war im Feld Panik. Aber selbst bei der Verfolgung konnten die Trottel sich nicht einigen. Wieder wollte keiner in den Wind und dadurch zogen wir immer weiter davon. Als wir so weit in Führung lagen, dass wir das Feld selbst auf einer langen Geraden nicht mehr hinter uns sehen konnten, hatte ich eine Idee: „Hey Lukas, willst du dieses Kindergartenrennen unbedingt gewinnen?“
„Gegen dich habe ich ja eh keine Chance.“
„Ich will heute aber nicht gewinnen. Ich habe aber eine lustige Idee.“
„Ach so, du willst mir den Sieg schenken? Ne, so gewinnen will ich auch nicht. Lass hören.“
Ich erklärte Lukas was ich vorhatte.
Ein Stück weiter parkte ein langer Lkw neben der Straße. Als wir bei ihm waren, hauten wir die Bremse rein und versteckten uns hinter dem Lkw. Als das Feld vorbei war, fuhren wir ihnen hinterher und fuhren von hinten wieder ins Feld. Vorne hatte man sich endlich darauf geeinigt, dass man zusammenarbeiten und uns einholen wollte und das Tempo zog immer mehr an. Aber jetzt jagten sie Ausreißer, die es nicht mehr gab. Lukas und ich fuhren schön versteckt und kraftsparend hinten im Windschatten mit. Wir hatten echt Probleme, uns das Lachen zu verkneifen, als die vorne anfingen laut zu Fluchen: ‘So ein Scheiß! Das kann doch nicht sein, dass wir die gar nicht mehr einholen. Nur einer von den zwei ist gut. Wie kann das sein, dass der alleine dem ganzen Feld davon fährt?‘ Bei der Zieleinfahrt wurde nicht einmal richtig gesprintet, weil Platz eins und zwei ja schon vergeben waren, dachten sie. Lukas fuhr mir den Sprint an und weil wir zwei die Einzigen waren, die volle Power fuhren, gewannen wir locker die Plätze eins und zwei. Aber die Gesichter der anderen, als wir sie beim Sprinten überholten und im Ziel, waren unbezahlbar. Man konnte die Fragezeichen über ihren Köpfen förmlich sehen. Lukas und ich fielen im Ziel vor Lachen fast vom Rad.
Als wir Maik gebeichtet hatten, wie das Rennen gelaufen ist, war er zwar ziemlich sauer, weil wir das Rennen nicht ernst genommen und nur durch Glück gewonnen hatten. An dem Tag haben wir uns sicher auch keine Freunde unter den anderen Fahrern gemacht. Aber Lukas und ich werden diese Geschichte noch unseren Enkeln erzählen.
***
Natürlich war ich auch am nächsten Dienstag wieder zu früh vor der Yogastunde im Park, in der Hoffnung, dass Nina auch früher käme und ich mich mit ihr unterhalten könnte. Aber leider kam Nina später als sonst und zusammen mit Emma. Beide begrüßten mich nur kurz und anschließend redete Emma pausenlos von irgendwelchen Klamotten, die sie gerade beim Shoppen gesehen hatten. Plötzlich wandte sich Emma unvermittelt an mich: „Nico, ich feiere am Samstag meinen Geburtstag. Willst du auch kommen? Ahornweg acht. Ab acht Uhr.“ Genauso plötzlich, ohne meine Antwort abzuwarten, sagte sie zu Nina: „Schätzchen, es ist Zeit. Gehen wir.“
Was war das denn? Ich hatte keine Ahnung, was ich von Emma halten sollte. Wollte ich wirklich auf diese Party? JayJay waren vielleicht auch da. Und Nina war auf jeden Fall da.
***
Am Donnerstag war ich mit Sophie, Leon, Lisa und JayJay in der Eisdiele verabredet. Als ich ankam, waren meine ehemals vier Freunde und jetzt mit Lisa fünf Freunde schon da. Am Tisch ein Stück weiter saßen Emma und Nina. Auf dem Weg zu meinen Freunden sagte ich: „Hallo Nina, hallo Emma.“ Leider war der letzte freie Platz so, dass ich Emma und Nina den Rücken zugewandt hatte.
Nachdem wir anderen uns begrüßt hatten, fragte mich Janina: „Kennst du Emma und Nina?“
„Ja, sie sind im selben Yogakurs wie meine Mom.“
„Und woher weißt du das? Der Kurs ist doch nur für Damen, soweit ich weiß.“
„Also, in dem Kurs ist auch noch eine Freundin meiner Mom. Während des Kurses passe ich auf ihre Tochter auf.“
„Ah, so ergibt das Sinn. Du und Babysitten? Respekt.“
Leise sagte ich zu Janina: „Sollen wir einen großen Tisch machen und Emma und Nina dazu bitten?“
Sie flüsterte zurück: „Puh, lieber nicht.“
„Nanu, warum nicht?“
„Emma ist schon okay, aber in Gruppen ist sie sehr dominant und will immer im Mittelpunkt stehen. Dann haben wir den ganzen Nachmittag lang die große Emma-Show.“
Wir unterhielten uns dann noch über Lisas Fortschritte beim Reiten. Sophie und Leon saßen in Richtung Emma und Nina und sahen gelegentlich zu ihnen rüber. Irgendwann musste Emma aufs Klo und ging ins Eiscafé.
Während Lisa von ihrem letzten Ausritt zusammen mit Leon erzählte, bemerkten Sophie und Leon etwas. Sie sahen sich kurz gegenseitig an und grinsten. Ich drehte mich um, um zu schauen, was sie Lustiges entdeckt hatten. Aber in der Richtung war nichts zu sehen. Kein Mensch und kein Tier. Nur Nina saß da, den Kopf auf ihre Hände gestützt, und nuckelte verträumt an ihrem Milchshake und sah mich dabei an. Als ich zu ihr blickte, sah sie aber sofort demonstrativ weg, als hätte ich sie bei etwas ertappt. Kurz darauf grinsten Sophie und Leon wieder. Scheinbar machte sich Nina hinter meinem Rücken über mich lustig. Ich war ziemlich enttäuscht. Insgeheim hatte ich ja gehofft, dass Nina mich mag.
Nachdem Nina und Emma gegangen waren, fragte ich Janina und Jannik: „Geht ihr auch auf Emmas Party?“
Janina antwortete: „Ich schon, aber Jannik hat keine Zeit. Ich gehe mit anderen Mädels hin. Wieso, du auch?“
„Ja, sie hat mich eingeladen, obwohl ich sie eigentlich gar nicht kenne.“
„Das überrascht mich nicht. Für sie gilt: Je mehr Gäste, desto beliebter ist sie.“
***
Sollte ich wirklich allein auf die große Party von Emma, auf der ich fast niemanden kannte? Andererseits war das eine gute Motivation, neue Leute kennenzulernen, denn ich konnte nicht den ganzen Abend nur mit den Leuten quatschen, die ich schon kannte. Außerdem bestand die Chance, auf Nina zu treffen und vielleicht herauszufinden, ob sie mich jetzt mochte oder nicht. Ich beschloss also hinzugehen. Wenn es mir gar nicht gefiel, konnte ich ja wieder gehen. Blieb noch das Problem, was schenkt man einem Mädchen wie Emma? Ich rief Janina an und fragte sie, ob sie wüsste, was ich Emma schenken könnte. Zum Glück hatte sie einen super Tipp. Am Freitag kaufte ich das Geschenk.
***
Am Samstag fuhr ich zur von Emma angegebenen Adresse. Das schien das Haus zu sein, in dem sie wohnte. Ich kettete mein Rad außen am Zaun an. In allen Fenstern brannte Licht und überall waren Leute, sowohl im Garten als auch in allen Zimmern. Auf der Suche nach Emma, Nina oder Janina kämpfte ich mich durch den Flur Richtung Küche. In der Küche war niemand, den ich kannte oder der Notiz von mir nahm. Ich ging weiter in Richtung Wohnzimmer. Im Wohnzimmer war eine kleine Tanzfläche freigeräumt auf der aber niemand tanzte. Es lief gerade der Oldie ‘Blue Monday‘. Neben der Tanzfläche stand ein Tisch für die Geschenke. Ich legte mein Geschenk dazu. Da sah ich am anderen Ende des Raums Janina in einer Runde Mädels stehen. Sie winkte mir zu. Nein, sie winkte mich zu sich.
Ich ging hin und begrüßte sie. Janina stellte mir Katharina, Emily, Lara und Leonie vor und mich ihnen. Ich fragte: „Kennt ihr euch von der Leichtathletik?“
Leonie antwortete: „Nein, wir haben zusammen auf dem Jugendfasching getanzt. Emma war die Prinzessin und Jannik der Prinz.“
Völlig verblüfft fragte ich Janina: „Jannik als Faschingsprinz?“
„Ja“, antwortete sie.
Ich wunderte mich: „Das hat er gar nicht erzählt.“
Janina erklärte: „Was glaubst du, was das für eine Arbeit war, ihn zu überreden. Ihm war das total peinlich. Und dann war ich nicht mal die Prinzessin.“
Das ergab für mich keinen Sinn, daher fragte ich: „Und warum wolltest du nicht Prinzessin sein?“
Emily antwortete: „Wenn Emma Prinzessin sein will, dann ist Emma die Prinzessin.“
Okay, das könnte unter anderem erklären, warum Janina neulich in der Eisdiele nicht wollte, dass Emma sich zu uns setze.
Während wir uns unterhielten, hielt ich immer wieder Ausschau nach Nina. Plötzlich sah ich sie in der Tür stehen. Sie entdeckte mich, wollte zu mir kommen, dann fiel ihr offenbar etwas ein und sie verließ das Zimmer wieder. Na ja, ich würde sie schon noch später treffen.
Leonie fragte mich: „Du fährst Radrennen oder?“
„Ja, woher weißt du das?“
„Mein Bruder Simon fährt auch, aber schon bei den Junioren. Jedenfalls habe ich dich schon öfter gewinnen und bei der Siegerehrung gesehen.“
„Ja, einen Simon kenne ich. Der ist gut.“
Die Mädels fanden das interessant und löcherten mich mit Fragen. So einfach war das, Mädchen zu beeindrucken? Ich kam mir vor, wie der coolste Typ auf Erden, so als Hahn im Korb. Die Musik war ein guter Mix aus Oldies aus den Achtzigern und Neunzigern sowie neueren Hits. Gut eine Stunde unterhielt ich mich mit den Mädels und hatte Spaß.
Der DJ spielte ‘Sugar’ von ‘Robin Schulz’. Plötzlich sagte Leonie: „Ich will tanzen!“ Sie packte mich am Arm und zog mich auf die Tanzfläche. Puh, ich und Tanzen. Wir beide tanzten als einzige. Alle Umherstehenden sahen uns zu. Leonie konnte natürlich super tanzen, aber ich fürchtete schon hämisches Grinsen zu sehen, wegen meines unbeholfenen Gezappels. Stattdessen war da aber eher so etwas wie Bewunderung. Allmählich kamen weitere Leute zu uns, um auch zu tanzen. Während wir tanzten, sah ich auf der anderen Seite des Raums eine Traube Leute, in deren Mitte Emma stand. Als nächstes Lied kam ‘I Like to Move It’ von ‘Reel 2 Reel’. Allmählich wurde diese Traube immer kleiner, da sich immer mehr Leute zu uns gesellten und auch tanzten. Emma schien das gar nicht zu passen.
Als Emma mich sah, grinste sie mich mit diesem typischen künstlichen amerikanischen Schönheitsköniginnen-Lächeln an. Dann ging sie kurz zum DJ, um ihm etwas ins Ohr zu sagen. Keine Ahnung, was Emma wollte, aber dem DJ passte das gar nicht. Emma machte ihm aber scheinbar sehr deutlich klar, wessen Party das war. Dann kam sie auch auf die Tanzfläche und drängte sich zwischen Leonie und mich und sagte: „Hi Nico, ich habe schon befürchtet, du kommst nicht.“
„Hallo Emma, alles Gute zum Geburtstag.“
Emma sagte: „Bussi!“ und zeigte mit dem Finger auf ihre Backe. Eigentlich wollte ich den Kuss nur andeuten, aber durch das Tanzen berührte ich sie leicht und bekam etwas von ihrer Schminke auf die Lippen, was sehr unangenehm war. Sie nahm ihr Handy, zog mich mit einem Arm zu sich heran und machte ein Selfie von uns beiden. Ich hasse Selfies.
Als nächstes Lied kam ‘Slow Dancing in a Burning Room’ von ‘John Meyer’. Das war es wohl, was Emma sich gewünscht hatte. Kein Wunder, dass dem DJ das nicht passte, nachdem endlich getanzt wurde. Emma legte beide Hände auf meine Schulter und wir slowdancen.
Sie flüsterte mir lasziv ins Ohr: „Mein Geburtstagswunsch ist in Erfüllung gegangen. Obwohl ich noch gar nicht geblasen habe.“
Die Tanzfläche leerte sich wieder, nur ein paar andere Pärchen blieben und tanzten eng umschlungen. Doch alle Augen waren auf Emma und mich gerichtet. Emma zog mich immer näher an sich heran und ich ließ es gerne geschehen. Ich sah, wie ein paar Jungs mich neidisch und bewundernd anschauten. Ich war ziemlich nervös. Zum ersten Mal ein Mädchen in meinen Armen und dann so unter Beobachtung. Ich spürte Emmas Brüste, was mich sehr erregte und streichelte ihren Rücken und Nacken. Emma fühlte sich gut an in meinen Armen. Auf einmal küsste Emma mich aus heiterem Himmel auf den Mund. Ich schloss die Augen, um die Leute um uns herum auszublenden. Wir fingen an zu knutschen. Ich öffnete die Augen und genau in diesem Moment sah ich kurz Nina, die uns anstarrte. Jemand lief mir durch mein Blickfeld und als der wieder weg war, war Nina verschwunden. Mein erster Kuss und dann auch noch in aller Öffentlichkeit. Nachdem das Lied zu Ende war, sagte Emma: „Danke, Schätzchen. Wir sehen uns später, ja?“ und ging in typischer Emma-Manier einfach.
Autor: Hans_Steam | Eingesandt via Mail
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